OLG Frankfurt vom 09.09.2014 (6 UF 160/14)

Stichworte: Anschlussbeschwerde; Versorgungsträger; Gegnerstellung; Verfahrensgegenstand; Wächteramt; Kontoführung;
Normenkette: FamFG 66; SGB VI 127 Abs. 2;
Orientierungssatz:
  • Der Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde steht nicht entgegen, dass sich das Begehren im Beschwerdeverfahren nicht auf das Anrecht bezieht, dessen Ausgleich von einem weiteren Beteiligten mit seiner Teilanfechtung beanstandet wird. Ein Versorgungsträger kann mit der Anschlussbeschwerde den Ausgleich eines Anrechts, das nicht Gegenstand der Beschwerde ist, zur Überprüfung stellen.
  • Wegen der grundsätzlich unbeschränkten Möglichkeit, Anschlussbeschwerde gem. § 66 FamFG im Rahmen des einheitlichen Verfahrensgegenstandes Versorgungsausgleich einzulegen, erwächst die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach Einlegung der Beschwerde auch nicht hinsichtlich einzelner Anrechte in Rechtskraft.
  • 4 F 666/12 S
    AG Lampertheim

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der B-AG vom 23.05.2014 und die Anschlussbeschwerde der Deutschen Rentenversicherung ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lampertheim vom 05.05.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb, die Richterin am Oberlandesgericht Gottschalk und den Richter am Amtsgericht Herrmann

    am 9. September 2014 beschlossen:

    I. Der angefochtene Beschluss wird unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung in seinem Ausspruch über den Versorgungsausgleich hinsichtlich der Ziffer 2. h) aufgehoben und hinsichtlich der Ziffern 2. a) und f) wie folgt neu gefasst:

    2. a) Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 8,5567 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen, bezogen auf den 31.12.2012, übertragen.

    f) Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 0,0071 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.12.2012, übertragen.

    II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

    III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

    IV. Die Rechtsbeschwerde wird bezüglich der Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde zugelassen.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht hat die Ehegatten mit Beschluss vom 05.05.2014 geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Unter den Ziffern 2. a) und f) des Tenors hat das Amtsgericht die Anwartschaften der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung intern geteilt, wobei zum Zeitpunkt der Entscheidung beide Versicherungskonten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund geführt wurden. Der Beschluss ist der Deutschen Rentenversicherung Bund zugestellt worden am 19.05.2014. Unter Ziffer 2. h) des Tenors hat das Amtsgericht ein Anrecht des Antragsgegners bei der B-AG durch Begründung eines Anrechts in Höhe von 731,40 EUR für die Antragstellerin bei der Versorgungsausgleichskasse extern geteilt.

    Ausschließlich gegen die Entscheidung unter Ziffer 2. h) des Tenors richtet sich die Beschwerde der B-AG mit der Begründung, für den Antragsgegner bestehe kein auszugleichendes Anrecht aus der Pensionszusage durch Entgeltumwandlung ... Ein solches Anrecht bestehe nur für die Antragstellerin. Dieses sei vom Amtsgericht unter Ziffer 2. d) des Tenors auch behandelt worden.

    Die übrigen Beteiligten haben sich zur Beschwerde nicht geäußert.

    Die Deutsche Rentenversicherung Hessen hat unter dem 09.07.2014, eingegangen am 10.07.2014, Anschlussbeschwerde eingelegt mit der Begründung, sie sei seit dem 06.06.2013 durch Entscheidung gemäß § 127 Abs. 2 SGB VI für das Versicherungskonto des Antragsgegners dauerhaft kontoführend.

    II.

    Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 228 FamFG statthaft und auch im Übrigen gemäß §§ 59 ff. FamFG zulässig.

    Auch die Anschlussbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 7. ist zulässig.

    Dem steht nicht entgegen, dass sich das Begehren im Beschwerdeverfahren nicht auf das Anrecht bezieht, dessen Ausgleich von der weiteren Beteiligten zu 1. mit ihrer Teilanfechtung beanstandet wird. Ein Versorgungsträger kann mit der Anschlussbeschwerde den Ausgleich eines Anrechts, das nicht Gegenstand der Beschwerde ist, zur Überprüfung stellen (OLG Celle FamRZ 2011, 720; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7.12.2011 - 4 UF 203/11 - zitiert nach juris;).

