OLG Frankfurt vom 19.07.2000 (5 WF 95/00)

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Vermögensverwertung, Erfolgsaussicht, Prüfungsumfang
Normenkette: ZPO 114
Orientierungssatz: Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nämlich nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert wird und dieses damit an die Stelle des Hauptverfahrens tritt (BVerfG, Beschluss vom 2.2.1993, FamRZ 1993, 664)

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach/Main vom 12.4.2000 am 19.7.2000 beschlossen:

Der Beschluss wird abgeändert.

Der Beklagten wird Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwältin X. beigeordnet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beklagte und Beschwerdeführerin beantragt Prozess-kostenhilfe zur Verteidigung gegen die Abänderungsklage ihres früheren Ehemannes, der den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 5.2.1988 (1 UF 142/87) von monatlich 656,83 DM anstrebt.

Das Amtsgericht hat der Beklagten mit Beschluss vom 12.4.2000 die beantragte Prozesskostenhilfe versagt und der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 11.5.2000 nicht abgeholfen.

Das Amtsgericht stützt seine Entscheidung darauf, daß die Beklagte - anders als noch vor 12 Jahren - nunmehr auf den Einsatz ihres Vermögensstammes verwiesen werden könne, weil sie infolge fortgeschrittenen Lebensalters (von 60 Jahren) die ihr damals zugestandene Vermögensreserve nicht mehr benötige und bei Veräußerung des von ihr bewohnten Hauses jedenfalls einen Betrag erzielen könne, der ihren Bedarf voraussichtlich bis zum Lebensende decke.

Die Verteidigung der Beklagten gegen diese Klage ist jedoch nicht ohne jede Aussicht auf Erfolg. Ob der oben dargestellten Auffassung des Amtsgerichts zu folgen ist, kann bei einer wertenden Beurteilung oder Rechtsfrage nicht abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nämlich nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert wird und dieses damit an die Stelle des Hauptverfahrens tritt (BVerfG, Beschluss vom 2.2.1993, FamRZ 1993, 664). Gerade wenn es um die Rechtsverteidigung der mit einer Klage überzogenen Partei geht, ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht kein so strenger Maßstab anzulegen wie für die Klägerseite (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 12.01.89, 5 WF 317/88; OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 1458). Einer beklagten Partei ist - bei Vorliegen der finanziellen Voraussetzungen - Prozesskosten-hilfe zu bewilligen, wenn und soweit die Klage nicht ohne jeden vernünftigen Zweifel durchdringen muss, wobei wertende Beurteilungen grundsätzlich dem Hauptverfahren vorzubehalten sind (OLG Karlsruhe aaO). Hiernach ist der Beklagten vorliegend Prozesskostenhilfe zu gewähren, da es in der Hauptsache u.a. um wertende Beurteilungen über die Frage der Einsetzbarkeit des Vermögensstammes der Beklagten gehen wird. Nachdem inzwischen die Zwangsvollstreckung hinsichtlich ihres Unterhalts mit Wirkung von März 2000 an einstweilen eingestellt worden ist, hat die Beklagte nach ihren derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen zunächst keine Raten zu zahlen. Sie kann die Prozesskosten auch nicht durch die Aufnahme eines weiteren Darlehens nebst Belastung ihres Grundvermögens bestreiten, da sie bei den derzeitigen Einkommensverhältnissen keine zusätzlichen Zins- und Tilgungsleistungen aufbringen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 1 GKG, 127 Absatz 4 ZPO.

Meinecke Held Schwamb