OLG Frankfurt vom 07.08.2014 (6 UF 109/14)

Stichworte: Deckungskapital; Kapitalwert; Ehezeitanteil; interne Teilung; Werteverzehr; Änderung nach Ehezeitende; Ende der Ehezeit;
Normenkette: VersAusglG 5 Abs. 2 S. 2; VersAusglG 10;
Orientierungssatz:
  • Der Rentenbezug eines Ausgleichspflichtigen aus einem kapitalgedeckten betrieblichen Anrecht nach Ende der Ehezeit stellt regelmäßig keine Veränderung im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG dar, da es an einer auf den Ehezeitanteil zurückwirkenden Veränderung jedenfalls dann fehlt, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte nicht zum Unterhalt verpflichtet ist und der etwaigen Schmälerung des Anrechts durch Rentenbezug positive Einkünfte bei ihm gegenüberstehen.
  • Ein etwaiger "Werteverzehr" bis zur Rechtskraft der Entscheidung ließe sich auch nicht zutreffend berücksichtigen, weil der Zeitpunkt nicht zuverlässig vorausgesehen werden kann.
  • Es bleibt offen, ob in Fällen des § 51 Abs. 3 VersAusglG für die Zeit des Rentenbezugs vom Ehezeitende bis zur Einleitung des Abänderungsverfahrens eine Korrektur des Ausgleichsbetrags über § 27 VersAusglG in Betracht kommt.
  • 4 F 395/12 S
    AG Lampertheim

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 5. gegen den Beschluss des Amtsgerichts ? Familiengericht ? Lampertheim vom 17.03.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schwamb, den Richter am Amtsgericht Herrmann und die Richterin am Oberlandesgericht Gottschalk am 07.08.2014 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der weiteren Beteiligten zu 5. auferlegt.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.350 EUR festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Die zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner am 18.11.1995 geschlossene Ehe wurde durch den angefochtenen Verbundbeschluss vom 17.03.2014 rechtskräftig geschieden. Während der Ehezeit vom 01.11.1995 bis zum 31.07.2012 erwarb die Antragstellerin Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, bei der VBL und bei der xxx. Der Antragsgegner erwarb während der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der betrieblichen Altersvorsorge seines Arbeitgebers, der Beteiligten zu 5. und Beschwerdeführerin. Zudem erwarb er ein Anrecht bei der y-Versicherung.

    Mit Auskunft vom 04.02.2013 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass der Antragsgegner ein Anrecht aus einer betrieblichen Altersvorsorge erworben habe und sich der berechnete Ehezeitanteil auf 741.641,96 € (Kapitalwert) belaufe. Als Vorschlag für den Ausgleichswert wurde ein Kapitalwert in Höhe von 370.070,98 € (nach Abzug der Teilungskosten) mitgeteilt. Auf die Auskunft der Beschwerdeführerin vom 04.02.2013 ... wird Bezug genommen. Mit Verbundbeschluss vom 17.03.2014 wurde die Ehe geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss vom 17.03.2014 ... Bezug genommen. Entsprechend der Auskunft vom 04.02.2013 hat das Amtsgericht unter Ziffer 2c) des Beschlusses im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 370.070,98 €, bezogen auf den 31.07.2012, übertragen.

    Hiergegen richtet sich die Beschwerde ... vom 08.04.2014, mit der mitgeteilt wurde, dass der Antragsgegner seit dem 01.11.2011 eine Altersrente aus der Versorgung bei der Beschwerdeführerin beziehe. Die bereits geleisteten Rentenzahlungen seit dem 31.07.2012 (Ende der Ehezeit) bis zum Zeitpunkt eines voraussichtlichen Eintritts der Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung führten zu einer Verminderung des ehezeitlichen Kapitalwertes. Der Vorschlag für den Ausgleichswert sei daher zu korrigieren. In Anlehnung an die Entscheidung des OLG Hamm vom 25.01.2013 (10 UF 278/11) sei der nach Abzug der geleisteten Rentenraten verbleibende ehezeitliche (Rest-) Kapitalwert unter Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes zu teilen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 08.04.2014 sowie auf den Schriftsatz vom 15.05.2014 ... Bezug genommen. Die Beschwerdeführerin erteilte am 15.05.2014 eine neue Auskunft und schlug nunmehr einen Ausgleichswert in Höhe von 327.572,46 € vor, nachdem sich ihrer Berechnung zufolge der ehezeitliche Kapitalwert nach dem Wertverzehr auf 656.644,92 € reduziert habe. Auf die Auskunft vom 15.05.2014 (Bl. 86 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

