OLG Frankfurt vom 25.05.2000 (6 UF 22/00)

Stichworte: Rechtsmittelfrist, Einlegung, wiederholte Anhörung, Amtsermittlung
Normenkette: ZPO 621e Abs. 1 und 3, FGG 50b
Orientierungssatz: Geht eine Rechtsmittel vorab durch Telefax und anschließend noch innerhalb der Rechtsmittelfrist im Original beim Rechtsmittelgericht ein, so richtet sich die Frist zur Begründung des Rechtsmittels nach dem Eingang der Original-Rechtsmittelschrift (vgl. BGH NJW 1993, 3141; BAG NJW 1999, 2989).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Eltern gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 10.12.1999 am 25.05.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM.

G R Ü N D E

Die Beschwerde ist gemäß § 621e Abs. 1 und 3 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der angefochtene Beschluß ist den Eltern nicht förmlich zugestellt worden. Dadurch, daß den Verfahrensbevollmächtigten der Beschluß am 27.12.1999 zur Kenntnis gelangt ist, ist die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt worden. In der entsprechenden Angabe kann kein nachträglich ausgestelltes Empfangsbekenntnis gesehen werden. Die am 26.01.2000 im Telefax-Verkehr eingelegte Beschwerde ist jedenfalls fristgemäß. Die am 29.02.2000 eingegangene Beschwerdebegründung wäre danach zwar verspätet. Am 01.02.2000 ist jedoch zeitnah das Original der Beschwerdeschrift eingegangen. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist dies dahin zu verstehen, daß die Rechtsmittelführer den bekannten Unsicherheiten der fernmeldetechnischen Übermittlung ihres Schriftsatzes Rechnung tragen und vorsorglich das Rechtsmittel erneut einlegen wollten. Dementsprechend gelten die in der Rechtsprechung entwickelten Regeln über die wiederholte Rechtsmitteleinlegung. Danach handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel, über dessen Zulässigkeit nur unter Berücksichtigung der mehreren, in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängigen Einlegungsakte entschieden werden kann. Geht eine Rechtsmittel vorab durch Telefax und anschließend noch innerhalb der Rechtsmittelfrist im Original beim Rechtsmittelgericht ein, so richtet sich die Frist zur Begründung des Rechtsmittels nach dem Eingang der Original-Rechtsmittelschrift (vgl. BGH NJW 1993, 3141; BAG NJW 1999, 2989). Da vorliegend die Rechtsmittelfrist nicht in Gang gesetzt worden ist, ist die Beschwerde innerhalb der Monatsfrist nach Eingang des Originals der Beschwerdeschrift begründet worden.

Die Beschwerde hat vorläufig Erfolg.

Das Verfahren vor dem Amtsgericht leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. So hat das Amtsgericht entgegen § 50b FGG die Kinder nicht angehört, ohne darzulegen, daß die Neigungen, Bindungen oder der Wille der Kinder für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind oder schwerwiegende Gründe für das Absehen von der Anhörung rechtfertigen. Insbesondere aber hat sich das Amtsgericht in seinem Beschluß vom 10.12.1999 auf die gutachterliche Stellungnahme vom 20.09.1999 zum Gesundheitszustand der Mutter bezogen, ohne zu beachten, daß sich danach der Gesundheitszustand der Mutter bereits gebessert hat und dort empfohlen worden ist, in zwei bis drei Monaten bei der Institutsambulanz des Philippshospitals eine erneute Stellungnahme einzuholen. Davon hat das Amtsgericht unter Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) - ohne Begründung - abgesehen. Damit fehlt dem angefochtenen Beschluß die sachliche Grundlage, so daß es geboten ist, ihn aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Ermittlungen nachzuholen hat. Es hat dann auch Gelegenheit, die Personalien der Kinder und der Eltern genau festzustellen und sich auch damit auseinanderzusetzen, ob im Einverständnis mit den Eltern Jugendhilfemaßnahmen zum Schutz der Kinder ausreichen, wie sie auch bei den älteren Geschwistern A. und B. gewährt werden.

Kleinle Dr. Bauermann Schmidt