OLG Frankfurt vom 17.02.2000 (6 UF 212/99)

Stichworte: Zugewinnausgleich, Endvermögen, Grundstückswert, wirklicher Wert, Bewertungsmethode.
Normenkette: BGB 1378 Abs. 1
Orientierungssatz: Der für die Berechnung des Zugewinns maßgebliche wirkliche Wert eines Grundstücks orientiert sich strenger an dem tatsächlich erzielbaren Verkaufserlös, wenn das Grundstück zur Veräußerung bestimmt ist (vgl. BGH, FamRZ 1992, 918.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weychardt und die Richter am Oberlandesgericht Kleinle und Schmidt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2000 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 02.06.1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt abgeändert.

Das Versäumnisurteil vom 05.08.1998 wird aufrechterhalten.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung sowie die weiteren Kosten des ersten Rechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

T A T B E S T A N D:

Die am 30.09.1988 geschlossene Ehe der Parteien ist auf den am 28.02.1995 zugestellten Antrag seit 26.07.1995 rechtskräftig geschieden.

Das Amtsgericht hat zunächst die Klage der Klägerin auf Zahlung von Zugewinnausgleich durch Versäumnisurteil vom 05.08.1998 abgewiesen. Gegen das ihr am 10.08.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.08.1998 Einspruch eingelegt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 15.336,58 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 27.07.1995 zu zahlen. Die Ausgleichsforderung hat es, da die Klägerin unstreitig keinen Zugewinn erzielt hat, wie folgt ermittelt:

640.000,00 DM Grundstückswert
BR 2.032,30 DM Guthaben Girokonto
BR 642.032,30 DM
BR 64.988,19 DM Darlehen der Volksbank Gersprenztal-Otzberg
BR 128.664,90 DM Darlehen der Bausparkasse Wüstenrot
BR 448.379,21 DM Endvermögen des Beklagten
BR 505.000,00 DM Grundstückswert
BR 138.000,00 DM Darlehen der Bausparkasse Wüstenrot
BR 367.000,00 DM indexiert 412.323,50 DM Anfangsvermögen des Beklagten
BR 36.055,71 : 2 = 18.027,86 DM

Der Beklagte hat Berufung eingelegt und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Darmstadt vom 02.06.1999 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat auch sachlich Erfolg.

Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zugewinnausgleich gemäß § 1378 Abs. 1 BGB. Auch der Beklagte hat in der Ehe keinen Zugewinn erzielt.

Die Parteien streiten im wesentlichen um die Bewertung des Grundstückes des Beklagten im Endvermögen. Das Amtsgericht hat sich insoweit auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen G. vom 22.02.1999 gestützt. Der Beklagte wendet sich gegen einen höheren Ansatz als 440.000,00 DM. Er erwarb das Hausgrundstück als Erbe seines zwischen dem 02.08. und 07.08.1991 verstorbenen Vaters. Bis zur Trennung am 18.01.1994 wohnten die Parteien auf dem Grundstück. Bereits durch den Kaufvertrag vom 17.03.1994 verkaufte der Beklagte das Grundstück für 430.000,00 DM, jedoch verweigerte die Klägerin ihre Zustimmung. Der Beklagte vermietete das Hausgrundstück sodann für die Zeit vom 01.09.1994 bis 31.08.1999 zu einem Mietpreis von monatlich 2.000,00 DM. Nach der Scheidung bot er das Grundstück mit Schreiben seines früheren Bevollmächtigten vom 14.08.1995 vergeblich den Mietern an. Er ließ sodann das Grundstück vom Ortsgericht schätzen, das am 08.12.1995 einen Wert von 754.224,00 DM ermittelte. Im Hinblick auf diese Schätzung bot er das Grundstück am 08.02.1996 erneut vergeblich seinen Mietern zum Schätzpreis an. Am 16.02.1996 beauftragte er durch den bis 31.07.1996 befristeten Alleinauftrag die X-. Immobilien GmbH, einen Käufer zum Kaufpreis von 633.000,00 DM zuzüglich 40.404,00 DM Vermittlungsprovision nachzuweisen. Am 06.10. und am 30.11.1996 bot er das Grundstück im Darmstädter Echo an, angeblich für 675.000,00 DM. Am 02.01.1997 erteilte er schließlich einen Alleinauftrag an die LBS Immobilien GmbH mit einer Preisvorstellung von 530.000,00 DM, mindestens 500.000,00 DM. In diesem Zuge wurde der Kaufvertrag vom 28.02.1997 mit einem Preis von lediglich 440.000,00 DM geschlossen.

Der Senat geht von einem 596.000,00 DM nicht übersteigenden Wert des Grundstückes aus.

