OLG Frankfurt vom 11.09.2003 (5 WF 6/02)

Stichworte: Prozeßkostenhilfe, Vermögenseinsatz Prozeßkostenhilfe, Vermögenszuwachs, Abänderung der Zahlungsbestimmung, Berechnung des Betrags der Nachzahlung.
Normenkette: ZPO 120 Abs. 4 RechtsPflG 20 Ziff. 4c
Orientierungssatz: Wird die Zahlungsbestimmung bei der Bewilligung von PKH aufgrund nachträglichen Vermögenszuwachses abgeändert, ist bei der Bestimmung gem. § 120 Abs. 4 ZPO der zu zahlende Betrag in der amtsgerichtlichen Entscheidung in konkreter Höhe festzulegen. Die Anordnung, die Kosten aus dem Vermögen zu erbringen, genügt nicht. ( So auch Senat, Beschluß vom 11.09.2003, 5 WF 7/02. Zulassung der Rechtsbeschwerde).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Königstein vom 18.9.2001 am 11.9.2003 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 1, 11 GKG i. V. m. Nr. 1956 KV, 127 Abs. 4 ZPO).

Gründe:

Der Antragsgegnerin war mit Beschluss vom 27.7.1994 für das Scheidungsverbundverfahren und für die EA-Verfahren III -für den Erlass einer einstweiligen Anordnung über 1.000,- DM- , IV und V Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Für die im Verbund anhängig gemachte Stufenklage zur Folgesache Güterrecht wurde die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert. Die Antragsgegnerin hat aufgrund des Vergleiches vom 22.11.1999 im parallelen Unterhaltsverfahren vom Antragsteller 35.000,- DM erhalten und seitens der Frankfurter Volksbank einen Betrag in Höhe von 281.500,- DM.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die für die Antragsgegnerin mit Beschluss des Amtsgerichts Königstein vom 27.7.1994 bewilligte Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Zahlungsbestimmung dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin die gesamten Verfahrenskosten in einer Summe zu zahlen hat. Eine Bezifferung der Höhe der aus dem Vermögen der Antragsgegnerin zu leistenden Beträge erfolgte in dem Beschluss nicht.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (§§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 11 Abs. 1, 20 Nr. 4c Rechtspflegergesetz) und hat vorläufigen Erfolg.

Nicht zu beanstanden ist die Behandlung des Vermögenszuwachses der Antragsgegnerin als eine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne von § 120 Abs. 4 ZPO mit der Folge einer Änderung der Zahlungsbestimmung. Die Änderungsbefugnis nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO umfasst nicht nur die Entscheidung über die Höhe von zu leistenden Zahlungen, sondern ermöglicht auch die Anordnung der Erstattung der im Prozess zu Lasten der betroffenen Partei angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten aufgrund nachträglichen Vermögenserwerbs bei einer PKH-Bewilligung ohne Zahlungsanordnung. Zwar spricht der Wortlaut des § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO nur davon, dass "die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen" geändert werden kann. Bei einem späteren Vermögenserwerb ist gemäß dem Zweck der gesetzlichen Regelung -Einsparungen im Bereich der Prozesskostenhilfe durch eine nachträgliche Korrektur zu ermöglichen, die Partei bei einer nachträglichen wesentlichen Veränderung der Verhältnisse an den Kosten zu beteiligen (vgl. Bundestagsdrucksachen 10/3054, 18; 10/6400, 48)- auch die Anordnung einer sogenannten Einmalzahlung aus dem nachträglich erworbenen Vermögen möglich (vgl. z.Bsp. OLG Frankfurt OLG Report 1998, 71; OLG Köln FamRZ 1999, 304,; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1266 und 1998, 837; OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1543; OLG Celle MDR 2001, 230).

Der Senat folgt auch nicht der Auffassung, dass die Entscheidung über zu leistende Zahlungen nur dann geändert werden kann, wenn nach Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse noch Gebührentatbestände verwirklicht werden, da die Entscheidung nur für die Zukunft wirke (OLG München OLGZ 1989, 382; OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 837). § 120 Abs. 4 S. 3 ZPO sieht nämlich ausdrücklich eine Änderung der Entscheidung nach Verfahrensende vor, also zu einer Zeit, in der alle Gebührentatbestände bereits verwirklicht sind (OLG München Rechtspfleger 1994, 218f; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1592 = MDR 1996, 198; OLG Hamm FamRZ 1993, 1474; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl. Rn. 394).

