OLG Frankfurt vom 28.05.2003 (5 WF 264/00)

Stichworte: PKH-Bewilligung, Abänderung nachträglicher Vermögenserwerb, Abänderung der PKH-Bewilligung
Normenkette: ZPO 120 Abs. 4 BSHG 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHGVO 1 Abs. 1 Nr. 1
Orientierungssatz: 1) Die Änderungsbefugnis nach § 120 Abs. 4 S. 1 umfasst nicht nur die Entscheidung über die Höhe von zu leistenden Zahlungen, sondern ermöglicht auch die Anordnung der Erstattung der im Prozess zu Lasten der betroffenen Partei angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten aufgrund nachträglichen Vermögenserwerbs bei einer PKH-Bewilligung ohne Zahlungsanordnung. 2) Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt vor, wenn ein zugeflossener Geldbetrag deutlich über der Freigrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, 1 Abs. 1 Nr. 1 BSHGVO.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Offenbach vom 6.2.2001am 28.05.2003 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Der Antragsgegnerin ist mit Beschluss vom 12.9.1995 -Datum der Ausfertigung 22.9.1995- Prozesskostenhilfe für den 1. Rechtszug im Scheidungsverbundverfahren ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Im EA I Verfahren ist mit Beschluss vom 15.7.1996 der Antragsgegnerin in Erweiterung des PKH-Beschlusses vom 12.9.1995 Prozesskostenhilfe für Anträge in bestimmten Umfang bewilligt worden. Am 25.4.1997 wurde die der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 12.9.1995 gewährte Prozesskostenhilfe auf Anträge in den Folgesachen Güterrecht und nachehelicher Unterhalt erstreckt (Bl. 143 d. UE-Akte). Mit Beschluss vom 30.6.1999 ist der Antragsgegnerin für das Berufungsverfahren (nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich) Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Gleichzeitig wurde die Nachzahlung aus dem Vermögen angeordnet, soweit die Berufungsklägerin im Rahmen des Zugewinnausgleichs vom Berufungsbeklagten mehr als 5.000,-- DM erhält. In dem Vergleich vom 30.6.1999 wurde dann vereinbart, dass an die Antragsgegnerin zum Ausgleich des Zugewinns 18.515,-- DM zu zahlen seien.

Mit Schreiben vom 4.10.1999 wurde von der Antragsgegnerin im Hinblick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts die Zahlung von 2.364,77 DM angefordert, zugleich wurde darauf hingewiesen, dass noch weitere Kosten hinzutreten könnten. Der Betrag wurde gezahlt (28.10.1999), ebenso wie am 10.2.2000 weiter angeforderter 56,73 DM (7.3.2000). Die Antragsgegnerin wurde mit Schreiben vom 6.9.2000 -abgesandt am 7.9.2000- daraufhingewiesen, dass nunmehr der Staatskasse noch weitere Kosten zu erstatten seien. Den gezahlten Betrag von 2.421,50 DM stünden erstinstanzliche Kosten von 5.138,06 DM gegenüber, so dass erstinstanzlich 2.716,56 DM offen seien. Für die zweite Instanz seien 2.744,-- DM abzüglich gezahlter 202,50 DM und verrechneter 120,-- DM, d. h. 2.421,50 DM offen. Insgesamt seien 5.138,06 DM zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 27.9.2000 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Grundlage einer Nachzahlung nur der PKH-Bewilligungsbeschluss des Oberlandesgerichts sein könne und dieser nur Kosten des Berufungsverfahrens erfasse. Diese seien aber bereits gezahlt in Höhe von 2.744,-- DM unter Berücksichtigung der Verrechnung von 120,-- DM. Seitens der Gerichtskasse wurde dann die Antragsgegnerin unter dem 27.10.2000 zur Zahlung von 516,92 DM aufgefordert. Hiergegen wendete sich die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 3.11.2000. Der Bezirksrevisor wies in seiner Stellungnahme vom 6.12.2000 die der Antragsgegnerin zuging unter anderem darauf hin, dass für die erste Instanz noch 5.098,12 DM offen sein. In der Kostenrechnung vom 14.12.2000 wurden der Antragsgegnerin dann weiter 81,20 DM, d. h. insgesamt 5.089,12 DM in Rechnung gestellt.

