OLG Frankfurt vom 05.03.2015 (6 UF 225/13)

Stichworte: Verfahrenseinleitung; Haager Unterhaltsprotokoll (HUP); Kindergeld; Leistungsfähigkeit; Mindestunterhalt; Vaterschaftsfeststellung; lex fori;
Normenkette: BGB 1612a; BGB 1612b; FamFG 100; FamFG 179; FamFG 237; FamFG 240; EuUnthVO 3; EuUnthVO 9; EuUnthVO 75; HUP 14;
Orientierungssatz:
  • Ein Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeantrag ist nicht als gleichwertiges Schriftstück i. S. d. Art. 9 EuUnthVO anzusehen, mit dessen Einreichung bei Gericht das Hauptsacheverfahren als eingeleitet gilt.
  • Das anzuwendende materielle Unterhaltsrecht bestimmt sich - abweichend von Art. 3 Haager Unterhaltsprotokoll (HUP) - gemäß Art 4 Abs. 3 HUP nach dem Ort des vom Berechtigten angerufenen Gerichts, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
  • Die Beschränkung des Verfahrensgegenstandes nach § 237 Abs. 3 FamFG auf den Mindestunterhalt gilt nicht nur bis zur rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2011, 8 UF 257/10, FamFR 2011, 523); der Unterhaltsverpflichtete ist durch die Abänderungsmöglichkeit nach § 240 FamFG hinreichend geschützt (zur Zuständigkeit hierfür: BGH, Beschl. v. 14.10.2015, XII ZB 150/15).
  • § 237 Abs. 3 FamFG sieht den Abzug von Kindergeld nach § 1612b BGB nur vor, soweit solche Leistungen tatsächlich bezogen werden.
  • 4 F 92/11 UK
    AG Fürth

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragstellers und die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürth/Odw. vom 03.07.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb und die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. von Pückler und Schuschke am 5. März 2015 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

    Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 08.09.2000 bis 28.02.2015 in Höhe von 49.508,19 € zu zahlen.

    Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin ab März 2015 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes der dritten Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 S. 3 BGB, das entspricht einem derzeitigen Zahlbetrag von 426,00 € monatlich, zu zahlen.

    Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden dem Antragsgegner auferlegt.

    Die Entscheidung ist sofort vollziehbar.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Beschwerdewert: 34.582,39 €.

    Gründe:

    I. Die Beteiligten, beide US-amerikanische Staatsangehörige, streiten im Beschwerdeverfahren noch um Kindesunterhalt. Die Kindesmutter und der Antragsgegner unterhielten im Jahr 1999, als sich beide als Angehörige der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, eine kurzzeitige Beziehung, der der Antragsteller entstammt. Nach der Geburt des Kindes kehrte die Kindesmutter mit dem Kind zurück in die USA. Das betroffene Kind, das in den Vereinigten Staaten im Bundesstaat Pennsylvania lebt , hat im erstinstanzlichen Verfahren die gerichtliche Feststellung begehrt, dass der Antragsgegner sein Vater sei, verbunden mit dem Antrag, dem Antragsgegner die Zahlung von Unterhalt ab dem Tag der Geburt aufzuerlegen, wobei irrtümlich der Tag der Geburt des Antragstellers mit dem 09.08.2000 und nicht wie es richtig ist, mit dem 08.09.2000 angegeben wurde. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Antragsgegners hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Vaterschaft des Antragsgegners für den Antragsteller festgestellt. Zugleich hat es ausgesprochen, dass der Antragsgegner an das betroffene Kind zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 09.08. bis zum 30.06.2013 in Höhe von 35.493,23 € zu zahlen habe. Im Übrigen hat es den Unterhaltsantrag abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass gemäß der Vorgabe der gesetzlichen Regelung in § 237 FamFG von den Regelunterhaltsbeträgen bzw. den Mindestunterhaltsätzen gemäß § 1612 b BGB Kindergeld in Abzug zu bringen sei. Daher hat es für die Zeit von August 2000 bis Juli 2006 nicht den Mindestunterhalt zugesprochen, sondern nur den Betrag, der zusammen mit dem Kindergeld 135 % des Regelunterhaltes erreichte. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2008 hat das Amtsgericht von den Mindestunterhaltsbeträgen das hälftige Kindergeld in Abzug gebracht. Des Weiteren hat es dem Antragsgegner auferlegt, an das antragstellende Kind ab dem 01.07.2013 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes der 3. Altersstufe gemäß § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind (derzeitiger Zahlbetrag 334,00 €) zu zahlen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Unterhaltsantrag des betroffenen Kindes gemäß § 237 Abs. 1 FamFG zulässig sei, der Antragsteller gemäß § 237 Abs. 3 S. 1 FamFG Unterhalt lediglich in Höhe des Mindestunterhaltes und gemäß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB und unter Berücksichtigung der Leistungen nach § 1612b oder 1612c BGB verlangen könne. Da gemäß § 237 Abs. 3 S. 3 FamFG in dem Verfahren eine Herabsetzung oder Erhöhung des Unterhalts nicht verlangt werden könne, komme es weder darauf an, nach welchem Recht sich der materiell-rechtliche Unterhaltsanspruch richte, noch sei entscheidend, ob der Antragsgegner leistungsfähig sei. Unbeachtlich sei weiter auch, dass der Antragsteller kein deutsches Kindergeld erhalte, gleichwohl sei ein Abzug in Höhe des hälftigen Kindergeldes gemäß § 1612b oder § 1612c BGB bei der Berechnung der Unterhaltshöhe vorzunehmen. Der Antragsteller müsse seinerseits in einem Abänderungsverfahren geltend machen, dass Kindergeld tatsächlich nicht bezogen werde.

