OLG Frankfurt vom 07.01.2000 (6 UF 189/99)

Stichworte: Ehezeitanteil, vorgezogener Ruhestand, Billigkeit, Härte
Normenkette: BGB 1587c Nr. 1
Orientierungssatz: Zur Korrektur der starren Regeln des VA bei vorzeitigem Eintritt des Verpflichteten in den Ruhestand

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

U R T E I L

G r ü n d e :

Das Amtsgericht hat durch Verbundurteil vom 27.05.1999 die am 04.06.1980 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich unter ihnen in der Weise geregelt, daß es zu Lasten der für den Antragsgegner bei dem Regierungspräsidenten in Darmstadt bestehenden beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angetellte in Berlin ehezeitbezogene Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 879,86 DM begründet hat.

Die Ehezeit umfaßt den Zeitraum vom 04.06.1980 bis zum 31.01.1998. Diese Regelung basiert auf einer rechnerisch zutreffend dem Schema der gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Ausgleichsberechnung.

Beide Ehegatten sind beamtete Lehrer. Die Antragstellerin ist am 24.10.1946 und der Antragsgegner ist am 15.06.1952 geboren.

Während die Antragstellerin während der gesamten Ehezeit im aktiven Schuldienst stand und ihn auch heute noch ausübt, bezieht der erst im August 1984 ins Beamtenverhältnis übernommene und vorher im Angestelltenverhältnis tätig gewesene Antragsgegner seit dem 01.10.1996 ein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit. Demgemäß hat der Antragsgegner in der Ehezeit sowohl Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften erworben.

Am Ende der Ehezeit war die Antragstellerin in die Besoldungsgruppe A 12 eingestuft. Die Ruhestandsversorgung des Antragsgegners beruht auf den Bezügen der Besoldungsgruppe A 13.

Mit seiner gegen den versorgungsausgleichsrechtlichen Teil des Scheidungsverbundurteils gerichteten Beschwerde beanstandet der Antragsgegner, daß das Amtsgericht den Umstand seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht richtig gewürdigt habe. Aufgrund des vorzeitig eingetretenen Versorgungsfalls könne er seine Versorgungsanwartschaften nicht mehr erhöhen. Die nach der Rechtsprechung des Bundegerichtshofs vorzunehmende Berechnung seiner ehezeitbezogenen Versorgungsanrechte (FamRZ 1982, 36 ff.) führe zu weit höheren ausgleichspflichtigen Anwartschaften als dies der Fall wäre, wenn er noch im aktiven Dienst stünde, weil wegen der dann um die Zeit bis zur Altersgrenze zu erweiternden Gesamtzeit und der hierzu ins Verhältnis zu setzenden, in die Ehezeit fallenden ruhegehaltsfähigen Dienstzeit sich ein wesentlich geringerer Ehezeitanteil seiner Versorgungsanwartschaften und damit ein geringerer Ausgleichsbetrag ergäbe.

In Folge des vom Amtsgericht geregelten Versorgungsausgleichs erlange die Antragstellerin mit Beginn ihres Altersruhestands ungerechtfertigt eine wesentlich höhere Versorgung als sie dann dem Antragsgegner noch verbleibe. Dies gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB zu korrigieren, habe das Amtsgericht versäumt.

Der Antragsgegner begehrt Herabkürzung des Ausgleichsbetrags auf den Betrag, der sich ergäbe, wenn seine Dienstunfähigkeit nicht eingetreten wäre.

Er beantragt, den Ausspruch des angefochtenen Scheidungsverbundurteils zum Versorgungsausgleich dahingehend abzuändern, daß die zu Gunsten der Antragstellerin auf deren Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu begründenden Rentenanwartschaften auf - ehezeitbezogen - monatlich 269,05 DM herabgesetzt werden.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Regelung.

Die Beschwerde ist gemäß § 629 a in Verbindung mit § 621 e Abs. 1 und 3 ZPO statthaft und unter Wahrung aller Form- und Fristerfordernisse auch sonst zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel in Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB zur Herabsetzung des vom Amtsgericht rechnerisch zutreffend ermittelten Ausgleichsbetrags nach Maßgabe des Ausspruchs des vorliegenden Beschlusses.

Dem vom Amtsgericht ermittelten Ausgleichsbetrag liegen die gesetzlichen Berechnungsregeln in der durch den Bundesgerichtshof vorgenommenen Ausgestaltung zugrunde. Danach ist im Fall vorzeitiger Versetzung eines Beamten in den Ruhestand aus Gründen seiner Dienstunfähigkeit dem Versorgungsausgleich die tatsächliche gewährte Versorgung zugrunde zu legen, wobei der ehezeitlich verbrachte Teil der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit zu der insgesamt zurückgelegten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit (beide begrenzt durch die vorzeitige Pensionierung) ins Verhältnis zu setzen ist (BGH Fam RZ 1982, 36, 41 sowie jüngst NJW - RR 1999, 585, 586).

Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte aber infolge des auf dieser Grundlage errechneten und ihm gutgebrachten Ausgleichs unter Berücksichtigung weiteter Berufstätigkeit die Möglichkeit erhält, bei Erreichen der Altersgrenze eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig höhe Rente zu erzielen, so kommt vorbehaltlich sonstiger Herabsetzungsgründe nach den Umständen des einzelnen Falles eine Kürzung gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB bis herab auf den Versorgungsausgleich in Betracht, den der Ehegatte erhalten würde, wenn der Beamte nicht dienstunfähig geworden wäre, sondern bei Ehezeitende noch aktiv im Dienst gestanden hätte (BGH a.a.O.).

Das Ob und ggfls. das Maß der Kürzung hängen davon ab, ob und inwieweit die tatsächlichen Verhältnisse die Durchführung des Versorgungsausgleichs als grob unbillig erscheinen lassen (BGH a.a.O.).

Auf der Grundlage der von den Parteien inhaltlich und in ihren Rechenwerken nicht angegriffenen Auskünfte der beiden weiteren Verfahrensbeteiligten ist von folgenden, für die Renten- und Versorgungslage der Parteien bedeutsamen Fakten auszugehen:

a) Auf seiten der Antragstellerin aa) gemäß Auskunft des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 16.06.1998, Beamtenrechtl. Versorgungsanwartschaften, ehezeitbezogen monatlich 1.785,31 DM bb) gemäß Auskunft der BfA vom 31.05.1999 v o r der Ehezeit liegende und damit den Versorgungsausgleich nicht unterfallende gesetzliche Rentenanwartschaften, errechnet zum 31.01.1998 (= Ende der Ehezeit) monatlich 598,79 DM

b) Auf seiten des Antragsgegners aa) gemäß Auskunft des Regierungspräsidiums in Darmstadt 1. vom 22.12.1998/03.11.1999 beamtenrechtliche Versorgungsanrechte, errechnet auf der Grundlage der wegen Dienst- unfähigkeit tatsächlich gewährten Versorgungs, ehezeitbezogen, monatlich 3.266,88 DM

2. vom 08.03.1999 beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaften, errechnet für den (fiktiven) Fall nicht eingetretener Dienstunfähigkeit, ehezeitbezogen, monatlich 2.045,26 DM

bb) gemäß Auskunft er BfA vom 03.07.1989 gesetzliche Rentenanwartschaften 1. (nur) auf die Ehezeit bezogen, monatlich 278,14 DM 2. bezogen auf alle Zeiten, errechnet zum 31.01.1998 (= Ende der Ehezeit), monatlich 425,99 DM.

Aus den die Parteien betreffenden Auskünften des Regierungspräsidiums in Darmstadt ergibt sich folgende Berechnung der auf das Ende der Ehezeit bezogenen und zum Zweck des Versorgungsausgleichs einzusetzenden Versorgungsbezüge der Ehegatten.

a) für die Antragstellerin monatliches Ruhegehalt 75 % von 6.007,12 DM (Besoldungsgruppe A 12 Stufe 11 BDA: 01.01.1968) 4.405,36 DM zuzüglich 1/12 der jährlichen Sonderzuwendung + 346,88 DM 4. 852,22 DM

b) für den Antragsgegner monatliches Ruhegehalt 65,16 % von 6.981,38 DM (Besoldungsgruppe A 13 Stufe 12 BDA: 01.06.1973) 4.549,07 DM zuzüglich 1/12 der jährlichen Sonderzuwendung, 92,39 % + 350,24 DM 4.899,31 DM.

Auf der Grundlage dieser die Versorgungssituationen der Ehegatten kennzeichnenden tatsächlichen Verhältnisse leiten dem Senat folgende Erwägungen: Bezogen auf den Berechnungsstichtag des Endes der Ehezeit beträgt die (fiktive) Altersversorgung der Antragstellerin (ohne vor der Ehezeit liegenden Rentenanrechte) monatlich 4.852,22 DM, während die entsprechende Altersversorgung des Antragsgegners unter Einschluß der lediglich auf die Ehezeit entfallenden gesetzlichen Rentenanrechte monatlich 5.177,45 DM beträgt.

