OLG Frankfurt vom 16.07.1999 (6 UF 177/99)

Stichworte: Elterliche Sorge, Ruhen, Vormundschaft, Ergänzungspflegschaft
Normenkette: BGB 1773, 1674 Abs. 1 HMSA Art. 1, 2, 8 oder 9 vom 05.10.1961
Orientierungssatz: Zu den Voraussetzunge der Einleitung einer Vormundschaft oder der Fetstellung des Ruhens der elterlichen Sorge (pakistanisches Kind)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend Schutzmaßnahmen für das minderjährige Kind

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Kindesverwandten Muzaffar Ahmad vom 11.06.1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß-Gerau vom 06.09.1999 am 16. Juli 1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Sache, soweit sie die Frage der Einleitung einer Ergänzungspflegschaft für den Minderjährigen betrifft, an das Amtsgericht zur Entscheidung hierüber zurückgegeben wird.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 13a Abs. 1 FGG). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 131 Abs. 3 KostO).

Beschwerdewert: 1.000,00 DM (§ 131 Abs. 2 i.V.m. § 30 KostO).

G r ü n d e

Die gemäß § 621e Abs. 1 und 3 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 57 Abs. 1 Nr. 1 FGG zulässige Beschwerde ist - soweit sie sich gegen die Ablehnung der Einleitung einer Vormundschaft für den Minderjährigen richtet, unbegründet.

Für die begehrten Schutzmaßnahmen für den Jugendlichen besteht deutsche Gerichtszuständigkeit. Auch ist materielles deutsches Recht anzuwenden. Dies folgt aus den Artikeln 1, 2, 8 oder 9 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 05.10.1961 (HMSA). Zu Recht hat das Familiengericht die Einleitung einer Vormundschaft abgelehnt. Weder ist erkennbar, daß der Minderjährige nicht unter elterlicher Sorge steht (§ 1773 Abs. 1 BGB), noch liegen die Voraussetzungen für die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 Abs. 1 BGB vor. Denn es läßt sich dem Verfahrensstand nicht entnehmen, daß die Mutter oder eine andere nach pakistanischem Recht mit der Fürsorge für den Minderjährigen betraute Person auf längere Zeit die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben kann. Schwierigkeiten bei der Übermittlung von Erklärungen von Pakistan nach Deutschland rechtfertigen allein noch nicht diese Annahme. Die verwitwete Mutter oder der sonstige Fürsorgebefugte haben sich noch nicht einmal zu der Frage, ob sie sich zur Sorgerechtsausübung in der Lage fühlen bzw. ob sie mit der Einleitung einer Vormundschaft für den Minderjährigen einverstanden sind geäußert.

Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Beschluß zur Frage der Einleitung einer Ergänzungspflegschaft, deren Anordnung hilfsweise beantragt war, nicht geäußert. Insoweit steht daher noch eine Entscheidung aus, die der Senat im Rahmen der Beschwerde ohne weitere Ermittlungen nicht treffen kann. Es ist nämlich wegen der spärlichen Angaben des Interessenvertreters des Minderjährigen nicht ersichtlich, wann und unter welchen Umständen der Jugendliche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und ob Schutzmaßnahmen nach Artikel 8 oder Artikel 9 HMSA für ihn angebracht sind. Das Amtsgericht wird daher noch prüfen müssen, ob eine Schutzmaßnahme für den Minderjährigen mit dem Inhalt der Einleitung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis seiner Vertretung in seinem asylrechtlichen Belangen erforderlich ist.

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