    Beide Beteiligten haben gegen die Entscheidung zum Unterhalt Beschwerde erhoben. Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde hinsichtlich des Unterhaltes sein erstinstanzliches Ziel weiter, er greift aber die geringfügige Kürzung, die das Amtsgericht für die Zeit ab Geburt bis zum Erreichen des 6. Lebensjahres vorgenommen hat, nicht an, sondern beschränkt sein Rechtsmittel auf den Ausspruch zum Unterhalt für die Zeit ab dem 01.01.2008. Er ist der Auffassung, ein Abzug des Kindergeldes sei nicht gerechtfertigt, da sonst das Existenzminimum des Kindes, welches durch Zahlung des Mindestunterhaltes gewährleistet werden solle, nicht gesichert werde. Da die Lebensverhältnisse in den USA denen in Deutschland entsprächen, müsse der volle Mindestbedarf ohne Abzug des Kindergeldes gezahlt werden, da der Antragsteller Kindergeld, mit dem er sonst seinen Unterhalt sicherstellen könnte, nicht erhält.

    Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 unter Aufrechterhaltung des Beschlusses im Übrigen eine monatliche Unterhaltszahlung von 322,00 €, für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 eine monatliche Unterhaltszahlung von 364,00 € sowie ab dem 01.01.2011 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe des Mindestunterhaltes und gemäß den Altersstufen nach § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB mit der Maßgabe zu zahlen, dass die Anrechnung von Kindergeld oder anderer anrechenbarer Sozialleistungen unterbleibt.

    Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

    Er verfolgt mit seiner Beschwerde das Ziel, den Unterhaltsantrag des antragstellenden Kindes abzuweisen. Er argumentiert, der Antragsteller habe bereits nach seiner Geburt einen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft und auf Kindesunterhalt in den USA gestellt und rechtshängig gemacht, dieses Verfahren aber nicht weiter verfolgt. Rückständiger Unterhalt sei daher verwirkt. Außerdem sei materielles Unterhaltsrecht des US-Bundesstaates Pennsylvania anzuwenden, auf ein System zur Feststellung der Höhe des Kindesunterhaltes wie der Düsseldorfer Tabelle, das in Pennsylvania nicht existiere, könne damit nicht zurückgegriffen werden. Der Unterhaltsbedarf des Antragstellers in Pennsylvania sei geringer als in Deutschland, außerdem hätte eine Stellungnahme des zuständigen Gerichts in Pennsylvania eingeholt werden müssen.

