OLG Frankfurt vom 08.12.1999 (5 WF 262/99)

Stichworte: Eheband, formales Härte, schwere Unzumutbarkeit, Ehescheidung, vorzeitige Menschenwürde.
Normenkette: BGB 1565 Abs. 2 GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1
Orientierungssatz: Zur schwere Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB, obwohl es sich um einen einmaligen Vorfall ohne Wiederholungsgefahr handeln soll.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Büdingen vom 21.10.1999 (Nichtabhilfebeschluß vom 11.11.1999) am 08.12.1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung über den PKH-Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

G r ü n d e

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Antragstellerin (von deutscher Staatsangehörigkeit wie auch der Antragsgegner) hat die Voraussetzungen für eine vorzeitige Ehescheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB genügend vorgetragen, so daß Prozeßkostenhilfe nicht mangels Erfolgsaussicht verweigert werden kann. Nach ihrem im Kern unstreitigen Vortrag ist sie von dem Antragsgegner am 03.09.1999 so schwer mißhandelt worden, daß sie eine Schädelprellung mit Monokelhämatom rechts, eine Distorsion der Halswirbelsäule sowie Rücken und Steißbeinprellungen erlitt. Sie mußte deshalb in der Nacht vom 03.09.1999 im Krankenhaus ärztlich versorgt werden. Aufgrund von persistierenden Halswirbelsäulen- und Rückenschmerzen als Folge der erlittenen Verletzungen war ein weiterer stationärer Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 08. bis 09.09.1999 erforderlich. Die dem Scheidungsantrag beigefügten Lichtbilder von der Antragstellerin zeigen sehr deutliche Spuren der Mißhandlungen, die bis in den rechten Augapfel reichen; desweiteren sind Blutergüsse sichtbar am rechten Oberarm. Der Vortrag der Antragstellerin, der Antragsgegner habe sie geschlagen, getreten und geprügelt und habe ihr auch im Gesicht erhebliche Verletzungen zugefügt, ist daher so konkret belegt, daß zumindest für das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren davon auszugehen ist.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts liegt damit eine schwere Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB vor. Es kann nicht entscheidend sein, daß es sich um einen einmaligen Vorfall ohne Wiederholungsgefahr handeln soll. Die in Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 GG (Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit) geschützten Grundwerte gebieten es vielmehr, die Antragstellerin nicht auf das Trennungsjahr zu verweisen, und zwar auch dann, wenn nach Ansicht des Amtsgerichts keine Wiederholungsgefahr bestehen sollte (etwa: BGH NJW 81, 449). Unzumutbar ist nämlich die bloße Aufrechterhaltung des formalen Ehebandes, wenn der andere Ehegatte die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit erheblich mißachtet hat, wofür hier schon die Art der Verletzung der Antragstellerin spricht.

Der Senat hat über den Antrag nicht selbst entschieden, weil ohne weitere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann. Der Antragsgegner hat in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben, die Antragstellerin verfüge über ein Kapitalvermögen von 18.000,00 DM, wobei die Angabe, dieses Vermögen werde monatlich erzielt, sicher auf einem Versehen beruhen dürfte. Jedenfalls aber bei einem Kapitalvermögen von 18.000,00 DM wäre die Antragstellerin nicht hilfebedürftig.

Dr. Hartleib Meinecke Held