In Beschluss vom 6.2.2001 ist dann der PKH-Bewilligungsbeschluss vom 22.9.1995 aufgehoben und Nachzahlung angeordnet worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, im Hinblick auf den Zugewinnausgleich sei die Antragsgegnerin nunmehr in der Lage die Gericht- und Anwaltkosten aus ihrem erworbenen Vermögen zu bestreiten. Die Bedingungen für Prozesskostenhilfe ohne Raten lege nicht mehr vor, die Entscheidung sei gemäß § 140 Abs. 4 ZPO abzuändern, es werde der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 6.12.2000 gefolgt. Die Antragsgegnerin hat dann mitgeteilt, dass die Beschwerde vom 3.11.2000 nunmehr als Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 6.2.2001 anzusehen sei. Diesem wurde nicht abgeholfen.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO Abs. 1, 20 Nr. 4c Rechtspflegergesetz zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Dem steht nicht entgegen, dass in der angefochtenen Entscheidung der PKH-Bewilligungsbeschluss aufgehoben worden ist -zur Frage der Unzulässigkeit eines solchen Vorgehens vgl. Zöller/Philippi ZPO 23. Aufl. § 120 Rn. 24 - und nur eine Entscheidung zur Prozesskostenhilfe mit unrichtigem Datum nicht aber auch die weiteren Beschlüsse erwähnt sind. Der Beschluss ist nämlich dahin auszulegen, dass nicht die Aufhebung der Entscheidung zur Prozesskostenhilfe erklärt werden sollte sondern die Zahlung der Kosten der ersten Instanz angeordnet werden sollte. So ist die Anordnung der Nachzahlung erfolgt und ist in den Gründen ausgeführt, die Antragsgegnerin sei nunmehr in der Lage, die Gerichts und Anwaltskosten aus ihrem erworbenen Vermögen zu bestreiten, die Entscheidung sei gemäß § 120 Abs. 4 ZPO entsprechend abzuändern. Auch unter Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 6.12.2000 der die Rechtspflegerin gefolgt ist wir eine förmliche Nachzahlungsanordnung für den Kostenanteil erster Instanz erbeten.

Nicht zu beanstanden ist die Behandlung des Vermögenszuwachses der Antragsgegnerin als eine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne von § 120 Abs. 4 ZPO mit der Folge einer Änderung der Zahlungsbestimmung. Die Änderungsbefugnis nach § 120 Abs. 4 S. 1 umfasst nicht nur die Entscheidung über die Höhe von zu leistenden Zahlungen, sondern ermöglicht auch die Anordnung der Erstattung der im Prozess zu Lasten der betroffenen Partei angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten aufgrund nachträglichen Vermögenserwerbs bei einer PKH-Bewilligung ohne Zahlungsanordnung. Zwar spricht der Wortlaut des § 120 Abs. 4 S. 1 nur davon, dass "die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen" geändert werden kann bei einem späteren Vermögenserwerb ist gemäß dem Zweck der gesetzlichen Regelung Einsparungen im Bereich der Prozesskostenhilfe durch eine nachträgliche Korrektur zu ermöglichen, die Partei bei der nachträglichen wesentlichen Veränderung der Verhältnisse bei den Kosten zu beteiligen (vgl. Bundestagsdrucksachen 10/3054, 18; 10/6400, 48 -auch die Anordnung einer sogenannten Einmalzahlung aus dem nachträglich erworbenen Vermögen möglich (vgl. z.Bsp. OLG Frankfurt OLG Report 1998, 71 ; OLG Köln FamRZ 1999 304; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1266 und 98, 837; OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1543; OLG Celle MDR 2001, 230).

Der Vermögenserwerb aufgrund der Durchführung des Zugewinnausgleichs hat auch zu einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse geführt. Der Betrag von 18.515,- DM stand bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zur Verfügung und er liegt auch bei Berücksichtigung der im Verfahren insgesamt zu zahlenden Kosten von etwas unter 8.000,-- DM deutlich über der Freigrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, 1 Abs. 1 Nr. 1 BSHGVO (vgl. dazu OLG Celle MDR 2001, 230; OLG Köln Rechtspfleger 99, 402 und Anwaltsblatt 93298).

Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, dass sie bei Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht mehr über den gezahlten Betrag verfügte, diesen für ein Auto und Urlaub ausgegeben hat. Die hieraus resultierende Leistungsfähigkeit wurde nämlich unberechtigterweise herbeigeführt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Partei Vorsorge für eventuelle Kostennachzahlungen treffen muss, wenn ihr bekannt ist, dass Kosten für einen Rechtsstreit anfallen, sie dann einen angemessenen Teil des zugeflossenen Kapitals hierfür zurückzubehalten hat, da im Hinblick auf die Regelung des § 120 ZPO kein Vertrauensschutz innerhalb von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens besteht, das sie die staatlich gewährte Sozialleistung behalten darf, wenn sich die Verhältnisse innerhalb des Zeitraums so ändern, dass die Kosten von der Partei selbst getragen werden könnte und eine Ausnahme nur zu machen ist, wenn die Partei das Vermögen in billigenswerter Weise verwertete (vgl. dazu Zimmermann Prozesskostenhilfe in Familiensachen 2. Aufl. Rn.446, Wachs in Münchner Kommentar ZPO 2. Aufl. § 120 Rn. 18 OLG München FamRZ 1999, 303, OLG Brandenburg FamRZ 1997 1543, OLG Bamberg FamRZ 95 1590). Auch wenn der Auffassung gefolgt wird, eine Partei könne bis zur Einleitung des Abänderungsverfahrens über ihr zugeflossenes Vermögen frei verfügen, da sie nicht verpflichtet sei von sich aus auf die Änderung ihrer wirtschaftlichen Situation hinzuweisen sich nicht darauf einzustellen brauche später eventuell zur Zahlung von Kosten herangezogen zu werden (vgl. dazu OLG Zweibrücken MDR 1997, 886; OLG Bamberg FamRZ 1995 374 und 1590) führt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Der Antragsgegnerin wird durch das Schreiben vom 4.10.1999 bekannt, dass zu den zunächst zu erstattenden Kosten von 2.364,77 DM noch weitere Kosten hinzukommen könnten. Im Schreiben vom 6.9.2000 wurde auf die Zahlung von noch insgesamt 5.138,60 DM hingewiesen. Der Kaufvertrag über 15.000,-- DM datiert erst vom 19.9.2000.

