OLG Frankfurt vom 24.03.2022 (5 WF 25/22)

Stichworte: Beschleunigungsbeschwerde; Beschleunigungsrüge; Erledigung; Feststellungsinteresse
Normenkette: FamFG 62; FamFG 155b; FamFG 155c
Orientierungssatz:
  • Eine Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG ist unzulässig, wenn die Sache unterdessen einer die Instanz abschließenden Entscheidung zugeführt wurde.
  • Die Regelung des § 62 FamFG findet auf die Beschleunigungsbeschwerde keine Anwendung.
  • 15 F 69/21
    AG Königstein

    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    betreffend den Umgang

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Grün und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Bussian und Maruhn am 24.03.2022 beschlossen:

    Die Beschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 04.01.2022 betreffend die Verwerfung der Beschleunigungsrüge des Beschwerdeführers vom 12.10.2021 wird verworfen.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Gründe:

    I.

    Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschleunigungsrüge durch einen anderen Senat des Oberlandesgerichts.

    Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um den Vater des am xx.xx.xxxx geborenen Kindes K. Im seit dem 25.01.2021 anhängigen erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren begehrte der Beschwerdeführer die Regelung seines zuletzt ausgesetzten Umgangs mit K. Mit Beschluss vom 05.10.2021 ist durch das Amtsgericht entschieden worden, dass der Antrag des Kindesvaters auf Erlass einer Umgangsregelung zurückgewiesen werde. Hiergegen hat der Kindesvater mit am 12.10.2021 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt (Az. OLG Frankfurt 3 UF 186/21).

    Mit am 28.12.2021 beim Oberlandesgericht eingegangenem, auf den 12.10.2021 datierendem Schriftsatz hat der Beschwerdeführer zudem im vorliegenden Zwischenverfahren Beschleunigungsrüge erhoben, nachdem ein gegen die Mitglieder des 3. Familiensenats gerichtetes Ablehnungsgesuch am 16.11.2021 als unzulässig verworfen worden ist. Er hat geltend gemacht, dass das Beschwerdeverfahren durch das Oberlandesgericht nicht ausreichend zügig gefördert werde und die Bindung von K zu ihm durch die seit Beginn des amtsgerichtlichen Verfahrens zu verbuchende Verfahrensdauer Schaden nehme.

    Der 3. Familiensenat des Oberlandesgerichts hat die Beschleunigungsrüge mit Beschluss vom 04.01.2022 unter Bezugnahme auf die fehlende Substantiierung des Rügevorbringens als unzulässig verworfen. Hilfsweise ist ausgeführt worden, dass die Behandlung der Sache durch den Senat dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen Rechnung getragen habe. Mit Hinweisbeschluss selben Datums hat der 3. Familiensenat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, in der Hauptsache auf die Beschwerde des Kindesvaters hin die Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im Hinblick darauf, dass die Zurückweisung eines Umgangsantrags vorliegend mangels des Vorliegens einer Ausnahmekonstellation keine gesetzliche Form der Beendigung des Umgangsverfahrens dargestellt habe, handele es sich bei dem angefochtenen Beschluss um eine Nicht-Entscheidung, die aufzuheben sei.

    Die beiden vorgenannten Beschlüsse des 3. Familiensenats sind dem Kindesvater jeweils am 07.01.2022 zugestellt worden.

    Der 3. Familiensenat hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs am 28.01.2022 entsprechend dem erteilten Hinweis entschieden, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 05.10.2021 aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen werde. Der Beschluss in der Hauptsache ist dem Beschwerdeführer am 09.02.2022 zugestellt worden.

    Der Kindesvater hat zuvor gegen die Entscheidung betreffend die Verwerfung seiner Beschleunigungsrüge mit am 01.02.2022 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Der Beschluss sei nicht ausreichend begründet. Wenn das Oberlandesgericht der Auffassung sei, dass die amtsgerichtliche Entscheidung aufzuheben sei, dann habe dies unverzüglich nach Eingang seines Rechtsmittels erfolgen müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz vom 01.02.2022 Bezug genommen (Bl. 310 d. A.).

    Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden hin, dass das mit der Beschleunigungsbeschwerde verfolgte Begehren sich mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt habe, hat der Kindsvater seinen Rechtsbehelf ausdrücklich aufrechterhalten. Dieser sei bereits vor der Beendigung des Beschwerdeverfahrens eingereicht worden, so dass es sich um ein zulässiges und erfolgreiches Rechtsmittel gehandelt habe. Eine Rücknahme verbiete sich aus seiner Sicht, da diese mit Kosten verbunden sei, die er bei einem Erfolg seines Begehrens nicht tragen müsse. Auf den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 18.02.2022 (Bl. 319 d. A.) wird im Übrigen Bezug genommen.

    II.

    Die Beschleunigungsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen.

    Bei dieser handelt es sich zwar um den statthaften Rechtsbehelf nach § 155c Abs. 1 S. 1 FamFG, für welchen nach § 155c Abs. 2 S. 2 FamFG i. V. m. dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts der Senat funktional zuständig ist. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.

