OLG Frankfurt vom 03.08.2009 (6 UF 155/08)

Stichworte: Vaterschaft, Behördenanfechtung, Fristwahrung; Fristwahrung, Vaterschaft, Behördenanfechtung;
Normenkette: BGB 1600b Abs. 1a; BGB 1600b Abs. 1a;
Orientierungssatz:
  • Die Fünf-Jahres-Frist des § 1600b Absatz 1 a BGB wird durch Erhebung der Anfechtungsklage gewahrt. Wann die gerichtliche Entscheidung über die Klage ergeht, ist unerheblich (aA VG Darmstadt, Urteil v. 24.04.2008 - 5 E 2248/06 (2))
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    U R T E I L

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Noll aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2009 für Recht erkannt:

    Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lampertheim vom 04. August 2008 wird zurückgewiesen.

    Der Berufungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

    Gründe:

    Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

    Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat der Beklagte zu 1) Berufung eingelegt.

    Er rügt die Verwertbarkeit des im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachtens und macht im Wesentlichen geltend, dass der Anfechtung entgegenstehe, dass nunmehr seit Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft mehr als 5 Jahre vergangen seien, so dass der Anfechtungsklage die Frist des § 1600 Abs. 1a S. 3 entgegenstehe.

    Der Berufungskläger beantragt sinngemäß die Klage abzuweisen.

    Die Berufungsbeklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.

    Der Senat hat die Sache dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

    Dieser hat ein neues DNA-Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Seifried vom 29.05.2009 eingeholt, gegen das die Parteien Einwendungen nicht erhoben haben.

    Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Anfechtungsklage des Landes gegen die Anerkennung der Vaterschaft ist begründet.

    Der Regierungspräsident Darmstadt hat als zuständige Behörde gemäß § 1 Nr. 1 der Verordnung des Landes Hessen zur Bestimmung der zuständigen Behörde im Vaterschaftsanfechtungsverfahren vom 26.05.2008 (Gesetz- und Verordnungsblatt 2008, S. 766) mit Recht die Vaterschaft des Beklagten zu 2) angefochten, da zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 1) keine sozial-familiäre Bindung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und seiner Mutter geschaffen worden sind (§ 1600 Abs. 3 BGB).

    Eine irgendwie geartete sozial-familiäre Bindung zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Beklagten zu 3) besteht nicht. Das wird vom Berufungskläger ausdrücklich eingeräumt.

    Durch die Anerkennung wurden rechtliche Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes geschaffen, da das Kind durch die Anerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erlangte. Ohne diese hatte es kein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Das gleiche gilt für die Mutter des Kindes, deren Aufenthalt aufgrund der Anerkennung der Vaterschaft durch Art. 6 Grundgesetz geschützt war. Demzufolge hatte sie aufgrund der Vaterschaftsanerkennung eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für das Kind erhalten. Insoweit wird auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 24. April 2008 verwiesen, welches die Aufenthaltserlaubnis des Ehemannes der Kindesmutter zum Gegenstand hat.

    Die Anfechtung ist auch in der Sache begründet, da der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist. Dies ergibt sich aus dem durch den Senat eingeholten Sachverständigengutachten, dem der Senat folgt.

    Schließlich ist die Anfechtung auch fristgemäß erfolgt. Die einjährige Frist gemäß § 1600b Abs. 1a S. 1 begann gemäß Art. 2 § 16 des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 nicht vor dem 01. Juni 2008. Die Anfechtung erfolgte durch die Anfechtungsklage des Klägers, welche dem Berufungskläger, der Kindesmutter und dem Jugendamt als Ergänzungspfleger für das Kind im Juli 2008 zugestellt wurde.

    Ebenso ist die fünfjährige Frist ab Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 1600b Abs. 1a S. 1 S. 3 BGB nicht verstrichen.

