OLG Frankfurt vom 01.09.1999 (5 WF 7/99)

Stichworte: Ausbildungsunterhalt Zweitausbildung
Normenkette: BGB 1610 Abs. 2
Orientierungssatz: Denn gem. § 1610 Abs. 2 BGB schulden die Eltern ihrem Kind zwar Unterhalt für eine angemesse Vorbildung zu einem Beruf, der der Begabung, den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und dem beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht, doch sind sie grundsätzlich nach Abschluß einer derartigen Ausbildung nicht verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung bzw. den Unterhalt während der Zeit einer weiteren Ausbildung zu tragen... Etwas anderes gilt nur, wenn der erlernte Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann oder wenn das Kind von den Eltern in einen seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt wurde oder die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung beruht (BGH FamRZ 1995, Seite 416, 417).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des 0berlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach vom 07.10.1998 - Nichtabhilfeentscheidung vom 06.01.1999 am 01.09.1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO; §§ 1, 11 GKG i. V. m. Nr. 1952 KV). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

G r ü n d e :

Der am 17.08.1974 geborene Antragsteller, der Sohn des Antragsgegners aus dessen 1984 geschiedener Ehe mit der Mutter des Antragstellers, hat Prozeßkostenhilfe beantragt für eine Unterhaltsklage, mit der er die Verurteilung des Antragsgegners zu monatlichen Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.100,00 DM, beginnend ab 01.08.1998, anstreben will. Der Antragsteller besucht zur Zeit, und zwar ab Beginn des Schuljahres 1998/1999, die M.-Schule in Darmstadt, ein berufliches Gymnasium, mit dem Ziel, nach 3 Jahren das Wirtschaftsabitur abzulegen und, wie er behauptet, aufbauend auf seiner Lehrausbildung das Fach Maschinenbau zu studieren. Zunächst hatte er die Hauptschule, in der er eine Klasse wiederholen mußte, abgeschlossen und dann eine Lehrausbildung zum Industriemechaniker mit gutem Abschluß absolviert. Bis in die Zeit der Lehre, d. h. bis November 1992, leistete der Antragsgegner Unterhalt und stellte diese Unterhaltszahlungen nach seinem Vortrag ein, nachdem die Ausbildungsvergütung den Bedarf des Antragstellers deckte. Nach dem sich anschließenden Zivildienst sei der Antragsteller, so sein Vortrag, "persönlich gereift" und habe bedauert, die Schule frühzeitig abgebrochen und "sich einer besseren Schulausbildung verweigert" zu haben. Aus diesem Grund habe er dann im September 1997 im Schuljahr 1997/1998 die B.-Schule in Darmstadt, eine Berufsaufbauschule, besucht und dort mit Ende des Schuljahres 1997/1998 die "Fachschulreife" erworben, die der Mittleren Reife entspricht.

Mit Beschluß vom 07.10.1998 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Offenbach dem Kläger die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe mit der Begründung versagt, der Antragsteller habe die Voraussetzungen, unter denen der Antragsgegner zur Finanzierung einer weiteren Ausbildung gemäß § 1610 Abs. 2 BGB herangezogen werden könnte, nämlich ein konkretes Berufsziel und die Fähigkeiten, dieses Ziel voraussichtlich zu erreichen, nicht dargetan. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht - Familiengericht - Offenbach durch Beschluß vom 06.01.1999 nicht abgeholfen hat.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da das Amtsgericht - Familiengericht - Offenbach im Ergebnis zu Recht dem Antragsteller die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) seiner Unterhaltsklage versagt hat.

