OLG Frankfurt vom 12.08.2016 (6 UF 143/16)

Stichworte: Abstammung; biologische Vaterschaft; rechtliche Vaterschaft; Feststellung
Normenkette: BGB 1598a; BGB 1600b; BGB 1600d
Orientierungssatz:
  • § 1598a BGB eröffnet innerhalb der rechtlichen Familie die Klärung der genetischen Abstammung; er gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine förmliche, rechtsfolgenlose Feststellung der biologischen Vaterschaft.
  • § 1598a BGB kann nicht verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass er einen Anspruch auf Klärung der genetischen Abstammung außerhalb der rechtlichen Familie eröffnet (BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13, FamRZ 2016, 877).
  • Ebenso wenig kann er dahin ausgelegt werden dass er einen Anspruch auf förmliche, rechtsfolgenlose Feststellung der biologischen Vaterschaft gewährt. Dies verbieten bereits die rechtlichen Voraussetzungen eines Feststellungsantrags. Zudem besteht ausweislich der aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtlichen legislativen Erwägungen insoweit ausdrücklich keine planwidrige Regelungslücke.
  • 53 F 171/15 AB
    AG Darmstadt

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    pp.

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Darmstadt vom 07.04.2016 durch die Richterin am Oberlandesgericht Schuschke als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Ostermann sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dr. von Pückler am 12.08.2016 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Der Beschwerdewert wird auf 2.000 € festgesetzt

    Gründe:

    I.

    Der Antragsteller begehrt (noch) die förmliche Feststellung der biologischen Vaterschaft des verstorbenen P.

    Der 1961 geborene Antragsteller ging aus der Ehe der Beteiligten zu 3) mit dem verstorbenen L hervor. Seine Geschwister sind die Beteiligten zu 4) und zu 5). Die Schwester von L war mit P verheiratet. Aus dieser Ehe ist ein Sohn hervorgegangen, der Antragsgegner.

    Nach dem Tod von L im Jahre 1978 informierten die Beteiligte zu 3) und der verstorbene P den Antragsteller darüber, dass letzterer sein leiblicher Vater sei. Darauf zog der Antragsteller zu seinem leiblichen Vater, bei dem er bis 1983 lebte. Nach dem Tod von dessen Ehefrau im Jahre 2005 lebte die Mutter des Antragstellers (Beteiligte zu 3) bis 2013 mit Herrn P zusammen. Dieser verstarb am 22.01.2015.

    Im Verfahren 53 F 170/15 … ordnete das Amtsgericht – Familiengericht – Darmstadt mit Beschluss vom 26.01.2015 im Wege der einstweiligen Anordnung an, dass der Antragsgegner die Entnahme einer Gewebeprobe seines verstorbenen Vaters zum Zwecke einer DNA-Extrahierung zu dulden habe. Das anhand der Gewebeprobe vom Antragsteller privat bei Professor X in Auftrag gegebene Abstammungsgutachten vom 06.02.2015 … ergab eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von > 99,9999 %.

    Im Ausgangsverfahren hat der Antragsteller zuletzt einerseits die Feststellung begehrt, dass L nicht sein Vater sei, andererseits die Feststellung, dass P sein Vater sei.

    Das Amtsgericht hat den auf Anfechtung der Vaterschaft des Herrn L gerichteten Antrag mit Teilbeschluss vom 16.07.2015 zurückgewiesen. ... Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 20.10.2015 … zurückgewiesen. Zur Begründung haben Amtsgericht und Oberlandesgericht darauf verwiesen, dass die gesetzliche Anfechtungsfrist infolge der seit 1978 bestehenden Kenntnis der für eine Vaterschaft des Herrn P sprechenden Umstände gemäß § 1600b Abs. 1 und Abs. 3 BGB abgelaufen sei, nämlich nach Ablauf von 2 Jahren nach Volljährigkeit des 1961 geborenen Antragstellers.

    Mit dem nunmehr angefochtenen Endbeschluss vom 07.04.2016 hat das Amtsgericht den weiteren Antrag des Antragstellers auf Feststellung der biologischen Vaterschaft des P zurückgewiesen, da das deutsche Recht für ein derartiges Begehren keine Anspruchsgrundlage biete. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

    Gegen den seiner Bevollmächtigten am 15.04.2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 17.05.2016 (Dienstag nach Pfingsten) beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage Beschwerde erhoben. Er erstrebt weiter die förmliche Feststellung, dass er der biologische Sohn des verstorbenen P sei. Seiner Auffassung nach beinhaltet sein allgemeines Persönlichkeitsrecht neben dem Anspruch auf Kenntnis der Abstammung auch das Recht auf deren förmliche Feststellung. Der Antragsgegner ist seinem Begehr entgegengetreten. Seiner Ansicht nach sind die Rechte und Interessen des Antragstellers durch die sichere Kenntnis seiner Abstammung gewahrt. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird der Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13.06.2016 in Bezug genommen. Die weiteren Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

    II.

    Die gemäß § 111 Nr. 3, § 169, §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

    § 1598a BGB bietet keine Grundlage für das Ansinnen des Antragstellers. Seine Anwendung setzt einerseits voraus, dass sich das Begehr gegen den rechtlichen Vater richtet (BT-Drucks. 16/6561, S. 12; BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13, Rn. 28 = FamRZ 2016, 877). Dies ist vorliegend nicht der verstorbene P, sondern der ebenfalls verstorbene Ehemann der Mutter des Antragstellers. Andererseits gewährt § 1598a BGB lediglich einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Duldung der Entnahme einer für diese Untersuchung geeigneten genetischen Probe (BT-Drucks. 16/6561, S. 12). Eben dieses Ziel erstrebt der Antragsteller nicht (mehr), nachdem er auf der Grundlage der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts vom 26.01.2015 nicht nur eine Gewebeprobe seines verstorbenen Putativvaters, sondern infolge deren Begutachtung auch eine wissenschaftlich abgesicherte Kenntnis über seine biologische Herkunft erhalten hat.