Bei Durchfürung des schematischen Versorgungsausgleichs kämen auf seiten der Antragstellerin (bezogen auf den Berechnungszeitpunkt des 31.01.1998) monatlich noch 879,86 DM hinzu, so daß sich der Gesamtbetrag auf monatlich 5.732,08 DM (4.852,22 DM + 879,86 DM belaufen würde). Nach Abzug des infolge des schematischen Versorgungsausgleichs errechneten Ausgleichsbetrags verblieben beim Antragsgegner noch 4.297,59 DM (5.177,45 DM - 879,86 DM). Die Differenz beträgt, bezogen auf den Berechnungszeitpunkt bis 31.01.1998, monatlich 1.434,49 DM.

Bezieht man die v o r der Ehezeit liegenden Rentenanwartschaften mit ein, so ergibt sich folgende Verteilung.

Antragstellerin: Versorgung 4.852,22 DM zuzüglich Rente + 598,79 DM zuzüglich schematischer Ver- sorgungsausgleich + 879,86 DM 6.330,87 DM.

Antragsgegner: Versorgung 4.899,31 DM zuzüglich Rente insgesamt + 425,99 DM abzüglich schematischer Versorgungs- ausgleich - 879,86 DM 4.445,44 DM.

Die Differenz der beiderseitigen Versorgungen wäre dann noch größer.

Da die Altersversorgung, die die Antragstellerin bei Fortführung ihres aktiven Dienstes - wie in der Berechnung ihrer ehezeitbezogenen beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften unterstellt - voraussichtlich erreichen wird, zusammen mit dem nach schematischem Vorgehen berechneten Ausgleichsbetrag die dem Antragsgegner voraussichtlich dann noch verbleibende Altersversorgung ganz erheblich und nicht gerechtfertigt erscheinend übersteigt, ist gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB eine Korrektur des nach den starren Regeln durchzuführenden Versorgungsausgleichs angebracht und geboten. Das untere Limit des in die Ausgleichsbilanz einzustellenden ausgleichspflichtigen Ruhegehalts des Antragsgegners ist der auf der Basis der Fiktivberechnung des Regierungspräsidenten vom 08.03.1999 errechnete Betrag (vgl. BGH NJW - RR 1999, 585, 586). Danach ergäbe sich ein Mindestausgleichsbetrag von 269,05 DM:

Antragsgegner: Versorgung 2.045,26 DM Rente 278,14 DM 2.323,40 DM

Antragstellerin: Versorgung - 1.785,31 DM 538,09 DM hiervon 1/2 = 269,05 DM.

Eine Kürzung auf diesen untersten Betrag erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, da zu bedenken ist, daß die Antragstellerin, um ihre eigene ungeschmälerte Altersversorgung zu erreichen, bis zur Altersgrenze ihren Dienst versehen muß, während dem Antragsgegner - gleichgültig wie er dies bewerten mag - keine Arbeitsleistung mehr abverlangt wird. Andererseits verkennt der Senat nicht, daß der Antragsgegner aufgrund einer im verhältnismäßig jungen Alter eingetretenen Dienstunfähigkeit seine beamtenrechtliche Versorgung nicht mehr verbessern kann.

Der Senat hält es nach Abwägung aller Umstände für angemessen, der sich bei Durchführung des ungeschmälerten Versorgungsausgleichs für den Antragsgegner ergebenden groben Unbilligkeit dadurch zu begegnen, daß der sich ohne Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB ergebenden Ausgleichsbetrag von 879,86 DM auf die Hälfte, also auf monatlich 439,93 DM gekürzt wird. Damit wird das erhebliche Ungleichgewicht der späteren Altersversorgungen deutlich abgemildert und es wird sogleich dem Umstand Rechnung getragen, daß die Antragstellerin ihrem Dienstherrn weiterhin ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat.

Bei der Kürzungsfrage spielt allerdings der Umstand, daß die Antragstellerin Eigentümerin einer Eigentumswohnung ist und noch erhebliches anderes Vermögen besitzt, keine Rolle. Denn bei der Würdigung, ob die beiderseitigen Vermögensverhältnisse die Inanspruchnahme des Antragsgegners auf den "vollen" Versorgungsausgleich als grob unbillig erscheinen lassen, reicht es für die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB nicht aus, daß ein erhebliches Ungleichgewicht der Vermögensverhältnisse der Ehegatten besteht. Hinzutreten muß, daß der Verpflichtete, hier also der Antragsgegner, auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist (BGH NJW - RR 1989, 134 = Fam RZ 1989, 491, 492). Das ist bei der aufgezeigten Versorgungslage des Antragsgegners nicht der Fall.

Die Anordnung der Umrechnung der zu begründenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte ist eine Folge von § 1587 b Abs. 6 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 a ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Anfechtung (879,86 DM - 269,05 DM =) 610,81 DM x 12 Monate = 7.329,72 DM. Seine Festsetzung richtet sich nach § 17 a GKG.

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