OLG Frankfurt vom 11.12.2000 (5 WF 73/00)

Stichworte: Anfechtungsrecht, Vaterschaft, unzumutbare
Normenkette: BGB 1600b Abs. 3, 5
Orientierungssatz: Entgegen der Rechtsansicht des Amtsgerichts hat die Klägerin nicht nur ein eigenes Anfechtungsrecht nach Eintritt der Volljährigkeit aus § 1600 b Abs. 3 BGB, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen schon während der Minderjährigkeit nach § 1600 b Abs. 5 BGB.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießenvom 10.03.2000 (Nichtabhilfebeschluß vom 11.05.2000) am 11.12.2000 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der beabsichtigten Vaterschaftsanfechtungsklage auf die Anwendung deutschen Rechts gestützten (vgl. dazu Art. 20 Satz 2 EGBGB, Palandt BGB 59.Aufl. Art.. 20 EGBGB Rnr. 2, Münchner Kommentar 3. Aufl. Artl. 20 EGBGB Rnr. 2, 3) fehlt die Erfolgsaussicht.

Entgegen der Rechtsansicht des Amtsgerichts hat die Klägerin nicht nur ein eigenes Anfechtungsrecht nach Eintritt der Volljährigkeit aus § 1600 b Abs. 3 BGB, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen schon während der Minderjährigkeit nach § 1600 b Abs. 5 BGB. Erlangt das noch minderjährige Kind, dessen gesetzlicher Vertreter - wie hier - wegen Fristablaufs die Vaterschaft nicht mehr anfechten kann, von Umständen Kenntnis, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft unzumutbar werden, dann kann das Kind ab diesem Zeitpunkt innerhalb der Frist des Abs. 1 die Vaterschaft erneut anfechten. Allerdings wird dem Kind eine Kenntnis des gesetzlichen Vertreters während der Dauer seiner Minderjährigkeit nach § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet. Schon deswegen kann nicht angenommen werden, die für die Anfechtung im Rahmen des § 1600 b Abs. 5 vorgetragenen Umstände habe die Klägerin neu innerhalb der Frist des Abs. 1 erfahren. Die für die Unzumutbarkeit des Fortbestehens der Vaterschaft des Beklagten vorgebrachten Gründe betreffen die Einstellung der Klägerin zu der Vaterschaft des Beklagten, die sich aufgrund ihres fortschreitenden Lebensalters und ihrer Persönlichkeitsentwicklung naturgemäß verändert. Dies sind hier aber keine neuen Umstände im Sinne der Vorschrift. Die Kenntnis des "richtigen" Namens hatte die Klägerin schon lange durch ihre gesetzliche Vertreterin und nicht erst, als sie ihr Schulzeugnis erhielt. Die Namensdiskrepanz zur Mutter und dem seit 1992 verstorbenen, angeblichen Vater erscheint auch nicht so gravierend, daß allein dadurch eine unzumutbare Folge der Vaterschaft entstünde. Es sind Geschwister vorhanden, die denselben Nachnamen tragen müßten. Angesichts der Häufigkeit von geschiedenen Ehen und der Vielzahl neu geschlossener Ehen von sorgeberechtigten Elternteilen ist es nicht ungewöhnlich, daß ein Kind einen abweichenden Namen trägt. Daß die gesetzliche Vertreterin die Anfechtungsfrist versäumt hat und der Beklagte (Scheinvater ?) keine Bindungen an das klagende Kind habe und einen Unterhalt zahle, daß er "unstreitig" zeugungsunfähig sei, all dies sind keine neuenUmstände im Sinne des § 1600b Abs. 5 BGB, die zur Erneuerung der Anfechtungsfrist für das Kind führen könnten. Wird dem Kind durch die gesetzliche Regelung der Anfechtungsfristen zugemutet, bis zum Eintritt der Volljährigkeit die Vaterschaft eines Mannes hinzunehmen, der nicht der biologische Vater ist, so begründet die Kenntnis von Umständen, welche die Vaterschaft dieses Mannes widerlegen, für sich kein (neues) Anfechtungsrecht.
BR Deshalb ist der Klägerin auch nach Ansicht des Senats keine Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO, 1952 Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG.

Dr. Hartleib Meinecke Held