    Der Antragsgegner beantragt,

    unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag des Antragstellers auf Zahlung rückständigen Unterhaltes für die Zeit vom 09.08.2000 bis 30.06.2013 abzuweisen sowie den angefochtenen Beschluss hinsichtlich des Ausspruchs zum laufenden Unterhalt für die Zeit ab 01.07.2013 aufzuheben und an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

    Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners.

    Mit Schriftsatz vom 17.12.2010, eingegangen am 23.12.2010, wurde ein Antrag auf Gewährung von "Prozesskostenhilfe" gestellt, dem die Antragsschrift auf Feststellung der Vaterschaft verbunden mit dem Antrag auf Zahlung von Unterhalt beigefügt war. In dem "Prozesskostenhilfeantrag" heißt es:

    "Die Stellung der Anträge wird ausdrücklich unter die Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Anträge werden ausschließlich im Rahmen der gewährten Prozesskostenhilfe gestellt. Es wird daher gebeten, den beigefügten Schriftsatz bis zur Prozesskostenhilfebewilligung nebst Rechtsanwaltsbeiordnung als Entwurf zu behandeln."

    Mit Beschluss vom 16.06.2011 hat das Amtsgericht dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit er die Feststellung begehrte, dass der Antragsgegner sein Vater sei. Hinsichtlich des begehrten Unterhaltes hat es Verfahrenskostenhilfe verweigert. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 09.12.2011 die Verfahrenskostenhilfebewilligung auf den angekündigten Antrag zum Unterhalt erweitert. Das Amtsgericht hat daraufhin mit Verfügung vom 19.12.2011 die Zustellung der Antragsschrift zur Abstammung und zum Unterhalt an den Antragsgegner verfügt, welche am 21.12.2011 bewirkt wurde.

    Der Antragsgegner wurde in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 05.02.2015 persönlich angehört.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Sitzungsniederschrift vom 05.02.2015 und die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

    II. Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet, die Beschwerde des Antragsgegners hat mit Ausnahme der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung für August und September 2000 sowie die Monate August 2006 und 2012 keinen Erfolg.

    1. Die Zulässigkeit der Beschwerden richtet sich nach §§ 58 ff, 117 FamFG. Die Verbindung der Abstammungssache mit dem Unterhaltsverfahren gemäß §§ 179 Abs. 1 S. 2, 237 FamFG ändert nichts an der Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften für Unterhaltssachen (vgl. Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 237 Rn. 1). Die Beschwerden sind gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64, 117 Abs. 1 FamFG iVm § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

    2. Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

    a. Der Zulässigkeit des Unterhaltsantrags des Antragstellers steht nicht eine von Amts wegen zu beachtende anderweitige Rechtshängigkeit als Verfahrenshindernis (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG iVm § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen. Nach der Sachverhaltsschilderung des Antragstellers hat seine Mutter bereits am 27.01.2001 eine Vaterschaftsklage eingereicht, die nicht weiterbetrieben wurde. Hinsichtlich des Unterhalts ist eine gerichtliche Geltendmachung in den USA nicht ersichtlich. Die Kindesmutter hat zwar bei dem "Domestic Relation Office" als staatliche Behörde zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen (auch) im Ausland die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen beantragt, die entsprechenden Schriftstücke konnten aber dem Antragsgegner nicht zugestellt werden. Soweit der Antragsgegner im Zusammenhang mit seiner Argumentation, der Unterhalt sei verwirkt, vorträgt, auch ein Unterhaltsverfahren sei rechtshängig geworden, ist sein Vortrag angesichts der detaillierten Angaben zu den Verfahrensabläufen seitens des Antragstellers nicht hinreichend substantiiert. Ob der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft anderweit rechtshängig war, kann vorliegend dahinstehen, da das Vaterschaftsfeststellungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und das Unterhaltsverfahren nach § 237 FamFG nicht mehr als Annexverfahren zum Vaterschaftsfeststellungsverfahren, sondern als selbständiges Verfahren ausgestaltet ist (MüKoZPO/Pasche FamFG § 237 Rn. 1).