    Diese Frist wird ebenfalls durch Erhebung der Anfechtungsklage gewahrt. Da die Vaterschaft schon vor der Geburt des Kindes anerkannt war, begann der Lauf der fünfjährigen Frist mit der Geburt des Kindes mit der die Anerkennung Wirksamkeit erlangte (Staudinger/Rauscher, BGB 2004, § 1594 Rdnr. 50; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.11.2006 - Drucksache 16/3291, S. 13 rechte Spalte). Sie lief daher bis 16.08.2008. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts Darmstadt gemäß Urteil vom 24.04.2008 - 5 E 2248/06 (2), wonach innerhalb der Fünfjahresfrist eine Entscheidung des zuständigen Familiengerichts vorliegen müsse, vermag der Senat nicht beizutreten. Nach § 1600b Abs. 1a S. 3 ist die Anfechtung spätestens nach Ablauf von fünf Jahren ausgeschlossen. Die Anfechtung erfolgt nicht durch ein Urteil des Familiengerichts sondern durch Erhebung der Anfechtungsklage. Daher ist die Rechtshängigkeit der Anfechtungsklage maßgebend für die Wahrung der Anfechtungsfristen (BGH, FamRZ 2008, S. 1921, 1922 rechte Spalte). Die Berechnung erfolgt für sämtliche Fälle der Vaterschaftsanfechtung nach einheitlichen Gesichtspunkten (Palandt- Diederichsen, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1600b Rdnr. 5). Es besteht kein Anlass für eine Auslegung des Gesetzes, wonach für die Fünfjahresfrist des § 1600b Abs. 1a S. 3 BGB systemwidrig etwas anderes gelten sollte als für sämtliche anderen Vaterschaftsanfechtungsfristen. Der Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/3291 vom 08.11.2006) auf eine entsprechende Regelung in § 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.02.1955 besagt nichts anderes. Im Gleichklang zu dieser Vorschrift ist in § 1600b Abs. 1a S. 3 eine Höchstfrist von fünf Jahren festgeschrieben. Das besagt aber noch nicht, dass diese Frist nicht durch Erhebung der Anfechtungsklage, sondern erst durch familiengerichtliche Entscheidung zu wahren wäre. § 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit lässt die Entscheidung nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung zu. Gemeint ist damit die Entscheidung der Verwaltungsbehörde. Da § 1600b Abs. 1a S. 3 nach dem eindeutigen Wortlaut nicht auf die Entscheidung über die Anfechtungsklage, sondern auf die Anfechtung, also die Erhebung der Anfechtungsklage, abstellt, muss es dabei sein Bewenden haben. Beide Regelungen beruhen auf dem Vertrauensschutz in die einmal erworbene Staatsangehörigkeit, der nach Ablauf von fünf Jahren Vorrang haben soll. Ebenso wie dieser Vertrauensschutz in den Fällen des § 24 Abs. 2 des genannten Gesetzes aufgrund der - noch nicht rechtsbeständigen und noch gerichtlich nachprüfbaren - Entscheidung der Verwaltungsbehörde erschüttert ist, wird er im Fall des § 1600b Abs. 1a S. 3 durch die Erhebung der Anfechtungsklage durch die Verwaltungsbehörde erschüttert. Vor diesem Hintergrund besteht keine Möglichkeit § 1600b Abs. 1a S. 3 entgegen seinem eindeutigen Wortlaut auszulegen.

    Auch die vom Berufungskläger zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2008 - 5 C 4/07 (NVWZ 2008, S. 685) steht dieser Betrachtungsweise nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rücknahme einer Einbürgerung durch die Verwaltungsbehörde nach einem Zeitraum von 9 Jahren für unwirksam erklärt wegen des erheblichen Zeitablaufs. Es hat dabei nicht auf die rechtskräftige Entscheidung, die erst weitere knapp sechs Jahre später in der dritten Instanz erfolgt ist, abgestellt, sondern auf die noch nicht rechtsbeständige Entscheidung der Verwaltungsbehörde.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

    Zwar hat das Verwaltungsgericht Darmstadt in der erwähnten Entscheidung die Sache anders beurteilt. Eine vereinzelte Beurteilung einer zivilrechtlichen Vorfrage durch ein Gericht einer anderen Fachgerichtsbarkeit erfordert aber noch nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Auch die Fortbildung des Rechts macht eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich. Dies wäre der Fall, wenn das Gesetz Auslegungsschwierigkeiten bereiten würde und daher die Herbeiführung einer höchstrichterlichen Entscheidung angezeigt wäre. Solche Schwierigkeiten bestehen wie aufgezeigt hier nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass innerhalb der zuständigen Familiengerichtsbarkeit sich eine andere Auslegung durchsetzen könnte.

    Auch der den Antrag des Landkreises auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zurückweisende Beschluss des hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19.11.2008 - 9 A 1279/08 Z - rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidend darauf abgestellt, das über die Anfechtungsklage noch nicht rechtskräftig entschieden war und daher der mit der erfolgreichen Anfechtung verbundene Verlust zu der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes der Ehefrau des dortigen Klägers noch nicht feststand. Soweit der Verwaltungsgerichtshof weiter ausgeführt hat, dass einiges dafür spreche, dass die Möglichkeit einer erfolgreichen Anfechtung im Hinblick auf den Rechtscharakter der Frist nach § 1600b Abs. 1a S. 3 ausgeschlossen werden könne, handelt es sich um eine vorläufige Einschätzung, aber noch nicht um die Bildung einer festen Rechtsauffassung seitens des VGH. Eine derartige vorläufige Einschätzung kann angesichts des entgegenstehenden Wortlauts der zivilrechtlichen gesetzlichen Regelung nicht zu der Annahme führen, dass ein Revisionsverfahren zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung geboten wäre.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

    Die Wertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 3 S. 3 GKG.

    Noll