OLG Frankfurt vom 19.07.2007 (5 WF 81/07)

Stichworte: Anfangsverdacht Rhesusfaktor
Normenkette: BGB 1600b Abs. 1 S. 2
Orientierungssatz:
  • Zur Vererbung von Blutmerkmalen
  • Die laienhaft falsche Bewertung von Umständen die objektiv (naturwissenschaftlich) nicht geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu begründen, setzen die Anfechtungsfrist nicht in Gang und machen die Klage nicht schlüssig. Nach der Formulierung des § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB ("in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen ") kann die Frist nur durch die Kenntnis von solchen Umständen in Gang gesetzt werden, die dazu objektiv geeignet sind.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Held als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts-Familiengericht-Büdingen vom 20.03.2007 (Nichtabhilfebeschluss vom 16.04.2007) am 19.07.2007 beschlossen:

    Die Beschwerde wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

    Gründe:

    Die am 29.05.1967 geborene Beklagte ist aus der Ehe des Klägers mit Frau X. hervorgegangen. Die Eheleute leben getrennt. Zwischen ihnen ist bei dem Familiengericht in Büdingen ein Scheidungsverfahren anhängig.

    Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte nicht seine leibliche Tochter sei und beantragt für die Klage Prozesskostenhilfe. Zur Begründung seiner Anfechtungsklage hat er vorgetragen, er habe Ende März 2005 ein Gespräch zwischen der Beklagten und deren Mutter mitgehört. Im Zusammenhang mit dem Thema Blutspenden habe die Beklagte erklärt, dass sie die Blutgruppe Null besitze und den Rhesusfaktor Negativ habe. Der Kläger, der gelernter Schlosser sei und über keine höhere Schulbildung verfügen, habe gewusst, dass er selbst die Blutgruppe Null habe und dominant rhesuspositiv sei. Ebenso habe er gewusst, dass seine Ehefrau die Blutgruppe A habe und ebenfalls dominant rhesuspositiv sei. Ende März/Anfang April 2005 habe er seinen Hausarzt aufgesucht und diesem die Frage gestellt, ob Eltern, die den dominanten Rhesusfaktor Positiv haben, einen Abkömmling mit negativem Rhesusfaktor haben könne. Dies habe der Hausarzt verneint. Diese Äußerung des Arztes habe bei ihm zu einer Kenntnis von Umständen geführt, die gegen seine Vaterschaft im Sinne des § 1600 b BGB sprächen. Seit dieser Äußerung des Arztes bestehe bei dem Kläger der objektive Verdacht, nicht der Vater der Beklagten zu sein; dies genüge für den Beginn der Anfechtungsfrist. Es sei für die Folgerung aus den Umständen auf die fehlende Abstammung auf einen objektiv durchschnittlich vernünftigen, naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Urteilenden abzustellen.

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt:

    "Ein Vaterschaftsanfechtungsklage bietet nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Anfechtungsberechtigte einen begründeten Anfangsverdacht vorträgt, d.h. bei einer nach § 1592 Ziffer 1 BGB (eheliche Vaterschaft) bestehenden Vaterschaft muss der rechtliche Vater Tatsachen vortragen, die bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Ehelichkeit des Kindes begründen können und die die Möglichkeit der Abstammung von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen lassen (vgl. Diederichsen in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 1599 BGB Rdnr. 5).

    Insoweit hat der Kläger lediglich vorgetragen, es sei unmöglich, dass der Rhesusfaktor NEGATIV vererbt werden könne, wenn beide Elternteile den Rhesusfaktor POSITIV haben. Da die Mutter der Beklagten, die vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau, als auch er Rhesusfaktor POSITV hätten und die Beklagte Rhesusfaktor NEGATIV habe, könne er also nicht der Vater der Beklagten sein.

    Diese Annahme des Klägers ist offensichtlich falsch. Auch Eltern, die beide den Rhesusfaktor POSITIV (Gen "D") haben, können den Rhesusfaktor NEGATIV (Gen "d") vererben. Nur umgekehrt ist dies nicht möglich (Eltern, die beide den Rhesusfaktor NEGATIV haben, können den dominanten Rhesusfaktor POSITIV nicht vererben). Die Blutgruppensysteme jedes Menschen setzen sich aus den von der Mutter und den vom Vater geerbten Genen zusammen. Jeder Mensch besitzt daher das Rhesus-Merkmal zweimal, wobei immer nur ein Merkmal vererbt wird. Wie auch beim ABO-Blutgruppensystem werden die beiden Gene "D" und "d" in bestimmter Erbfolge vererbt. Das D-Gen dominiert gegenüber dem d-Gen (rezessiv), wodurch es über den Rhesus-Typ des betreffenden Menschen entscheidet. Ein Rhesus-positiver Mensch kann demnach die Genkombination Dd (mischerbig) oder DD (reinerbig) besitzen, während ein Rhesus-negativer Mensch nur die reinerbige Genkombination dd besitzen kann.