    b. Die in jeder Lage des Verfahrens entgegen dem Wortlaut des § 65 Abs. 4 FamFG (vgl. Musielak/Borth/Grandel/Borth FamFG § 65 Rn. 5 m.w.N.) von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Diese folgt für das Abstammungsverfahren aus § 100 FamFG. Hinsichtlich des Unterhaltsverlangens richtet sich die Zuständigkeit wegen des bestehenden Auslandsbezuges zunächst nach §§ 105, 232 Abs. 3 FamFG i. V. m. § 12 ZPO, allerdings sind vorrangige Staatsverträge und das EU-Recht zur internationalen Zuständigkeit zu beachten. Vorrangig auf Unterhaltsansprüche ist seit dem 18.06.2011 die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 (im folgenden EuUnthVO) anzuwenden. Diese erfasst gemäß Art. 1 Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, damit auch das vorliegende Unterhaltsverhältnis. Die in §§ 3 ff. der EuUnthVO getroffenen Zuständigkeitsbestimmungen gelten universal, greifen also auch dann ein, wenn die Parteien - wie hier - nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates besitzen; Gegenseitigkeit ist nicht erforderlich (vgl. Hausmann, Internationales und Europäisches Scheidungsrecht, Abschnitt C, Rn. 19, 20; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.06.2014, 13 WF 564/14, FamRZ 2015, 268 f., Borth/Grandel in Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl. 2013, Vorbem. zu §§ 98 ff., Rn. 18.). Nach der in Art. 3 lit. a getroffenen Bestimmung ist für eine Entscheidung in einem Mitgliedsstaat in Unterhaltssachen das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, die Zuständigkeit folgt gemäß Art. 3 lit. d darüber hinaus der Zuständigkeit für das Abstammungsverfahren (Hausmann, a.a.O., Abschnitt C, Rn. 101). Die EuUnthVO ist gemäß der in Art 75 getroffenen Übergangsregelung für alle Verfahren anwendbar, die seit dem 18.06.2011 eingeleitet wurden. Der Anwendbarkeit der EuUnthVO steht vorliegend nicht entgegen, dass ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren schon im Dezember 2010 eingegangen ist, da der Antrag auf Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe noch nicht als Einleitung des Verfahrens gemäß Art. 75 EuUnthVO gewertet werden kann. Das Verfahren dient nur der Vorbereitung eines beabsichtigten Verfahrens, in dem über den eigentlichen Verfahrensgegenstand keine Entscheidung getroffen wird (vgl. zur Frage der Anwendbarkeit des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nach der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG bei Stellung eines Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeantrags BGH FamRZ 2012, 783 ff.). Dieser Wertung steht nicht entgegen, dass gemäß Art. 9 EuUnthVO ein Gericht zu dem Zeitpunkt als angerufen gilt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist. Der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeantrag ist - anders als der Mahnbescheid - aus den oben genannten Gründen nicht als gleichwertiges Schriftstück anzusehen. Die gegenteilige Ansicht (Hausmann, a.a.O. Abschnitt C, Rn. 213) ist abzulehnen, da der Schutz des Antragstellers es nicht gebietet, Prozesskostenhilfeanträge verfahrenseinleitenden Schriftstücken gleichzustellen. Der Antragsteller kann nämlich durch Einreichung eines unbedingten Antrags zur Hauptsache in Verbindung mit einem Verfahrenskostenhilfeantrag ein verfahrenseinleitendes Schriftstück bei Gericht einreichen und damit einen sonst vorrangigen Antrag des Gegners zum Gericht eines anderen Mitgliedstaates verhindern. Ein Kostenrisiko trifft ihn in diesem Fall nur, wenn der Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht oder Kostenarmut abgelehnt wird, in dem Fall erscheint er aber auch nicht schutzwürdig. Außerdem bestimmt Art. 9 der EuUnthVO den Zeitpunkt, zu dem in einer Unterhaltssache Rechtshängigkeit bei dem Gericht eines Mitgliedstaates eintritt, um im Rahmen der Bestimmung des zuerst angerufenen Gerichts eine einheitliche Regelung zu schaffen, unabhängig von der Frage, ob die Rechtshängigkeit nach der lex fori schon mit der Einreichung des Antrags bei Gericht oder mit der Zustellung an den Gegner eintritt. Die Definition gilt daher nach dem Wortlaut der Vorschrift für das Kapitel II, das die internationale Zuständigkeit regelt. Selbst wenn man die Anbringung eines Prozesskostenhilfeantrags für die Zwecke der Bestimmung des zuständigen Gerichts als ausreichend ansähe, wäre daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass dem Prozesskostenhilfeantrag eine verfahrenseinleitende Wirkung i. S. d. Art 75 EuUnthVO zukommt.

