OLG Frankfurt vom 16.09.2003 (6 UF 150/03)

Stichworte: Steuerberater, Versorgungswerk, Dynamik Zurückverweisung, FGG-Folgesachen
Normenkette: ZPO 621e, 538 BGB 1587a Abs. 3
Orientierungssatz: 1) Die Anwartschaften beim Versorgungswerk der Steuerberater in Hessen sind volldynamisch. 2) Im Beschwerdeverfahren nach § 621e ZPO gilt die abschließende Regelung der Zurückverweisungsgründe nicht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Michelstadt vom 03. Juli 2003 am 16. September 2003 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Versorgungsausgleichsverfahren wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Michelstadt zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 500,00 EUR.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss, nachdem es die Ehe der Parteien vorab geschieden hatte, den Versorgungsausgleich durch Begründung von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten der Antragstellerin und zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners auf Beamtenversorgung in Höhe von monatlich 458,67 EUR begründet. Dabei hat es den insgesamt werthöheren Anwartschaften des Antragsgegners die Anwartschaften der Antragstellerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Anwartschaften bei der Beschwerdeführerin gegenüber gestellt. Letztere, die die Beschwerdeführerin mit einem Nominalbetrag von 20,61 EUR mitgeteilt hatte, hat es nach der Barwertverordnung in eine entsprechende dynamische Anwartschaft von 3,52 EUR umgerechnet.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Beschwerdeführerin eine Bewertung dieser Anrechte als volldynamisch.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die Bewertung der Anwartschaften bei der Beschwerdeführerin als nicht dynamisch.

Es war angezeigt, die Sache wegen unzureichender Sachaufklärung (§ 12 FGG) an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende Beschwerde ist begründet. Der nicht näher begründenden Auffassung des Amtsgerichts, dass die Anwartschaften der Antragsgegnerin nicht dynamisch seien, kann nicht beigetreten werden. Vielmehr sind diese Anwartschaften sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als volldynamisch anzusehen. Die Höhe der Altersrente bestimmt sich nach § 14 der Satzung nach dem Produkt aus einem Rentensteigerungsbetrag, der Anzahl der anzurechnenden Versicherungsjahre und dem persönlichen durchschnittlichen Beitragsquotienten. Dies entspricht der Regelung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen, welche als volldynamisch anzusehen sind (BGH FamRZ 1991, S. 1420). Durch die Einbeziehung des Rentensteigerungsbetrages in die Rentenformel gewinnen auch die in den zurückliegenden Jahren geleisteten Beiträge entsprechend an Wert (BGH a.a.O.). Die Steigerungen beschränken sich daher nicht auf das Leistungsstadium, sondern betreffen in gleicher Weise das Anwartschaftsstadium. Anders als beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen liegen für die Beschwerdeführerin noch keine Erfahrungen mit vergangenen Rentensteigerungen vor, da das Versorgungswerk erst im Dezember 2001 gegründet wurde und die Beitragspflicht erst ab 01.03.2002 besteht. Bisher wurde nur ein erster Rentensteigerungsbetrag für die Jahre 2002 und 2003 mit 61,87 EUR festgesetzt. In dieser Situation muss sich die Bewertung der Dynamik allein an einer Zukunftsprognose ausrichten. Diese kann nicht anders ausfallen als bei der Bewertung der Anrechte im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen durch den Bundesgerichts hof. Insbesondere spricht die Tatsache, dass sich das Versorgungswerk im sogenannten "offenen Deckungsplanverfahren" finanziert für die Annahme einer Volldynamik (BGH a.a.O.; Glockner in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1587a Rdnr. 410).

Die angefochtene Entscheidung erweist sich noch aus einem anderen Grund als unrichtig.

Das Amtsgericht hat es unterlassen, eine Auskunft der BfA über die vom Antragsgegner eingeholten Anwartschaften einzuholen. Dieser ist erst seit 01.08.1986 Beamter und war in der Ehezeit vom 01.07.1984 bis 31.07.1986 Angestellter, wie sich aus der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit in der Auskunft des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 17.04.2003 ergibt. Der Antragsgegner hat auch selbst dargetan, dass er Anwartschaften bei der BfA erworben hat. Nach Eingang der Auskunft der BfA wird eine neue Berechnung des Regierungspräsidenten im Hinblick auf die Anrechnungsvorschrift des § 55 BeamtVG einzuholen sein.

Einen Antrag eines Beteiligten auf Zurückverweisung bedurfte es nicht. § 538 ZPO ist auf Beschwerde nach § 621e ZPO nicht anwendbar (Musielak-Borth, ZPO, 3. Aufl., § 621e, Rdnr. 26).

Die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung folgen aus §§ 93a ZPO; 8, 17 GKG).

Noll Kleinle Dr. Bauermann