Denn gem. § 1610 Abs. 2 BGB schulden die Eltern ihrem Kind zwar Unterhalt für eine angemesse Vorbildung zu einem Beruf, der der Begabung, den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und dem beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht, doch sind sie grundsätzlich nach Abschluß einer derartigen Ausbildung nicht verpflichtet, die Kosten einer weiteren Ausbildung bzw. den Unterhalt während der Zeit einer weiteren Ausbildung zu tragen. Vorliegend hat der Antragsteller eine Ausbildung zum Industriemechaniker mit gutem Abschluß absolviert, so daß grundsätzlich davon ausgegangen werden muß, daß für eine weitere Ausbildung eine Unterhaltspflicht des Antragsgegners nicht besteht, und zwar unabhängig davon, ob er während der Ausbildung durchgehend Unterhalt gezahlt oder seine Unterhaltsleistung, wie der Antragsgegner angibt, während der Lehrzeit des Antragstellers aufgrund dessen bedarfsdeckender Ausbildungsvergütung eingestellt hat (vgl. BGH FamRZ 1981, 437). Etwas anderes gilt nur, wenn der erlernte Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann oder wenn das Kind von den Eltern in einen seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt wurde oder die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung beruht (BGH FamRZ 1995, Seite 416, 417). Daß diese Ausnahmen im vorliegenden Fall gegeben sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Allenfalls käme eine weitergehende Unterhaltspflicht noch in Betracht, wenn die weitere Ausbildung des Antragstellers über den Besuch der Berufsaufbauschule mit Erlangung der Mittleren Reife und dem sich anschließenden Besuch des beruflichen Gymnasiums mit dem Ziel, das Wirtschaftsabitur abzulegen, um dann das Fach Maschinenbau zu studieren, als eine im engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen wäre, der mit der Berufsausbildung zum Industriemechaniker begonnen hätte, wobei auch noch Voraussetzung ist, daß die Weiterbildung von vornherein angestrebt war oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (BGH a. a. 0.).

Von entscheidender Bedeutung ist dabei, inwieweit die Eltern damit rechnen müssen, daß ihr Kind nach einem Schulabschluß und einer zu Ende geführten, in sich geschlossenen Berufsausbildung noch eine weitere Ausbildung über weitere Ausbildungsstufen hinweg anstreben wird. Dies gilt um so mehr, wenn das unterhaltbegehrende Kind bei Fortsetzung der Ausbildung ein Alter erreicht hat, in dem die Eltern nicht mehr damit rechnen müssen, daß noch eine weiterführende Schulausbildung aufgenommen wird (vgl. BGH a. a. 0.). Der Bundesgerichtshof (a. a. 0.; siehe auch NJW 1998, 1555) hat schon für die Ausbildungsvariante mittlere Reife - Lehre - Fachoberschule - Fachhochschule die Einheitlichkeit der Ausbildung jedenfalls dann verneint, wenn das Kind nicht von vornherein die Absicht hatte, nach der Lehre die Fachoberschule zu besuchen und anschließend zu studieren und die Eltern auch nicht aufgrund sonstiger besonderer Anhaltspunkte mit einem derartigen beruflichen Werdegang rechnen konnten. Der Realschulabschluß gewähre nämlich den Absolventen eine Vorbildung, die Grundlage für eine praxisorientierte Berufsausbildung sein könne. Mit einer schulischen Weiterbildung bzw. der Aufnahme eins Hochschulstudiums müsse daher nicht von vornherein gerechnet werden. Dies muß dann erst Recht für den vorliegenden Fall gelten, indem nach dem Hauptschulabschluß zunächst eine Lehre gemacht wurde (siehe auch BGH FamRZ 95, 416, 418). Der Antragsteller hatte zudem bereits das 23. Lebensjahr vollendet, als er mit dem Besuch der Berufsaufbauschule begann. Nur am Rande sei erwähnt, daß vorliegend einiges dafür spricht, daß in der zeitlichen Abfolge der schulische bzw. berufliche Werdegang des Antragstellers nicht unerheblich, und zwar nicht nur durch den Zivildienst unterbrochen war und bereits dieser Umstand der Annahme eines einheitlichen Ausbildungsgangs entgegensteht. Es ist auch nicht vorgetragen, daß während der beruflichen Ausbildung des Antragstellers eine deutliche Begabung, insbesondere in theoretischer Hinsicht zu Tage getreten ist, nach der Antragsgegner bereits zum damaligen Zeitpunkt mit einer Fortsetzung der Ausbildung des Antragstellers nach abgeschlossener Lehre rechnen mußte. Vielmehr trägt der Antragsteller insoweit vor, daß er sich erst nach dem Zivildienst "innerlich gereift" zu einer "besseren" Schulausbildung entschlossen habe.

Danach fehlt der in Aussicht genommenen Unterhaltsklage des Antragstellers, die nach § 114 ZPO erforderliche, hinreichende Erfolgsaussicht, so daß die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe zu Recht versagt worden ist und seine Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen ist.

Dr. Hartleib Held Schweitzer