    Die weitere Beteiligte zu 5. beantragt,

    unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Wege der internen Teilung nach Maßgabe der Teilungsordnung zum Versorgungsausgleich für Gesamtversorgungssysteme vom 01.10.2009 zu Lasten des für den Antragsgegner bei ... bestehenden Anrechts auf betriebliche Altersversorgung aus der Ruhegeldrichtlinie vom ... in der jeweils geltenden Fassung zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswertes von 327.572,46 EUR zu begründen.

    Der Antragsgegner beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Die übrigen Beteiligten haben keine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren abgegeben.

    II.

    Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 5. ist gemäß den §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

    Bezieht der ausgleichspflichtige Ehegatte aus betrieblicher Altersvorsorge nach dem Ende der Ehezeit aber vor der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich Rentenleistungen, so wird hierdurch, folgt man versicherungsmathematischen Grundsätzen, der Kapitalwert der betrieblichen Altersvorsorge "aufgezehrt" (mit beachtlichen Gründen bereits daran zweifelnd OLG Köln FamRZ 2014, 668). Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieser angenommene Werteverzehr im Versorgungsausgleich hat: Nach einer Auffassung (OLG Schleswig, FamRZ 2013, 1578; OLG Hamm, FamRZ 2013, 1305; OLG Celle, FamRZ 2014, 665; Borth, FamRZ 2011, 1773, 1776; Gutdeutsch/Hoenes/Norpoth, FamRZ 2012, 73 ff.; Kemper, FamFR 2013, 51, 54) ist die zwischen dem Ehezeitende und dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetretene Verringerung des ehezeitlichen Kapitalwertes durch Anwendung des § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG dergestalt zu berücksichtigen, dass sich der Ausgleichswert entsprechend verringert. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nur derjenige Anteil der Versorgung geteilt werden könne, der zum Zeitpunkt der Entscheidung noch vorhanden sei (OLG Hamm, FamRZ 2013, 1305, Rn. 26 zitiert nach juris unter Berufung auf BGH, Beschluss vom 07.09.2011, XII ZB 546/10 = FamRZ 2011, 1785). Nach anderer Auffassung wirkt sich ein nach Ende der Ehezeit durch die planmäßig erfolgten, nicht dem § 29 VersAusglG unterfallenden, Rentenzahlungen eingetretener Werteverzehr jedenfalls nicht auf den Ausgleichswert aus (OLG Köln FamRZ 2014, 668; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.01.2012, 5 UF 90/00 bei juris Rn. 24 = FamRZ 2012, 1717 Ls. 1; Holzwarth, FamRZ 2013, 420; Heidrich, FPR 2013, 227; Hauß, FPR 2011, 26, 30; vgl. ferner zum vorzeitigen Rentenbezug des Pflichtigen nach Ehezeitende BGH FamRZ 2012, 851, Rn. 15, mit zust. Anm. Schwamb FamFR 2012, 230; ebenso noch zum alten Recht: BGH FamRZ 2011, 1214 mit zust. Anm. Schwamb FamFR 2011, 322).

    Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Danach stellt der Rentenbezug des Ausgleichspflichtigen nach Ende der Ehezeit keine Veränderung im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG dar, da es an einer auf den Ehezeitanteil zurückwirkenden Veränderung fehlt. § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG stellt eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip dar, die für jene Fälle gelten soll, in denen sich Änderungen zwischen Ehezeitende und rechtskräftiger Entscheidung über den Versorgungsausgleich ergeben. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte hier die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung von nachehezeitlichen Veränderungen bis zur letzten Tatsachenentscheidung (vgl. BGH FamRZ 1988, 1148) Berücksichtigung finden und so ein Verfahren nach dem früheren § 10a VAHRG vermieden werden (BT-Drucks.16/10144 S. 49; so auch OLG Frankfurt aaO). Soweit die Gegenauffassung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH (FamRZ 2012, 694) zu einem nachehezeitlichen Wertverlust einer fondsgebundenen privaten Altersvorsorgung als Argument anführt, dass zwischen den Ehegatten nur noch der vorhandene Teil eines Anrechts zwischen den Ehegatten ausgeglichen werden könne, so ist dem entgegen zu halten, dass in Fällen wie dem Vorliegenden kein Wertverlust (etwa durch Kursschwankungen) eingetreten ist, sondern vielmehr der ausgleichspflichtige Ehegatte durch den Rentenbezug das Anrecht geschmälert hat, dessen Reduzierung also positive Einkünfte bei ihm nach Ende der Ehezeit gegenüberstehen. Die Lösung der Gegenauffassung könnte deshalb dazu führen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte - jedenfalls dann, wenn er nicht zum Unterhalt verpflichtet ist - dazu animiert wird, das Verfahren über den Versorgungsausgleich möglichst lange herauszuschieben, um eine ungeschmälerte Versorgung zu erhalten (vgl. KG FamRZ 2013, 464, 529, das - allerdings widersprüchlich - zwar von einer Änderung der Verhältnisse iSd § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG ausgeht, die aber zulasten des Ausgleichspflichtigen gehen müsse; ferner Hauß, FPR 2011, 26, 29 f.). Im Extremfall könnte die Rentenzahlung bis zur Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich bei Anwendung des § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG dazu führen, dass das Kapital vollständig "aufgezehrt" und danach ein Versorgungsausgleich ausscheiden würde (OLG Köln FamRZ 2014, 668), obwohl die ausgleichsberechtigte Person darauf keinerlei Einfluss hat. Hinzu kommt, dass der Werteverzehr vom Gericht bei seiner Entscheidung auch nicht zutreffend berücksichtigt werden kann, weil der Zeitpunkt der Rechtskraft nicht zuverlässig vorausgesehen werden kann. Das zeigt die letzte Auskunft der Beschwerdeführerin, die auf eine "angenommene Rechtskraft am 31.08.2014" abstellt, wobei sich die Beschwerdeführerin "vorbehält, eine neue Auskunft zu erteilen", sofern noch ein längerer Zeitraum vergeht.

    Die hier vertretene Auffassung führt im Regelfall auch nicht zu einem unbilligen Ergebnis für den Ausgleichspflichtigen, der bei einem Rentenbezug nach Ehezeitende von der bevorstehenden Kürzung seines Anrechts weiß und sich während der erfolgten ungekürzten Rentenzahlung darauf einstellen kann. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob eine andere Bewertung der Rechtslage zu erfolgen hat, die zu einer Korrektur über § 27 VersAusglG führen könnte, sofern eine Abänderung über § 51 Abs. 3 VersAusglG erfolgt und der Ausgleichspflichtige jedenfalls bei einem zurückliegenden Ehezeitende und Rentenbezug bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Abänderungsverfahrens nicht mit einer solchen Konsequenz aus den Rentenzahlungen für den Kapitalwert rechnen musste.

    Hiernach war die auf die Berücksichtigung eines laufenden Werteverzehrs gerichtete Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass der ursprüngliche Ausgleichswert, gegen den ansonsten keine Bedenken bestehen, zum Ausgleich gebracht wird.

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 84 FamFG, 50 Abs. 1 FamGKG.

    Im Hinblick auf die ungeklärte Rechtsfrage zur Berücksichtigung eines Werteverzehrs beim Rentenbezug eines kapitalgedeckten Anrechts nach Ehezeitende war die Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen.

    Rechtsbehelfsbelehrung: ...

    [Anm.: Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist eingelegt worden und unter XII ZB 465/14 beim BGH anhängig.]

    Schwamb Herrmann Gottschalk