Der Vermögenserwerb hat zu einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse geführt. Das Geld stand bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht zur Verfügung, wobei darauf hinzuweisen ist, dass nur hinsichtlich der mit Beschluss des Amtsgerichts Königstein vom 27.7.1994 bewilligten Prozesskostenhilfe die Zahlung der Prozesskosten angeordnet worden ist. Selbst wenn die im Vergleich vom 22.11.1999 festgelegten 35.000,- DM als eine Zahlung für Unterhalt nicht berücksichtigt werden und der in der Anlage 1) zum Schreiben vom 20.7.2000 aufgeführte Betrag von ca. 70.000,- DM nur von dem aus der Veräußerung des Hauses resultierenden Betrag abgesetzt wird, so verbleibt mit den ca. 210.000,- DM eine Summe, die sehr deutlich über der Freigrenze der §§ 88 Abs. 2 Nr. 8 BHSG, 1 Abs. 1 Nr. 1 BSHGVO liegt (vgl. dazu OLG Celle MDR 2001, 230; OLG Köln Rechtspfleger 1999, 402 und Anwaltsblatt 1993, 298).

Ihr Vermögen hat die Antragsgegnerin einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, § 88 BSHG gilt entsprechend. Das erhaltene Geld unterliegt nicht den Einschränkungen des § 88 Abs. 2 BSHG. Aus der Veräußerung eines Familienheims herrührende Mittel fallen wie grundsätzlich Bausparguthaben (BGH NJW RR 91, 1532f; OLG Koblenz FamRZ 1999, 997) nicht unter einen verlängerten Schutz entsprechend § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG, sondern sind zur Bestreitung von Prozesskosten einzusetzen (Wax Münchner Kommentar ZPO 2. Aufl. § 115 Rn. 88; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 925; OLG Hamm JB 1984, 929; OLG Köln MDR 1996, 197; OLG Stuttgart FamRZ 1997, 873). Ob davon eine Ausnahme zu machen ist, wenn sie alsbald für den Erwerb eines Eigenheims eingesetzt werden (OLG Bamberg FamRZ 1996, 42; 1995, 1590; Büttner Rechtspfleger 1997, 348) kann hier dahingestellt bleiben. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin hat sie bisher keine Eigentumswohnung erworben. Es erscheint danach auch offen, ob dies tatsächlich geschehen wird.

Etwa berücksichtigungsfähige Ausgaben für die Anschaffung von Hausrat sind in dem Betrag von 70.000,- DM enthalten.

Dem Einsatz des Geldes zur Deckung der Prozesskosten steht wohl auch nicht das Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen, sie benötige dies zur Deckung des Unterhaltsbedarfs und ihrer Alterssicherung. Davon, dass eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung durch die Zahlung wesentlich erschwert würde (§ 88 Abs. 3 BSHG) kann derzeit nicht ausgegangen werden (vgl. dazu Schellhorn BSHG 16. Aufl. § 88 Rn. 77,78; Lehr und Praxiskommentar BSHG 6. Aufl. § 88 Rn. 85 mit Hinweis auf BVerwG 32, 89, 93f). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin aus einer Halbtagstätigkeit ein Nettoeinkommen von ca. 2.150,- DM im Monat ohne Urlaubs- und Weihnachtsgeld (vgl. Bl. 63 des PKH-Heftes im Verfahren 5 WF 7/03) erzielt und die beiden Kinder nach dem Vergleich vom 22.11.1999 monatlich einen Unterhalt von je 816,- DM erhalten. Die Antragsgegnerin ist im Hinblick auf das Alter der Kinder gehalten, ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten. Nach der Versorgungsausgleichsakte hat sie gemäß der Auskunft vom 27.5.1993 bei der Firma Procter und Gamble ein Anrecht auf eine Jahresrente von ca. 5.357,- DM, das heißt ca. 446,- DM im Monat. Nach den Angaben der BfA vom 3.2.1999 hatte sie bis zum 31.12.1992 eine Anwartschaft auf eine Rente von ca. 1.121,- DM erlangt. Diese Anwartschaft erhöht sich noch wegen der weiter geleisteten Beitragszahlungen. Für die Lebensführungen und die Alterssicherung stehen zudem die 35.000,- DM und eine Lebensversicherung von 40.000,- DM zur Verfügung ( wohl aus der betrieblichen Altersversorgung bei dem derzeitigen Arbeitgeber, Bl. 22 des PKH-Heftes in dem Verfahren 5 WF 7/02). Wenn sich dann im Alter wegen vorzunehmender weiterer Zahlungen auf die Prozesskosten (in der Aufstellung vom 20.7.2000 sind bereits Kosten enthalten) die Entnahmemöglichkeit aus dem Kapital möglicherweise um einige Zeit verschiebt -die Antragsgegnerin macht geltend, bei einer monatlichen Entnahme von 1.200,- DM aus einem Kapital von 250.000,- DM sei das Geld im Alter von 75 Jahren aufgebraucht, bei einer Monatsentnahme von 1.100,- DM im Alter von 80 Jahren- , so kann dies angesichts der Unwägbarkeiten der zukünftigen Entwicklung nicht als eine wesentliche Erschwerung einer angemessenen Lebensführung und Alterssicherung angesehen werden.