    § 1598a BGB gewährt dagegen keinen Anspruch auf förmliche Feststellung einer biologischen Vaterschaft. Ein derartiger Feststellungsanspruch ist gesetzlich gegenwärtig vielmehr nicht vorgesehen. Wünscht ein Antragsteller die Kenntnis und Feststellung der Vaterschaft eines bestimmten Mannes, so ist ihm gegenwärtig nur der Weg des § 1600d BGB eröffnet. Soweit eine rechtliche Vaterschaft zu einem anderen Mann als dem potentiellen Erzeuger besteht, kann er diese anfechten und sodann den Putativvater auf Feststellung seiner rechtlichen Vaterschaft in Anspruch nehmen oder diesen aber, falls keine rechtliche Vaterschaft eines anderen besteht, direkt auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch nehmen. Im Rahmen dieses Verfahrens erfolgt inzident die Klärung der biologischen Vaterschaft. Soweit der Antragsteller diesen Weg nach Erreichen der Volljährigkeit im Jahre 1979 innerhalb der Fristen des § 1600b BGB nicht eingeschlagen hat und die Vaterschaft des Herrn P nicht hat inzident klären lassen, ist er an dieser Entscheidung festzuhalten.

    § 1598a BGB kann nicht verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass neben dem Auskunftsanspruch auch ein Anspruch auf Feststellung einer biologischen Vaterschaft besteht.

    Einer derartigen Auslegung stehen bereits die rechtlichen Voraussetzungen einer Feststellungsklage entgegen. Mit dieser kann lediglich die Feststellung eines sachlichrechtlichen oder prozessualen Rechtsverhältnisses begehrt werden. Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses setzt also ein rechtliches Interesse des Antragstellers daran voraus, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung festgestellt wird (BGH, Urteil vom 19.11.2014 – VIII ZR 79/14, Rn. 22 = NJW 2015, 873). An eben diesem Rechtsverhältnis fehlt es bei der vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht mit Rechtsfolgen versehenen Klärung der biologischen Vaterschaft gemäß § 1598a BGB.

    Es kann zudem nicht von einer unbeabsichtigten Regelungslücke ausgegangen werden. Auskunftsansprüche nach § 1598a BGB sind ausdrücklich ausschließlich Personen eröffnet, zwischen denen ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis besteht (BT-Drucks. 16/6561, S. 12). Insoweit hat der Gesetzgeber anlässlich der Normierung des § 1598a BGB bewusst an seiner bis dahin verfolgten Linie festgehalten, die Abstammungsklärung im Verhältnis zu einer rechtlich bislang nicht familiär verbundenen Person nur zu ermöglichen, wenn die Klärung auf die Begründung rechtlicher Eltern-Kind-Verantwortung zielt, § 1600d BGB (BT-Drucks. 16/6561, S. 12; BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13, Rn. 67 = FamRZ 2016, 877). Diese dem Rechtsfrieden innerhalb der rechtlichen Familie dienende Beschränkung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt (BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13, Rn. 28 und Rn. 46 = FamRZ 2016, 877). Von einer planwidrigen Regelungslücke kann danach nicht ausgegangen werden.

    § 1598a BGB eröffnet zudem aus Gründe:n der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Identitätsfindung der Beteiligten ausdrücklich nur einen Anspruch auf Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung (BT-Drucks. 16/6561, S. 12; BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13, Rn. 31 ff. = FamRZ 2016, 877). Er umfasst also lediglich die rechtsfolgenlose Kenntniserlangung der eigenen Abstammung, nicht aber eine auf einer bereits bestehenden wissenschaftlich gesicherten Kenntnis der eigenen Abstammung aufbauende – ihrerseits rechtsfolgenlose – förmliche Feststellung eben dieser biologischen Vaterschaft. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Anspruch nach § 1598a BGB auf die bloße Kenntniserlangung beschränkt sein soll (BT-Drucks. 16/6561, S. 12; BT-Drucks. 16/8219, S. 6 f.; BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – 1 BvR 3309/13, Rn. 67 = FamRZ 2016, 877). Seine legislativen Erwägungen stehen daher der – eine Auslegung der Norm gegebenenfalls eröffnenden – Annahme entgegen, dass er versehentlich unterlassen hat, die förmliche Feststellung einer (rechtsfolgenlosen) biologischen Vaterschaft legislativ festzuschreiben.

    Auch Sinn und Zweck der Vorschrift fordern keine förmliche Feststellung einer biologischen Vaterschaft. Eine derartige Feststellung wäre nicht geeignet, zu der vom Schutzzweck des § 1598a BGB umfassten Identitätsfindung beizutragen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Es ist kein Grund ersichtlich, den Antragsteller von den ihm regelmäßig aufzuerlegenden Kosten seines er-folglosen Rechtsmittels zu entlasten. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 40, § 47 FamGKG. Anhaltspunkte, die diese Wertfestsetzung im Beschwer-deverfahren im Einzelfall als unbillig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

    Schuschke Dr. Ostermann Dr. von Pückler