OLG Frankfurt vom 17.03.2021 (6 UF 22/21)

Stichworte: Beteiligter, Muss-Beteiligter; Nichtbeteiligung, fehlerhaft; Vater, biologischer; Vater, rechtlicher; Umgangsrecht; Teilentscheidung, unzulässige; Aufhebung; Zurückverweisung; Anhörung, persönliche; Verfahrenswert, Beschwerdeverfahren; Kostenrechtsänderungsgesetz
Normenkette: BGB 1592 Nr. 1; BGB 1599 Abs. 2; BGB 1632 Abs. 2; BGB 1684 Abs. 4; BGB 1686a; FamFG 7 Abs. 2 Nr. 1; FamFG 69 Abs. 1 S. 2; FamFG 160 Abs. 1, 3; FamGKG 20; FamGKG 40 Abs. 1; FamGKG 45 Abs. 1 Nr. 2; FamGKG 63 Abs. 1 S. 2
Orientierungssatz:
  • Wird in einem Verfahren betreffend das Umgangsrecht des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters nach § 1686a BGB der rechtliche Vater der Kinder im ersten Rechtszug am Verfahren nicht beteiligt, so rechtfertigt dieser Mangel die Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG, weil insoweit eine unzulässige Teilentscheidung vorliegt.
  • Wird in einer Umgangssache nach dem 31.12.2020 Beschwerde eingelegt, so bemisst sich der Beschwerdewert gemäß § 63 Abs. 1 S. 2 FamGKG nach dem zum 1.1.2021 geltenden Recht und dieser ist daher gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG mit 4.000 € anzusetzen, ohne dass dem die Begrenzung des Beschwerdewerts nach § 40 Abs. 2 S. 1 FamGKG durch den erstinstanzlichen Wert entgegenstehen würde.
  • … F…
    AG Michelstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache …

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht – Michelstadt vom 2. Februar 2021 am 17. März 2021 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - Michelstadt zurückverwiesen.

    Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

    Der Beschwerdewert wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die Beschwerdeführer sind die Mutter der am ... 2020 geborenen Zwillinge X und Y und der Ehemann der Mutter, der Beteiligte zu 5.

    Der Antragsteller und Beschwerdegegner ist der biologische Vater der Zwillinge.

    Der Antragsteller und die Mutter - die währenddessen weiterhin mit dem Beteiligten zu 5. verheiratet war - führten vormals eine Beziehung. Die Mutter lebte mit ihren beiden weiteren Kindern, die aus ihrer Ehe hervorgegangen waren, mit dem Antragsteller zusammen. Aus dieser außerehelichen Beziehung resultieren die beiden oben genannten Kinder. Nachdem die Zwillinge ca. sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin auf die Welt gekommen waren, blieben sie zunächst noch einige Zeit im Krankenhaus. Nach ihrer Entlassung wohnten sie gemeinsam mit der Mutter und den beiden Geschwistern mit dem Antragsteller zusammen. In dieser Zeit wurden Jugendamtsurkunden über die Vaterschaftsanerkennung des Antragstellers mit Zustimmung der Kindesmutter und ihres Ehemannes errichtet und Sorgeerklärungen abgegeben. Am 20. Juli 2020 trennten sich der Antragsteller und die Kindesmutter jedoch und diese zog mit den vier Kindern wieder in die eheliche Wohnung zu ihrem Ehemann, mit dem sie sich wieder versöhnt hatte. Ein bereits eingereichter Scheidungsantrag wurde zurückgenommen.

    In einem vorherigen, ebenfalls bei dem Amtsgericht Michelstadt geführten Umgangsverfahren (Az. …) schlossen der Antragsteller und die Kindesmutter am 13. Oktober 2020 - ohne Beteiligung des Ehemannes der Kindesmutter - eine gerichtlich gebilligte Vereinbarung über den Umgang des Antragstellers mit den betroffenen Kindern an zwei Tagen in der Woche.

    Der Antragsteller begehrt auch in diesem Verfahren die Regelung seines Umgangs mit den Zwillingen, den die Mutter seit dem 7. November 2020 verweigert.

    Die Kindesmutter ist dem mit dem Argument entgegengetreten, dass der Antragsteller gegen die Umgangsvereinbarung vom 13. Oktober 2020 verstoßen habe, indem er zweimal seine Mutter an Umgängen teilhaben ließ, was dieser bestreitet. Die Kindesmutter wirft der Mutter des Antragstellers vor, ihre beiden älteren Kinder körperlich gezüchtigt zu haben. Sie hat erstinstanzlich den Ausschluss des Umgangs des Antragstellers mit den Zwillingen begehrt.

    Das Amtsgericht hat für die betroffenen Kinder einen Verfahrensbeistand bestellt. Im Rahmen eines Anhörungs- und Erörterungstermins am 26. Januar 2021 hat es den Antragsteller, die Kindesmutter, den Verfahrensbeistand sowie eine Vertreterin des zuständigen Jugendamtes persönlich angehört und die Sache mit ihnen erörtert. Der Ehemann der Mutter und Beschwerdeführer ist am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt und auch nicht angehört worden.

    Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht zustande gekommen war, änderte das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Vereinbarung vom 13. Oktober 2020 befristet bis zum 16. Mai 2021 dahingehend ab, dass die Umgänge des Antragstellers mit den betroffenen Kindern mittwochs in der Zeit zwischen 17:00 Uhr und 17:45 Uhr stattfinden sollen. In den Gründe:n, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, führte das Amtsgericht aus, dass dies dem Jugendamt die Möglichkeit eröffnen soll, die Umgänge zu begleiten.