Eine Ausnahme von der Notwendigkeit der Erstattung der Prozesskosten zu machen, weil für die Ausgabe ein unabweisbares Bedürfnis bestand oder Gegenstände erworben worden sind, auf deren Verwertung die Antragsgegnerin nach § 115 ZPO nicht verwiesen werden darf (vgl. dazu OLG Zweibrücken MDR 97, 885, OLG Bamberg FamRZ 1995, 152 1997 1543, Zöller/Philippi ZPO 23. Aufl. § 120 Rn. 25; nach BGH FamRZ 1999 644) ist die Leistungsunfähigkeit böswillig herbeigeführt, wenn eine Verbindlichkeit weit vor ihrer Fälligkeit getilgt wird oder eine Ausgabe zur Tilgung einer Verbindlichkeit erfolgte deren Begründung der angesichts zu erwartenden Belastung unangemessen war. Der Erwerb des PKW -die Antragsgegnerin hatte im Übrigen im September 2000 noch 15.000,-- DM trotz Ausgaben wegen der weitergehenden Prozesskosten und des Urlaubs diente nicht zur Berufstätigkeit , die Antragsgegnerin war auch nicht wegen der Versorgung von Kindern auf das Kraftfahrzeug angewiesen und hätte sich auch ein billigeres Fahrzeug kaufen können (vgl. dazu OLG Bamberg FamRZ 1995, 374 OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1543).

Im übrigen ergibt sich aus dem Vergleich vom 30.6.1999 und dem Beschluss des Senats vom 30.6.1999 nichts, das der Vergleich auf der Basis geschlossen worden ist, das der Antragsgegnerin von dem Zugewinnausgleichsbetrag nicht mehr verloren gehen sollte als die angeordnete Nachzahlung. Die Antragsgegnerin verfügt auch über ein Einkommen bei weitergehender Zahlung von Krankenvorsorgeunterhalt im Bereich des damals angemessenen Eigenbedarfs. Ihre Angabe, sie sei für ihren Lebensunterhalt (Kleidung, Versicherung, Telefon pp ) auf den Zugewinnausgleichsrest dringend angewiesen, steht schon entgegen, dass sie das Geld für den Kauf eines PKW ausgegeben hat. Die volljährige Tochter hatte nach dem Verbundurteil einen Unterhaltsanspruch von 1.044,-- DM.

Der Zurückweisung der Beschwerde steht nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass in dem angefochtenen Beschluss die von der Antragsgegnerin zu erbringende Zahlung mit einem Zahlungsdatum nicht angegeben ist (vgl. dazu OLG-Ouellen OLG Report 2001, 39 Zimmermann a. a. O. Rn. 433, Fn. 1025 Wachs a. a. O. § 120 Rn. 8). Der Antragsgegnerin ist aus der ihr übersandten Stellungnahmen des Bezirksrevisors und der Kostenrechnung vom 14.12.2000 welche Summen sie der Staatskasse erstatten soll. Eine Wiederholung des Betrages erscheint nicht notwendig. Aus dem Fehlen eines Zahlungsdatums ergibt sich, dass der Betrag sofort zu zahlen ist.

Der Senat folgt auch nicht der Auffassung, dass die Entscheidung über zu leistende Zahlungen nur dann geändert werden kann, wenn nach Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse noch Gebührentatbestände verwirklicht werden, da die Entscheidung nur für die Zukunft wirke (OLG München, OLG FamRZ 1989, 382; OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 837). Nach § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO sieht nämlich ausdrücklich eine Änderung der Entscheidung nach Verfahrensende vor also zu einer Zeit, in der alle Gebührentatbestände bereits verwirklicht sind (OLG Mün chen, Rechtspfleger 1994, 218f; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1592 = MDR 1996, 198; OLG Hamm FamRZ 1993, 1474, Kaltöner/Büttner Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl. Rn. 394). Im Hinblick auf diese Rechtsfrage, die für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung ist, lässt der Senat allerdings die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4, 97 ZPO i. V. m. 111 GKG und dem Kostenverzeichnis.

Dr. Hartleib Schaffrina Meinecke