    Dem Beschwerdebegehren ist jedoch das erforderliche Rechtschutzbedürfnis abzusprechen. Dieses lag bereits von Anfang an nicht vor, da zum Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsbehelfs beim Oberlandesgericht am 01.02.2022 das Hauptsacheverfahren vor dem Beschwerdegericht bereits beendet war.

    Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschleunigungsbeschwerde entfällt, wenn das Hauptsacheverfahren, hinsichtlich dessen die unangemessen lange Verfahrensdauer gerügt wird, seine Beendigung gefunden hat. Diese Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/9092, S. 17) und der allgemeinen Handhabung in der fachgerichtlichen (OLG Köln, Beschluss vom 07.12.2021, Az. 14 WF 160/21 II-14 WF 160/21, zit. n. juris; OLG Karlsruhe FamRZ 2019, 520) und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 07.02.2022, Az. 1 BvR 2180/21, zit. n. juris; BVerfG FamRZ 2020, 776; BVerfG FamRZ 2018, 1761). Da der Zweck der Beschleunigungsrüge und der nachfolgenden Beschleunigungsbeschwerde sich in der effektiven Durchsetzung des beschleunigten Verfahrens erschöpft, wird der Rechtsbehelf mit Beendigung des Verfahrens in der Hauptsache hinfällig (MüKoFamFG/Schumann, 3. Auflage 2018, § 155c Rn. 13). Die Beschleunigung eines abgeschlossenen Verfahrens kann nicht mehr erreicht werden (BVerfG FamRZ 2020, 776).

    Für den Zeitpunkt des Entfallens des Rechtsschutzbedürfnisses kommt es dabei nicht auf den des Wirksamwerdens der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung, sondern auf den des Erlasses an. Bereits ab dem Zeitpunkt, in dem das Gericht seine instanzbeendende Entscheidung getroffen hat, kann unabhängig von der Frage des Zeitpunkts der Vollziehung das Rügeverfahren seinen Zweck nicht mehr erfüllen und ist eine weitere Beschleunigung nicht mehr möglich (so auch OLG Karlsruhe FamRZ 2018, 520). Der Beteiligte, der eine Beschleunigungsbeschwerde in Unkenntnis einer ihm noch nicht zugestellten instanzbeendenden Entscheidung einlegt, ist insoweit nicht schutzwürdig, da er seinen Rechtsbehelf gerichtsgebührenfrei zurücknehmen kann (vgl. Nr. 1912 KV FamGKG) und er eine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten im Rügeverfahren auch für den Fall eines erfolgreichen Verfahrensausgangs ohnehin nicht erreichen kann (hierzu s.u.).

    Nach diesen Grundsätzen war ein Rechtsschutzbedürfnis für die am 01.02.2022 erhobene Beschleunigungsbeschwerde von Anfang an zu verneinen, weil der 3. Familiensenat des Oberlandesgerichts bereits am 28.01.2022 eine instanzbeendende Entscheidung über die Beschwerde des Kindesvaters in der Hauptsache getroffen hatte.

    Der Umstand, dass das Umgangsverfahren nicht insgesamt beendet worden ist, sondern erneut in erster Instanz anhängig ist, nachdem das Oberlandesgericht die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen hat, steht der Annahme einer Erledigung des Zwischenverfahrens nicht entgegen, da die der Beschwerde zugrunde liegende Beschleunigungsrüge sich auf die Tätigkeit des Oberlandesgerichts im Beschwerdeverfahren bezogen hat und insoweit keine weitere Beschleunigung erreicht werden kann. Alleiniger Gegenstand einer im zweiten Rechtszug erhobenen Beschleunigungsrüge ist die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht (OLG Karlsruhe FamRZ 2020, 1214). Soweit das Verfahren nunmehr wieder beim Amtsgericht anhängig ist, hat der Kindesvater am 09.02.2022 eine erneute Beschleunigungsrüge eingereicht, über die allerdings nicht in instantieller und funktionaler Zuständigkeit des 5. Familiensenats zu entscheiden ist.

    Eine Feststellungsentscheidung darüber, ob der angefochtene Beschluss über die Verwerfung seiner Beschleunigungsrüge den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, war darüber hinaus nicht zu treffen.

    Soweit der Kindesvater in seinem Schriftsatz vom 18.02.2022 ausführt, dass die Beschleunigungsbeschwerde vor der Verfahrensbeendigung eingereicht worden sei und die Beschleunigungsbeschwerde zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen wäre, ist sein Begehren zwar dahin auszulegen, dass ein Feststellungsausspruch über den ursprünglichen Erfolg seines Rechtsbehelfs im Sinne von § 62 Abs. 1, 2 FamFG beantragt wird.

    Nach dieser Vorschrift spricht das Beschwerdegericht im Falle der Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

    Der Umstand, dass die Erledigung bereits vor Eingang der Beschleunigungsbeschwerde eingetreten ist, steht für sich genommen einer solchen Feststellung nicht entgegen, da § 62 FamFG grundsätzlich auch auf diese Verfahrenskonstellation Anwendung findet (Keidel/Göbel, FamFG, 20. Auflage 2020, § 62 Rn. 10).