    Gegen diesen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 5. Februar 2021 zugestellten Beschluss wenden sich die Kindesmutter und der Beteiligte zu 5. mit ihrer am 8. Februar 2021 bei dem Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Sie rügen die mangelnde Beteiligung des Beteiligten zu 5. und verfolgen weiter das Ziel eines Ausschlusses des Umgangs.

    II.

    Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

    In der Sache hat sie zumindest vorläufig Erfolg.

    Die Sache ist gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Es liegt noch keine abschließende Entscheidung des Amtsgerichts in der Sache vor, weil das Amtsgericht es verfahrensfehlerhaft versäumt hat, den Beschwerdeführer als rechtlichen Vater der Kinder am Verfahren zu beteiligen.

    Zieht das Gericht einen gemäß § 7 FamFG notwendig am Verfahren zu Beteiligenden fehlerhaft nicht hinzu, ist diesem gegenüber keine Entscheidung in der Sache getroffen worden (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.10.2019 - II- 1 UF 168/19, BeckRS 2019, 27477, Rn. 6, 7; OLG Schleswig ZKJ 2019, 187; OLG Hamm, Beschluss v. 20. November 2017 - II-9 UF 168/17 -, juris Rn. 12 f; OLG Rostock, Beschluss v. 4. Juli 2014 - 11 UF 111/14 -, juris Rn. 5, 7; OLG Brandenburg FamRB 2012, 343; OLG Köln, FamRZ 2011, 753).

    Es liegt insoweit eine unzulässige Teilentscheidung vor, die die Zurückverweisung des Verfahrens rechtfertigt (OLG Schleswig ZKJ 2019, 187; Heilmann/Dürbeck, Praxiskommentar, Kindschaftsrecht, 2. Auflage 2020, § 69 FamFG Rn. 5).

    Der Beschwerdeführer war gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend am Verfahren zu beteiligen.

    Seine rechtliche Vaterschaft besteht gemäß § 1592 Nr. 1 BGB aufgrund seiner Ehe mit der Kindesmutter im Zeitpunkt der Geburt der Zwillinge. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller ist infolge der Rücknahme des Scheidungsantrags nicht wirksam geworden, § 1599 Abs. 2 BGB.

    Der rechtliche Vater ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG auch zwingend am Verfahren betreffend das Umgangsrecht nach § 1686a BGB zu beteiligen, da er durch das Umgangsverfahren in seinen eigenen subjektiven Rechten, nämlich seinem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar betroffen ist. Denn mit wem und in welchem Umfang ein Kind Umgang mit Dritten hat, ist grundsätzlich nach § 1632 Abs. 2 BGB vom Inhaber der elterlichen Sorge zu entscheiden (s. hierzu OLG Hamm Beschl. v. 12.7.2011 - 2 WF 156/11, BeckRS 2011, 20680). Inhaber der elterlichen Sorge für die Zwillinge sind die Kindesmutter und ihr Ehemann. Die vor der Trennung des Antragstellers und der Kindesmutter abgegebenen Sorgeerklärungen sind unwirksam, da die betroffenen Kinder gemäß § 1592 Nr. 1 BGB als Kinder des Beteiligten zu 5. gelten (vgl. BeckOK BGB/Veit, § 1626a Rn. 5.1; Johannsen/Henrich/Althammer/Lack, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1626a BGB Rn. 2).

    Das Amtsgericht hat es darüber hinaus verfahrensfehlerhaft unterlassen, den Beteiligten zu 5. persönlich anzuhören. Gemäß § 160 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FamFG soll das Familiengericht in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, die Eltern persönlich anhören. Hiervon sind auch Umgangsverfahren erfasst. Das Gericht darf gemäß § 160 Abs. 3 FamFG nur aus schwerwiegenden Gründe:n von der Anhörung absehen. Ausführungen dazu, aus welchen Gründe:n das Amtsgericht von der Anhörung abgesehen hat, finden sich in dem angefochtenen Beschluss nicht.

    Der Senat weist im Übrigen für das weitere Verfahren vor dem Amtsgericht darauf hin, dass soweit das Amtsgericht die Begleitung der Kindesumgänge für notwendig erachten sollte, es diese in vollstreckbarer Form nach Maßgabe von § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB zu regeln hat (vgl. Staudinger/Dürbeck, 2019, § 1684 BGB Rn. 360).

    Im Übrigen ist der Beschwerdeführer auch an dem vorherigen Umgangsverfahren nicht beteiligt worden, sodass auf ihn die Voraussetzungen von § 1696 Abs. 1 BGB nicht anzuwenden sein werden.

    Die angefochtene Entscheidung war daher einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

    Eines besonderen Antrags bedurfte es hierfür nicht.

    Im Rahmen dieser Entscheidung hat das Amtsgericht auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

    Die Kostenentscheidung folgt im Übrigen aus § 20 FamGKG.

    Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus den §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG. Hierbei ist gemäß § 63 Abs. 1 S. 2 FamGKG für das Beschwerdeverfahren auf den durch das Kostenrechtsänderungsgesetz zum 1.1.2021 erhöhten Verfahrenswert nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG abzustellen, da die Beschwerde nach diesem Stichtag eingelegt worden ist.

    § 40 Abs. 2 S. 1 FamGKG, wonach der Beschwerdewert durch den Wert des ersten Rechtszuges begrenzt wird, steht dem nicht entgegen, da § 63 Abs. 1 S. 2 FamGKG insoweit als Spezialregelung Vorrang gebührt (vgl. N. Schneider/Dürbeck NZFam 2021, 206, 209).

    ...