    Zwar wird die Auffassung vertreten, dass sich ein Versorgungsträger der Beschwerde eines anderen Versorgungsträgers nur dann anschließen könne, wenn es bei Durchführung des Hauptrechtsmittels in der Sache zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung kommen könne, die ihn in einer eigenen konkreten Rechtsposition betreffe, nicht hingegen, um erstmals im Wege der Anschließung auch das bei ihm bestehende Anrecht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen (OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 1226; OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 496). Das OLG Zweibrücken argumentiert, aus der gesetzlich vorgegebenen Akzessorietät der Anschlussbeschwerde zum Hauptrechtsmittel und deren wesentlicher Bedeutung, das für den Hauptrechtsmittelführer grundsätzlich geltende Verbot der reformatio in peius zur Kompensation etwaiger Nachteile für den Rechtsmittelgegner aufzuheben, folge, dass jeder verfahrensbeteiligte Ehegatte - abgesehen von den sich aus § 145 FamFG bzw. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i. V. m. § 524 Abs. 2 ZPO ergebenden Fristen - inhaltlich unbeschränkt Anschlussbeschwerde bei einer Beschwerde des anderen Ehegatten einlegen könne, sonstige Verfahrensbeteiligte aber nur, wenn durch das Hauptrechtsmittel eine ihre Rechtsposition konkret betreffende ungünstigere Entscheidung erfolgen kann. Soweit in der Rechtsprechung zur alten Rechtslage wegen des Wächteramtes der öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger auf die ansonsten geforderte Gegnerstellung verzichtet und im Falle der Beschwerde eines Versorgungsträgers eine umfassende Überprüfung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich für möglich erachtet wurde, weil das Verbot der reformatio in peius bei einer Beschwerde eines (öffentlich-rechtlichen) Versorgungsträgers grundsätzlich nicht gilt, könne dies nach neuem Recht nicht mehr zu einer Überprüfung der bei anderen Versorgungsträgern bestehenden Anrechte führen. Dabei könne dahinstehen, ob infolge der Reform des Versorgungsausgleichsverfahrens zukünftig auf die Rechtsfigur des Wächteramtes zu verzichten ist, weil die früher erforderliche Saldierung der einzelnen Anwartschaften durch den Grundsatz der Einzelteilung der einzelnen Anrechte entfallen ist und eine an die Saldierung anknüpfende Gesamtschau nur noch in Einzelfällen zu erfolgen hat, z. B. bei der Bagatellprüfung nach § 18 VersAusglG. Von der Entscheidung über die Teilung eines bei einem Versorgungsträger bestehenden Anrechts sei ein anderer Versorgungsträger grundsätzlich nicht betroffen, weil es sich auch nach früherem Rechtsverständnis um einen klar abtrennbaren, eigenständig anfechtbaren Teil des Versorgungsausgleichs handelt, der auch nicht im Wege der Saldierung konkreten Einfluss auf die anderen Anrechte hat (OLG Zweibrücken aaO).

    Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

    Einen Grundsatz dahin, dass durch die Anschlussbeschwerde die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts nicht erweitert wird mit der Folge, dass ein nicht angefochtener Teil der Entscheidung mit der Beschwerde nicht angegriffen werden kann, gibt es nicht (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 10 UF 70/14 -, zitiert nach juris m.w.N.; a.A. Borth FamRZ 2013, 94, 95). Durch das Anschlussrechtsmittel wird der Rechtsmittelgegner in die Lage versetzt, die Grenzen des Rechtsmittelverfahrens mitzubestimmen und zu seinem Vorteil zu beeinflussen, so dass er auch selbständige Angriffe wie Antragserweiterung, Antragsänderung und Widerantrag führen kann (BGH NJW 2013, 1530 Rn. 19; NJW 1982, 1708, 1709). Wegen der grundsätzlich unbeschränkten Möglichkeit, Anschlussbeschwerde gem. § 66 FamFG im Rahmen des einheitlichen Verfahrensgegenstandes Versorgungsausgleich einzulegen, erwächst die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach Einlegung der Beschwerde auch nicht hinsichtlich einzelner Anrechte in Rechtskraft (Brandenburgisches Oberlandesgericht aaO; OLG Stuttgart FamRZ 2014, 1047; OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136; OLG Hamm FamRZ 2013, 1044; OLG Dresden FamRZ 2013, 1810; Borth FamRZ 2013, 94, 96; Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn. 620; a.A. OLG Schleswig FamRB 2012, 41; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 991). Soweit das OLG Zweibrücken ausführt, dass in dieser Konstellation dahinstehen könne, ob infolge der Reform des Versorgungsausgleichs auf die Rechtsfigur des Wächteramtes der Versorgungsträger zu verzichten ist, so kann dieser Einschätzung nicht gefolgt werden. Gerade wenn, wie hier, ein abtrennbarer Teil der Entscheidung auf Grund des Hauptrechtsmittels keiner Überprüfung mehr zugänglich ist, gewinnt die Anschlussbeschwerde eines Versorgungsträgers zwecks Ausübung des Wächteramtes im Sinne der Richtigkeit versorgungsausgleichsrechtlicher Entscheidungen besondere Bedeutung (vgl. OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2009, 25154); dies gilt umso mehr, als die spätere Abänderbarkeit auf die Versorgungen des § 32 VersAusglG beschränkt ist (Schwamb FamFR 2011, 128, Anmerkung zu OLG Zweibrücken aaO).

    Die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde sind auch begründet und führen im Hinblick auf die Anrechte der beteiligten Ehegatten bei den weiteren Beteiligten zu 1., 4. und 7. zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.

    Zutreffend weist die B-AG darauf hin, dass nicht für den Antragsgegner sondern für die Antragstellerin ein auszugleichendes Anrecht aus der Pensionszusage durch Entgeltumwandlung ... besteht. Dieses ist vom Amtsgericht unter Ziffer 2. d) des Tenors auch extern geteilt worden. Die weitere externe Teilung eines gleichlautenden Rechtes des Antragsgegners durch das Amtsgericht erfolgte wohl irrtümlich und ist daher aufzuheben.

    Soweit die Deutsche Rentenversicherung Hessen mit ihrer Anschlussbeschwerde vorbringt, nunmehr das Versicherungskonto des Antragsgegners zu führen, ist diese neue Tatsache im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen und der Tenor hinsichtlich der Ziffern 2. a) und f) entsprechend anzupassen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 150 FamFG, 20 FamGKG, die Wertfestsetzung auf §§ 40 Abs. 1, 50 Abs. 1 FamGKG. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zugelassen, allerdings nur bezüglich der Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1287), weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen diese im Verfahren über den Versorgungsausgleich zulässig ist, nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...

    Schwamb Gottschalk Herrmann