    Jedoch hat eine Feststellungsprüfung bei Erledigung einer Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG zu unterbleiben. § 62 FamFG findet insoweit keine Anwendung. Dies ergibt sich aus Systematik und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG wird zwar begrifflich als „Beschwerde“ bezeichnet, stellt aber einen „eigenständigen präventiven Rechtsbehelf“ dar (BT-Drs. 18/9092, Bl. 16; vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Auflage 2020, § 155c Rn. 1: „besonders ausgestaltete Beschwerde“), der in seiner sich unmittelbar aus der Vorschrift ergebenden Ausgestaltung, etwa im Hinblick auf die instantielle Zuständigkeit oder die Ausgestaltung der Verfahrenshandlungen und der Anhörungsrechte vom Verfahren über die Beschwerde gegen eine Endentscheidung nach §§ 58 ff. FamFG deutlich abgehoben wird. Wenn in § 155c Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 FamFG auf einzelne Vorschriften der §§ 58 ff. FamFG eigens verwiesen wird, kommt darin zum Ausdruck, dass das Recht der befristeten Beschwerde keine unmittelbare Anwendung findet und die Beschleunigungsbeschwerde vielmehr in § 155c FamFG abschließend geregelt werden sollte (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2018, 520).

    Eine Fortsetzung des Rügeverfahrens nach Beendigung der Hauptsache entspricht auch nicht dem Zweck der gesetzlichen Regelung in §§ 155 b, c FamFG, der allein auf die Schaffung eines Instruments zur Durchsetzung des Primärrechtsschutzes im Wege der Bewirkung einer Verfahrensbeschleunigung gerichtet ist. Soweit der Beteiligte eines Kindschaftsverfahrens durch dessen überlange Dauer in seinen Rechten verletzt ist, wird dem durch das bereits vor Einführung der Beschleunigungsrüge vorhandene Verfahren über die Verzögerungsrüge nach § 198 GVG ausreichend Rechnung getragen, in welchem nach § 198 Abs. 4 GVG ein Feststellungsausspruch zugunsten des Betreffenden dahin ergehen kann, dass die Dauer des Verfahrens unangemessen war (OLG Karlsruhe, a.a.O.).

    Soweit der Beschwerdeführer sein Feststellungsinteresse ausdrücklich auf die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten stützt, kann er hiermit nicht durchdringen. Allein die durch ein Gerichtsverfahren verursachte Kostenlast begründet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Rechtsverletzung (BGH NJW-RR 2012, 651). Dem Kosteninteresse des Beteiligten kann ohne weiteres im Rahmen der auf die Erledigung hin zu treffenden Kostenentscheidung Rechnung getragen werden. Für die vorliegende Konstellation ist zudem auf das Folgende hinzuweisen: Der Beschwerdeführer hätte sein Rechtsmittel gebührenfrei zurücknehmen können, da die Festgebühr nach Nr. 1912 KV FamGKG im Falle einer Rücknahme nicht anfällt. Selbst bei einem Erfolg seines Rechtsmittels hätte er überdies keine demgegenüber vorteilhaftere Kostenentscheidung erreichen können, denn in einem zwischen den Beteiligten nicht kontradiktorisch geführten Zwischenverfahren (zum Charakter des Verfahrens nach §§ 151b, c FamFG als auf das Verfahrensrecht beschränktes Zwischenverfahren Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Auflage 2020, § 155b Rn. 2), das lediglich die Art und Weise der Verfahrensführung des Gerichts zum Gegenstand hat, ergeht im Falle eines erfolgreichen Antrags keine gesonderte Kostenentscheidung, sondern die entstandenen Kosten sind als solche des Hauptsacheverfahrens auszugleichen (vgl. BGH FamRZ 2006, 1268; vgl. speziell zur Beschleunigungsbeschwerde Schneider, NZFam 2020, 431). Der Beschwerdeführer hätte damit insbesondere eine isoliert auszusprechende Kostenbelastung der Gegenseite mit seinen gerichtlichen oder außergerichtlichen Kosten von vorneherein nicht erreichen können.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Nach dieser Vorschrift hat derjenige Beteiligte, der einen erfolglosen Rechtsbehelf eingelegt hat, grundsätzlich die hierdurch entstandenen Kosten zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass von dieser Regelfallbewertung vorliegend abzuweichen wäre, liegen nicht vor. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die Beschleunigungsbeschwerde Erfolg gehabt hätte, wenn sie vor Erlass der instanzbeendenden Entscheidung eingegangen wäre. Es entspricht bereits nach dem Rechtsgedanken des Nr. 1912 KV FamGKG nicht der Billigkeit, von einer Kostenbelastung zugunsten des Beteiligten abzusehen, der das Erfordernis einer gerichtlichen Entscheidung über seinen Rechtsbehelf herbeiführt, obwohl er diesen hätte zurücknehmen können, ohne dass ihm hieraus Kosten entstanden wären.

    Eine Wertfestsetzung im Hinblick auf die zu erhebende Gerichtsgebühr ist nicht angezeigt, da Nr. 1912 KV FamGKG eine Festgebühr vorsieht.

    Grün Dr. Bussian Maruhn