Die vom Sachverständigen gewählte Bewertungsmethode, den Verkehrswert weitgehend am Sachwert zu orientieren, entspricht zwar im Ausgangspunkt den Grundsätzen der Wertermittlungsverordnung und den dazu ergangenen Wertermittlungs-Richtlinien, da das Ertragswertverfahren hier keine realistischen Werte bringt. Es begegnet weiterhin auch keinen Bedenken, daß der Sachverständige wegen der relativ geringen Bebauung das Grundstückes in zwei Teilflächen gegliedert und diese unterschiedlich bewertet hat. Dieser Wert entspricht jedoch nicht dem "wirklichen Wert". Der für die Berechnung des Zugewinns maßgebliche wirkliche Wert eines Grundstücks orientiert sich strenger an dem tatsächlich erzielbaren Verkaufserlös, wenn das Grundstück zur Veräußerung bestimmt ist (vgl. BGH, FamRZ 1992, 918). Davon muß hier ausgegangen werden. Das Hausgrundstück stand nämlich zumindest mittelfristig zum Verkauf. Entsprechende Verkaufsbemühungen setzten bereits unmittelbar nach der Trennung ein und sind durchgängig belegt. Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte das Hausgrundstück vermietet hat. Angesichts der Weigerung der Klägerin, dem Verkauf zuzustimmen, war es sachgerecht, das Grundstück zunächst zu vermieten, denn eine Eigennutzung schien aus wirtschaftlichen Gründen nicht tragbar. Da bei der Vermietung noch nicht absehbar war, wann die Ehe geschieden wird und damit die Veräußerung nicht mehr zustimmungsbedürftig ist, und da ein angemessener Mietzins im allgemeinen nur bei längerer Laufzeit erzielbar ist, spricht eine solche von fünf Jahren nicht gegen die Verkaufsabsicht.

Ob es in Fällen wie dem vorliegenden sogar gerechtfertigt ist, dem etwa zwei Jahre nach dem Bewertungsstichtag tatsächlich erzielten Kauferlös eine wesentliche Bedeutung beizumessen, mag hier dahinstehen. Der Bundesgerichtshof hat zum Pflichtteilsrecht wiederholt ausgesprochen, daß sich die Bewertung von Nachlaßgegenständen, die alsbald nach dem Erbfall veräußert worden sind, von außergewöhnlichen Verhältnissen abgesehen, grundsätzlich an dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis orientieren, wobei sogar fünf Jahre bei im wesentlichen unveränderten Marktverhältnissen ausreichen (vgl. NJW-RR 1993, 131 für Grundstücke; FamRZ 1982, 571 für ein Unternehmen; ferner MünchKomm/Gernhuber, BGB, 3. Aufl., § 1376 Rdnr. 9). Vorliegend ist jedenfalls ein Abschlag gerechtfertigt, der einen Betrag von 44.000,00 DM nicht unterschreitet. Das Hausgrundstück war nämlich zum Bewertungsstichtag (28.02.1995) langfristig vermietet und von Dritten bewohnt. Die Mieter hatten zwar nach wenigen Monaten die Zahlungen eingestellt, hatten dies jedoch mit einem Wasserschaden gerechtfertigt. Wegen Zahlungsverzugs kündigte der Beklagte fristlos das Mietverhältnis. Eine längere gerichtliche Auseinandersetzung schloß sich an. Ein potentieller Käufer wäre unter diesen erkennbaren Verhältnissen nicht bereit gewesen, einen allein am - höheren - Sachwert orientierten Kaufpreis zu zahlen. Ein Abschlag von mindestens 44.000,00 DM ist danach angemessen. Dies vermag der Senat auf Grund eigener Sachkunde zu beurteilen und bedarf keiner Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen oder einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen G., der bei der Bewertung von einer Eigennutzung ausging und die Tatsache der längerfristigen Vermietung zum Bewertungsstichtag nicht in der Ermittlung des Wertes hat einfließen lassen. Aus dem vorgelegten Urteil des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26.08.1998 (2 UF 107/96) ergibt sich keine abweichende Beurteilung zu Gunsten der Klägerin. Im Urteil ist vielmehr hervorgehoben, daß das Gericht auch bei der Bewertung von Einfamilienhäusern nicht an den reinen Sachwert gebunden ist, insbesondere wenn das Objekt für den Eigentümer nicht weiterhin als Wohnung dienen soll.

Der genannte Abschlag von mindestens 44.000,00 DM führt dazu, daß ein Zugewinn des Beklagten und damit ein Ausgleichsanspruch nicht entstanden ist. Dies ergibt sich aus folgender Korrektur des amtsgerichtlichen Urteils unter Unterstellung der streitigen Wertansätze im übrigen zu Gunsten der Klägerin:

36.055,72 DM vom Amtsgericht ermittelter Zugewinn
BR + 4.500,00 DM Wert des PKW des Beklagten
BR - 1.430,72 DM Unterschied beim Ausgleich des Kaufkraftverlustes
BR + 4.400,00 DM Mietforderung gemäß nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.02.2000
BR 43.525,72 DM.

Wegen des Ausgleichs des Kaufkraftverlustes nimmt der Senat die Jahresdurchschnittswerte für 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalte mit mittlerem Einkommen (1995 = 100) an: 367.000,00 DM x 88,7/100 = 413.754,22 DM. Dies ergibt gegenüber dem angegriffenen Urteil eine Differenz von 1.430,72 DM

Danach hat auch der Beklagte keinen Zugewinn erzielt, so daß kein Anspruch auf Zugewinnausgleich besteht. Das klageabweisende Versäumnisurteil war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils aufrechtzuerhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Dr. Weychardt Kleinle Schmidt