    c. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich das Verfahrensrecht nach der lex fori richtet; die Verbindung des Abstammungsverfahrens mit dem Unterhaltsverfahren war daher gemäß §§ 179 Abs. 1 S. 2, 237 FamFG zulässig.

    d. Die Anwendung deutschen Sachrechts durch das Amtsgericht ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das anzuwendende materielle Unterhaltsrecht bestimmt sich nach Art 15 EuUnthVO nach dem Haager Protokoll vom 23.November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (im folgenden Haager Unterhaltsprotokoll = HUP), welches zwar als Staatsvertrag bisher nicht in Kraft getreten ist, in den Mitgliedsstaaten der EU aber aufgrund des Ratsbeschlusses vom 30.11.2009 (Amtsblatt EU L 331, 17) bereits seit dem 18.06.2011 Anwendung findet. Gemäß Art. 5 des Beschlusses ist das HUP auch auf Unterhaltsforderungen anzuwenden, die in einem Mitgliedsstaat vor dem Inkrafttreten bzw. der vorläufigen Anwendung des Protokolls geltend gemacht werden, sofern die Einleitung des Verfahrens ab dem Beginn der Anwendbarkeit der EuUnthVO erfolgte. Vorliegend muss daher nicht zwischen Unterhaltszeiträumen vor und nach dem 18.06.2011 differenziert werden. Nach Art 3 HUP ist grundsätzlich das Recht des Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten maßgeblich, für die Geltendmachung von Kindesunterhalt enthält Art 4 Abs. 3 HUP aber die selbständige Anknüpfung an die lex fori: "Hat die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staates angerufen, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so ist ungeachtet des Art 3 das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden". Im vorliegenden Fall ist damit deutsches Unterhaltsrecht anzuwenden, da der Antragsteller seinen Unterhaltsanspruch vor einem nach Art 3 lit. a EuUnthVO zuständigen Gericht geltend gemacht hat. Ob die in § 237 FamFG getroffene Regelung rein verfahrensrechtlichen Charakter hat und die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestunterhaltes auch bei Anwendung ausländischen Sachrechts ermöglicht, bedarf somit keiner Klärung. Die Auferlegung der Verpflichtung zur Zahlung des Regelunterhaltes für die Zeit bis zum 31.12.2007 und des Mindestunterhaltes für die Zeit ab dem 01.01.2008 ist somit nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner Einwendungen gegen seine Leistungsfähigkeit im Verfahren nach § 237 FamFG nicht erheben kann (Keidel/Weber, FamFG, 18. Aufl. § 237 Rn.8, Zöller/Lorenz, ZPO, § 237 FamFG Rn. 6, MüKoZPO/Pasche FamFG § 237 Rn. 14, jeweils mwN). Der Ansicht, dass die Einschränkung des § 237 Abs. 3 FamFG nur bis zur rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung gilt (OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2011, 8 UF 257/10, FamFR 2011, 523) folgt der Senat nicht. Der Unterhaltsverpflichtete hätte es sonst in der Hand, in der zweiten Instanz, nachdem die Vaterschaft in der Regel nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zweifelsfrei geklärt ist, durch Bestreiten seiner Leistungsfähigkeit das Unterhaltsverfahren in die Länge zu ziehen. Zweck der Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf den Mindestunterhalt ist aber die Vereinfachung des Unterhaltsverfahrens, in dem durch die Zuerkennung des Mindestunterhaltes wenigstens die Mindestversorgung des Kindes geregelt werden soll. In dem Verfahren sollen nicht die konkreten Umstände des Unterhalts geklärt werden, sondern die Mindestversorgung des Kindes direkt im Anschluss an das Vaterschaftsfeststellungsverfahren sichergestellt werden (MüKoZPO/Pasche FamFG § 237 Rn. 10). Im Beschwerdeverfahren gelten somit auch die Beschränkungen hinsichtlich der Einwendungen wie im ersten Rechtszug (Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, 2. Aufl., § 237 Rn. 14). Das antragstellende Kind wäre in dieser Konstellation zudem bei Zulassung von Einwendungen noch einem Kostenrisiko ausgesetzt. Der Unterhaltsverpflichtete ist vor einer Inanspruchnahme, die nicht seiner Leistungsfähigkeit entspricht, durch die vereinfachte Abänderungsmöglichkeit gemäß § 240 FamFG hinreichend geschützt.