    Nach den Mendelschen Vererbungsgesetzen haben Kinder von Eltern, die beide den Rhesusfaktor POSITIV haben, daher zu 75% den Rhesusfaktor POSITIV (25% mit dem Genotyp DD und 50% mit dem Genotyp Dd) und 25% den Rhesusfaktor NEGATIV (Genotyp dd). Während Eltern mit dem Rhesusfaktor NEGATIV, die nur den Genotyp dd besitzen, folglich auch nur Kinder mit dem Genotyp dd haben können. Auch die weiter vom Kläger vorgetragenen Blutgruppen der Parteien und der Mutter der Beklagten sprechen nicht gegen eine Vaterschaft. Im Rahmen des ABO-Blutgruppensystems ist die Blutgruppe 0 rezessiv, d.h. der Kläger, der die Blutgruppe 0 hat, muss den Genotyp 00 haben. Die Mutter der Beklagten hat die Blutgruppe A und hat daher entweder den Genotyp A0 oder AA. Nach den Mendelschen Vererbungsgesetzen haben Kinder des Klägers und der Mutter der Beklagten daher zu 50% den Genotyp A0 und zu 50% den Genotyp 00. Die Beklagte hat den Genotyp 00, da sie die Blutgruppe 0 hat".

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Zu ihrer Begründung trägt der Kläger vor, die amtsgerichtliche Entscheidung berücksichtige nicht, dass der Anfechtungsberechtigte nur sichere Kenntnisse von Tatsachen haben müsse, aus denen sich die nicht ganz fern liegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung ergebe. Dem Kläger seien ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft nach dem Gespräch mit dem von ihm beauftragten Arzt gekommen. Die Auskunft des Arztes sei von dem Kläger nicht infrage gestellt worden, da er über keine höhere Schulbildung verfüge und insbesondere keine medizinischnaturwissenschaftlichen Spezialkenntnisse besitze. Der Kläger habe einen Handwerksberuf erlernt und ausgeübt. Mit den schwierigen Fragen der Vererbungslehre habe er sich nicht befasst. Offensichtlich sei auch dem befragten Arzt der genaue Gang der Vererbung nicht geläufig, da er dem Kläger die vorgetragene Auskunft gegeben habe. Die Auskunft des Arztes habe ihm die Gewissheit vermittelt, dass er nicht der Vater der Beklagten sei. § 1600 b BGB verlangen nicht das sichere Wissen, dass man als Mann nicht der Erzeuger eines Kindes sein kann. Diese Gewissheit genüge, weil für die Folgerung aus den Umständen auf die fehlende Abstammung auf einen objektiv durchschnittlich vernünftigen und naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Urteilenden abzustellen sei.

    Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

    Die Schlussfolgerung des Klägers, gestützt noch durch die Auskunft seines Hausarztes, er könne aufgrund der Blutmerkmale der Mutter der Beklagten, der Beklagten und seiner Person nicht der Vater der Beklagten sein, ist objektiv falsch. Die von dem Amtsgericht dargestellte Vererbung von Blutgruppen und Blutmerkmalen ist zutreffend (vergleiche die Übersicht bei Wikipedia : http://de.wikipedia.org/wiki/Rhesusfaktor).

    Für die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage (Anfangsverdacht) und gleichlaufend damit für den Fristbeginn, verlangt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass der Anfechtungsberechtigte von Umständen erfahren muss, die unter Zugrundelegung der Würdigung durch einen verständigen Laien gegen eine Vaterschaft sprechen und im Hinblick auf die Vaterschaft auch objektiv erheblich sind (BGH FamRZ 2006 686, 687). Die Umstände, die der Kläger -noch aufgrund einer falschen ärztlichen Auskunft- laienhaft unzutreffend würdigte, sind aber für sich genommen objektiv ungeeignet, Zweifel an der Vaterschaft zu begründen (vergleiche zu der Unterscheidung der Frage, ob für den Fristbeginn die Wahrnehmung des Klägers oder die hypothetischen Wahrnehmung eines verständigen Laien maßgeblich ist und/oder eine unzutreffende Wahrnehmung solcher Umstände oder eine unzutreffende Wertung, die Entscheidungsbesprechung von Dr. Thomas Richter FamRZ 2006 1220). Die laienhaft falsche Bewertung von Umständen die objektiv (naturwissenschaftlich) nicht geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu begründen, setzen die Anfechtungsfrist nicht in Gang und machen die Klage nicht schlüssig. Nach der Formulierung des § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB ("in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen ") kann die Frist nur durch die Kenntnis von solchen Umständen in Gang gesetzt werden, die dazu objektiv geeignet sind. Die laienhafte Wertung, die der Bundesgerichtshof für ausreichend hält, bezieht sich auf die Wahrnehmung von solchen Umständen, auf deren Kenntniserlangung, nicht aber darauf, ob diese Umstände "gegen die Vaterschaft sprechen".

    Soweit der Kläger im Beschwerdeverfahren nunmehr noch vorträgt, der Kläger habe zwischenzeitlich im Verwandtenkreis erfahren, sein Schwager habe im Jahr 1966 eine offensichtlich innige Freundschaft mit der Mutter der Antragsgegnerin unterhalten zu einer Zeit, als der Kläger schon mit ihr verheiratet war, der Schwager habe die Mutter der Beklagten 1966 regelmäßig zweimal wöchentlich abgeholt und mit ihr die Freizeit verbracht, während der Kläger über die Woche auf auswärtiger Montage gewesen sei und nicht zuhause übernachtet hätte, begründet dies ebenfaJls keine Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft des Klägers sprechen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 127 Abs. 4 ZPO, 1812, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG..

    Held