Abschließend kann diese Frage jedoch im weiteren Verfahren geklärt werden. Es hätte nämlich der von der Antragsgegnerin zu zahlende Betrag in der amtsgerichtlichen Entscheidung festgesetzt werden müssen (vgl. dazu und zur Frage der Festlegung eines Zahlungszeitpunktes Musielak ZPO 3. Aufl. § 129 Rn 2,3; Thomas-Putzo ZPO 25. Aufl. § 120 Rn.3; Baumbach/Lauterbach ZPO 61. Aufl. § 120 Rn. 9; Zöller/Philippi ZPO 23. Aufl. § 120 Rn. 29, Zimmermann Prozesskostenhilfe in Familiensachen 2. Aufl. Rn. 433 Fn. 1025, Wax a.a. O. § 120 Rn. 8, OLG Köln FamRZ 2001 632 = OLG Report 2001, 40). So ist in § 120 Abs. 1 ZPO festgelegt, dass mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festzusetzen sind (in § 1 Abs. 1 Ziffer 4a JustizbeitreibungsVo ist die Einziehung der vom Gericht im Verfahren der Prozesskostenhilfe bestimmten Beträge genannt). Dies hat dann auch bei einer Abänderung gem. § 120 Abs. 4 ZPO zu gelten. Es soll die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen abgeändert werden. Der Partei ist die Möglichkeit zur Beurteilung zu eröffnen, ob ihre Vermögensverhältnisse richtig ermittelt sind, die Festlegung dem nach dem Gesetz einsatzpflichtigen Vermögen entspricht und die Berechnung der zu leistenden Gerichts- und Anwaltskosten zutreffend ist. Dann kann abschließend beurteilt werden, ob ein Rechtsbehelf gemäߧ 127 ZPO gegen die Entscheidung Aussicht auf Erfolg hat. Diese konkrete Zahlungsbestimmung ist gemäß § 20 Ziff. 4c RechtspflegerG Aufgabe des Rechtspflegers und nicht des Kostenbeamten. Die Rechnung des Kostenbeamten vom 1.10.2001, die der Antragsgegnerin anscheinend übersandt wurde, ist für diese schwer nachvollziehbar. Diese hat die Berechnung der Anwaltskosten nicht erhalten. Bei den Beträgen von 2250,40 DM und 1067,20 DM scheint es sich um die Differenz bis zur Regelvergütung zu handeln, wobei der Betrag von 1067.20 DM nicht die Differenz zwischen 2.338,80 DM und 1.171,60 DM darstellt. Der Betrag von 1.857,25 DM betrifft das Berufungsverfahren vor dem OLG, das vom Wortlaut des angefochtenen Beschlusses nicht erfasst wird. Im Anschreiben vom 25.7.2001 ist ein Nachzahlungsbetrag von ca. 7.500,- DM genannt. Die Kostenrechnung vom 1.10.2001 weist 10.581,- DM aus. Im übrigen würde die Formulierung, dass die gesamten Verfahrenskosten in einer Summe zu zahlen seien, auch nicht von der PKH-Bewilligung erfasste Kosten betreffen.

Da der angefochtene Beschluss keine hinreichend konkrete Zahlungsbestimmung enthält, wird er aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Im Hinblick auf die Rechtsfrage , ob die Entscheidung über zu leistende Zahlungen nur dann geändert werden kann, wenn noch Gebührentatbestände verwirklicht werden, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO zu. Diese Entscheidung dieser Rechtsfrage ist für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung.

Dr. Hartleib Held Reitzmann