OLG Frankfurt vom 25.11.2013 (6 UF 154/12)

Stichworte: Kostenentscheidung; verlängerter schuldrechtlicher Versorgungsausgleich; Hinterbliebenenversorgung; Verfahrenswert;
Normenkette: VersAusglG 25, 30; FamFG 81; FamGKG 50;
Orientierungssatz:
  • Grundsätzlich bedarf es bei der Regelung von Ansprüchen gem. § 25 VersAusglG keiner gerichtlichen Entscheidung; der Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung kann von sämtlichen Beteiligten (Versorgungsträger, Witwe/r, geschiedene "Witwe/r") auch einvernehmlich festgelegt werden.
  • Den Versorgungsträger trifft aber keine Verpflichtung zu einer außergerichtlichen Vereinbarung, mit der er sich des Schutzes des § 30 VersAusglG begäbe, der dem Versorgungsträger die Zeit zur Umstellung der Zahlungen verschafft.
  • Möchte der Versorgungsträger aus Gründen der Rechtssicherheit eine rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts kann ihm dies kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen.
  • 6 UF 154/12
    55 F 1578/10 VA
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18.06. 2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Darmstadt vom 11. 05. 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Schuschke und Knauth am 28. November 2013 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:

    Die Gerichtskosten haben die Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen; seine außergerichtlichen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.

    Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

    Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 1.000,- EUR festgesetzt, der Wert für das Beschwerdeverfahren auf bis 900,- EUR.

    Gründe:

    Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des am 27. 12. 2008 im Alter von 72 Jahren verstorbenen W, der nach der Scheidung die Beteiligte zu 3 geheiratet hatte. Der bei der Scheidung abgetrennte Versorgungsausgleich wurde durch Beschluss vom 03. 03. 1999 geregelt. Hierbei wurden die Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des Splittings ausgeglichen sowie die W zustehende Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei der Beteiligten zu 1 (Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin) teilweise (in Höhe von 84,50 DM) ausgeglichen. Seit dem 01. 05. 2010 bezieht die Antragstellerin ebenfalls Altersrente. Sie forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 11. 05. 2010 auf, die Höhe der ihr zustehenden Ausgleichsrente zu bestimmen und diese ab 01. 05. 2010 an sie zu zahlen. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, dass sie diese Berechnung vornehmen könne, aber ein Beschluss des Familiengerichts notwendig sei. Eine Bereitschaft, die hierbei entstehenden Kosten zu übernehmen, erklärte sie nach entsprechender Aufforderung durch die Antragstellerin nicht. Die Antragstellerin beantragte daraufhin beim Amtsgericht, der Antragsgegnerin die Zahlung einer monatlichen Ausgleichsrente ab Mai 2010 aufzugeben. Das Amtsgericht holte zur Frage der Höhe des Anspruchs der Antragstellerin ein Sachverständigengutachten ein und regelte mit dem - insoweit nicht angefochtenen Beschluss - die Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin. Außerdem wurden die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt, da der Anspruch nach § 25 VersAusglG von sämtlichen Beteiligten auch ohne gerichtliches Verfahren festgestellt werden könne und die Antragsgegnerin in der Lage gewesen wäre, den Anspruch der Antragstellerin zu berechnen, es aber nicht getan habe.

    Gegen die Kostenentscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie erreichen möchte, dass die Gerichtskosten von den Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen sind und die außergerichtliche Kosten jeder Beteiligte selbst trägt. Nur die gerichtliche Entscheidung gäbe dem Versorgungsträger die rechtliche Grundlage, der Witwe die Hinterbliebenenversorgung zu kürzen. Auch der Schutz des Versorgungsträgers vor Dolzahlungen, der in § 30 VersAusglG geregelt sei, knüpfe an die Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts an. Es wäre Aufgabe der Antragstellerin gewesen, sich mit der Beteiligten zu 3 in Verbindung zu setzen, um gegebenenfalls eine einvernehmliche Regelung mit ihr zu treffen.

    Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung. Adressat des Anspruchs auf Teilhabe an der Hinterbliebenenrente sei die Antragsgegnerin, nicht die Beteiligte zu 3. Die Antragsgegnerin sei ihren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten weder vor noch während des gerichtlichen Verfahrens ausreichend nachgekommen; deshalb entspreche es der Billigkeit, ihr die Kosten aufzuerlegen.

    Die Beteiligte zu 3 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

    Die zulässige (§§ 61 Abs. 1, 228 FamFG) Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

    Es entspricht nicht billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 81 FamFG). Der Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung richtet sich - da ein Ausnahmefall des § 26 VersAusglG nicht vorliegt - gegen den Versorgungsträger (Kemper, Versorgungsausgleich in der Praxis, Kap. IX Rn. 179). Es bestand daher entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keine Verpflichtung der Antragstellerin, sich vorab mit der Beteiligten zu 3 in Verbindung zu setzen.

    Grundsätzlich bedarf es bei der Regelung von Ansprüchen gem. § 25 VersAusglG keiner gerichtlichen Entscheidung; der Anspruch kann von sämtlichen Beteiligten (Versorgungsträger, Witwe/r, geschiedene "Witwe/r") auch einvernehmlich festgelegt werden (Borth, Versorgungsausgleich, 6. Auflage, Kap. 5 Rn. 832; Kemper, a.a.O., Rn. 217). Dies erfordert aber ein Zusammenwirken aller Beteiligten, wobei offen ist, von wem die Witwe einzubeziehen wäre und ob auch von deren Seite eine außergerichtliche Festlegung akzeptiert würde. Durch eine außergerichtliche Vereinbarung begäbe sich der Versorgungsträger allerdings des Schutzes des § 30 VersAusglG, der auch ermöglichen soll, dass der Versorgungsträger Zeit zur Umstellung der Zahlungen erhält (Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Auflage, Rn. 3 zu § 30 VersAusglG; Glockner/Hoenes/Weil, Der Versorgungsausgleich, 2. Auflage, Kap. 12 Rn. 15). Die gesetzliche Regelung des § 30 VersAusglG mit der Anknüpfung an die rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts zeigt auch, dass eine außergerichtliche Regelung der Ansprüche auf (Teilhabe an der) Hinterbliebenenversorgung zwar möglich ist, hierzu jedoch keine Verpflichtung besteht. Möchte der Versorgungsträger aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit eine rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts, in der auch die Anrechnung des erfolgten Teilausgleichs gem. § 53 VersAusglG erfolgt, kann ihm dies kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen, da eine solche Entscheidung der verbindlichen Klärung der allseitigen Ansprüche dient.

    Es entspricht daher billigem Ermessen, dass die Beteiligten die Gerichtskosten zu gleichen Teilen tragen und jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 81 FamFG). Die angefochtene Kostenentscheidung war entsprechend abzuändern.

    Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren war abzuändern (§ 55 Abs. 3 FamGKG), da sich der Verfahrenswert nicht nach der Höhe der monatlichen Rente richtet (s. OLG Frankfurt, 3 UF 24/11, zitiert nach juris), sondern gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 FamGKG (Breuers, jurisPK-BGB, Band 4, 6. Auflage, Rn. 41 zu § 25 VersAusglG). Da wegen des Todes des früheren Ehemannes der Antragstellerin nur noch ihr Einkommen maßgeblich ist, ergeben 20% eines aufgrund der Renteneinkünfte geschätzten Einkommens der Antragstellerin in Höhe von rd. 1.100,- EUR x 3 einen Betrag von 660,- EUR, sodass der Regelwert festzusetzen ist (§ 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Dies entspricht im Übrigen auch der Angabe der Antragstellerin in der Antragschrift. Der Wert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Kosteninteresse der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des herabgesetzten Verfahrenswerts.

    Schwamb Schuschke Knauth