OLG Frankfurt vom 06.06.2001 (5 WF 31/01)

Stichworte: Verwirkung, Mindestbedarf, Wahrung der Kindesbelange
Normenkette: BGB 1579 Ziff. 1, 1578
Orientierungssatz: Eine Verwirkung wegen kurzer Ehedauer führt regelmäßig nicht zur Kürzung des Unterhaltsanspruchs, wenn sonst bei Betreuung eines Kindes der Mindestbedarf gefährdet wäre. Der Anrechnung nicht eheprägender Einkünfte steht die Unterschreitung des Mindestbeda.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen - vom 14.12.2000 (Nichtabhilfebeschluß vom 31.01.2001) am 6.6.2001 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Kläger kann sich derzeit nicht mit Erfolg auf die Verwirkung der nachehelichen Unterhaltsansprüche wegen kurzer Ehedauer (§ 1579 Ziff. 1 BGB) berufen. Auch nach der Neufassung des § 1579 BGB durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986 (BGBl I 301) haben die Belange des Kindes grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Unterhaltspflichtigen an Einschränkungen oder am Fortfall seiner Unterhaltslast (BGH FamRZ 1998, 541). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Versagung, Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung grundsätzlich nur dann in Betracht, soweit die Pflege und Erziehung des Kindes trotzdem gesichert bleibt. Die Kindesbelange sind nicht mehr gewahrt, insofern der das Kind betreuen der Elternteil gezwungen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und die Kindesbetreuung zu vernachlässigen oder vom Unterhalt des Kindes Teile des eigenen Lebensbedarfs zu bestreiten (BVerfG FamRZ 1981 S. 745, 749). Das wäre zu befürchten, wenn der Unterhaltsberechtigte den Mindestbedarf, der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen beträgt ca. 1.380 DM (siehe dazu unten), nicht zur Verfügung hätte. Die Beklagte verfügt nur über die Unterhaltsleistungen des Klägers in Höhe von monatlich 896 DM und über Pflegegeld für die Betreuung ihrer Mutter in Höhe von 400 DM und daher über weniger Einkünfte, als bei sparsamster Haushaltsführung zum Leben unerläßlich notwendig ist. Eine Herabsetzung des Unterhalts wegen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs infolge kurzer Ehedauer kommt daher nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil dann die Belange des Kindes nicht mehr gewahrt werden könnten.

Aber auch eine Abänderung des titulierten Unterhalts nach § 323 ZPO scheidet aus. Eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse, die eine Herabsetzung des Unterhalts zur Folge haben könnte, ist nach Meinung des Senats nicht gegeben.

Anders als das Amtsgericht ist der Senat zwar der Auffassung, daß der Beklagten unter Berücksichtigung der Kindesbetreuung eine Erwerbstätigkeit in dem Umfange zugemutet werden kann, wie sie sie durch Pflege ihrer Mutter auch ausübt. Die Pflege der Mutter ist mit der Betreuung des nunmehr acht Jahre alten Kindes (Andreas, geb. am 21.5.1992) zu vereinbaren. Der Bezug des Pflegegeldes in Höhe von monatlich 400 DM hat die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt, was dazu führt, daß dieses Einkommen - bereinigt um einen Erwerbstätigenbonus - auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen anzurechnen ist. Weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Mindestbedarf nicht angenommen werden kann, steht der Anrechnung auch die Unterschreitung des Mindestbedarfs nicht entgegen. Für einen von den ehelichen Verhältnissen unabhängigen generellen Mindestbedarf bietet das Gesetz keine Grundlage (BGH FamRZ 1987, 116, FamRZ 1984, 356, 357).

Nach den Darlegungen des Klägers zu seinen Einkommensverhältnissen ergibt sich aber auch unter Anrechnung der Einkünfte der Kläger noch ein Unterhaltsanspruch in der titulierten Höhe. Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 4000 DM und nach Abzug des Kindesunterhalts ergibt sich ein Bedarf der Beklagten von etwa 1380 DM (§ 1578 BGB). Würde darauf der um den Erwerbstätigenbonus verminderte Mehrverdienst der Bekl. angerechnet, so würde der titulierten Unterhalts nicht unterschritten.

Der Senat vermag nicht anzunehmen, daß der Beklagten derzeit eine weitergehende Erwerbstätigkeit zugemutet werden könnte. Die von ihr tatsächlich ausgeübte Pflegetätigkeit entspricht nach seiner Auffassung der bei dem Lebensalter des betreuten Kindes anzusetzenden Erwerbspflicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 127 Abs. 4 ZPO, 1952, Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG.

Dr. Hartleib Meinecke Held