    e. Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner daher zu Recht die Zahlung von 100 % des Regelunterhalts bzw. des Mindestunterhaltes ab dem 01.01.2008 aufgegeben.

    Soweit das Amtsgericht für die Zeit bis zum 31.12.2007 Abzüge vom Regelunterhalt vorgenommen hat, ist der Antragsgegner hierdurch nicht beschwert; der Antragsteller hat die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit nicht angegriffen. Auf die Beschwerde des Antragstellers ist die Entscheidung hingegen insoweit abzuändern, als das Amtsgericht Beträge in Höhe des hälftigen Kindergeldes hinsichtlich des laufenden und des rückständigen Unterhalts vom Mindestunterhalt abgesetzt hat. § 237 Abs. 3 FamFG sieht zwar die Berücksichtigung von Leistungen nach § 1612 b oder § 1612 c BGB vor, ein Abzug kann jedoch nur dann vorgenommen werden, soweit Leistungen tatsächlich bezogen werden. Das ist bei dem in Pennsylvania lebenden Antragsteller unstreitig nicht der Fall.

    3. Die Beschwerde des Antragsgegners ist im Wesentlichen unbegründet.

    a. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist allerdings insoweit abzuändern, als Unterhalt für den Monat August 2000 in der Annahme, der Antragsteller sei am 09.08. und nicht am 08.09.2000 geboren, in Höhe von 130,88 € zugesprochen wurde. Außerdem verschiebt sich der Wechsel in die nächsthöhere Altersstufe bei Erreichen des sechsten und des zwölften Lebensjahrs jeweils um einen Monat, so dass dem Antragsteller für den Monat August 2006 nur 204,00 € statt 247,00 € und für den Monat August 2012 nur 364,00 € statt 426,00 € zuzusprechen sind, somit verringert sich der Rückstand um weitere 43,00 € (247,00 € - 204,00 €) und 62,00 € (426,00 € - 364,00 €).

    b. Die in Art. 14 HUP getroffene Regelung steht der Auferlegung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestunterhaltes nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind bei der Bemessung des Unterhalts die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten zu berücksichtigen. Wenn der Unterhaltsberechtigte im Ausland lebt, sind für die Höhe des Unterhaltsanspruchs die Geldbeträge maßgebend, die er an seinem Aufenthaltsort aufwenden muss, um seinen Mindestunterhalt sicherzustellen. Hinsichtlich des Lebensbedarfs des Antragstellers kann aber davon ausgegangen werden, dass an seinem Aufenthaltsort Geldbeträge mindestens in Höhe des Regelbetrages bzw. des Mindestunterhalts aufgewendet werden müssen, um den Mindestunterhalt zu sichern. Es gibt zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bedarf des Antragstellers in Pennsylvania geringer sein könnte als in Deutschland. Das Verhältnis von Devisenkurs und Verbrauchergeldparität lag in dem Zeitraum 2000 bis 2009 im negativen Bereich bei - 10,3, so dass eine Bedarfskorrektur durch eine Ermäßigung jedenfalls nicht geboten ist (vgl. Wendl/Dose Unterhaltsrecht, § 9 Rn. 77, 83). Da die Verbrauchergeldparitäten seit 2010 nicht mehr erhoben werden, kann die Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums, in der die USA seit 2010 in der Gruppe eins geführt werden (vgl. Wendl/Dose, a.a.O. Rn. 37), so dass bei Auslandssachverhalten eine Kürzung steuerlich relevanter Beträge nicht erfolgt, als Indiz dafür herangezogen werden, dass eine Bedarfskorrektur durch Absenkung jedenfalls nicht geboten ist. Soweit Art. 14 HUP die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten gebietet, ist nach dem anzuwendenden deutschen Unterhaltsrecht die Prüfung in das Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG zu verlagern, da gemäß § 237 Abs. 3 FamFG die Berufung auf Leistungsunfähigkeit ausgeschlossen ist (vgl. zu §§ 642, 643 ZPO OLG München, Beschluss vom 23.06.1997, 26 U 1701/97 , BayObLGR 1998, 49, 50).

    c. Der Antragsgegner ist damit auch mit seiner Einwendung ausgeschlossen, der Antragsteller habe seinen Unterhaltsanspruch jedenfalls für in der Vergangenheit liegende Zeiträume verwirkt. Es fehlt im Übrigen an Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Verwirkungstatbestandes. Jedenfalls konnte der Antragsgegner aus dem Umstand, dass ein in den USA geführtes Abstammungsverfahren nicht weitergeführt wurde, nicht darauf vertrauen, er werde auf Unterhalt für seinen Sohn nicht mehr in Anspruch genommen. Der Antragsgegner wusste schon zeitnah nach der Geburt des Antragstellers, dass seine Vaterschaft behauptet wurde. Er hat seinerseits keine Maßnahmen zur Klärung der Vaterschaft eingeleitet; im vorliegenden Verfahren wurde die Erstellung des Abstammungsgutachtens durch das Verhalten des Antragsgegners monatelang verzögert.

    d. Danach ist der Antragsgegner auf das Abänderungsverfahren gemäß § 240 FamFG zu verweisen, soweit er behauptet, er sei nicht hinreichend leistungsfähig. Ist dieses am Wohnort des Antragstellers zu führen (vgl. Art. 3 EuUnthVO) hat die Zentrale Behörde ihn gegebenenfalls zu unterstützen und seine Anträge etwa an die zuständigen Behörde im Ausland weiterzuleiten.

    e. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist damit wie folgt abzuändern:

    Der rückständige Unterhalt gemäß Ziffer 2 der angefochtenen Entscheidung erhöht sich für die Jahre ab 2008 wie folgt:

    2008 12 x 77,00 € = 924,00 €
    2009 12 x 82,00 € = 984,00 €
    2010 12 x 92,00 € = 1.104,00 €
    2011 12 x 92,00 € = 1.104,00 €
    2012 12 x 92,00 € = 1.104,00 €
    2013 6 x 92,00 € = 552,00 €
    Summe = 5.772,00 €.

    Abzusetzen ist der vom Amtsgericht für den Monat August 2000 in Höhe von 130,88 € zugesprochene Betrag, ferner anteilig für die ersten sieben Tage des Monats September 2000 41,16 €, sowie die für die Monate August 2006 und August 2012 überhöht festgesetzten Beträge in Höhe von 43,00 € und 62,00 €, also verringert sich der zusätzlich geschuldete rückständige Betrag auf 5.494,96 € (5.772,00 € - 41,16 € - 130,88 € - 43,00 € - 62,00 €).

    Der inzwischen aufgelaufene Unterhaltsrückstand für die Zeit von Juli 2013 bis einschließlich Februar 2015 beläuft sich auf 8.520,00 € (20 x 426,00 €).

    Dem Antragsgegner ist somit die Zahlung eines Unterhaltsrückstandes in Höhe von 49.508,19 € (35.493,23 € + 5.494,96 € + 8.520,00 €) aufzugeben, der laufende monatlich geschuldete Unterhalt beträgt 426,00 €.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Es entspricht der Billigkeit, dem Antragsgegner, der mit seiner Beschwerde mit Ausnahme der Korrekturen für die Monate August und September 2000, August 2006 und August 2012 unterlegen ist, die Kosten des Verfahrens beider Instanzen aufzuerlegen.

    Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit gründet sich auf § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG.

    Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG zuzulassen.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...* [*Anm.: Das VKH-Gesuch des Antragsgegners für die zugelassene Rechtsbeschwerde ist mit Beschluss des BGH vom 14.10.2015 (XII ZB 150/15) abgelehnt worden, wobei der BGH aber ergänzend auf eine etwaige Notzuständigkeit nach Art. 7 EuUnthVO für ein Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG hinweist.]

    Schwamb Dr. von Pückler Schuschke