OLG Frankfurt vom 14.11.2013 (5 WF 251/13)

Stichworte: Verfahrenskostenhilfe, sofortige Beschwerde; mündliche Erörterung; einstweilige Anordnung, sofortige Beschwerde; Erfolgsaussicht; Aufenthaltsbestimmungsrecht;
Normenkette: FamFG 57 Satz 2; FamFG 76 Abs. 2, ZPO 127;
Orientierungssatz: Die sofortige Beschwerde gegen eine die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ablehnende Entscheidung wegen mangelnder Erfolgsaussicht in einem einstweiligen Anordnungsverfahren ist im Falle einer Katalogsache nach § 57 Satz 2 FamFG auch dann statthaft, wenn noch keine mündliche Erörterung stattgefunden hat.

309 F 1481/13
AG Offenbach am Main

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache betreffend die elterliche Sorge ...

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 16.09.2013, Nichtabhilfebeschluss vom 11.10.2013, am 14.11.2013 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beteiligten sind die Eltern des minderjährigen Kindes A. Das Kind lebt in der Obhut seiner Mutter, welche die alleinige elterliche Sorge ausübt. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet, die Trennung erfolgte vor der Geburt des Kindes.

Der Kindesvater begehrt in Parallelverfahren im Wege der Hauptsache und der einstweiligen Anordnung die Regelung des Umgangs, da ihm dieser nach seinen Angaben von der Kindesmutter seit Mai 2013 verweigert wird. Ferner war ein Hauptsacheverfahren zum Sorgerecht anhängig, welches mit Beschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 07.10.2013 beendet wurde. Im Rahmen des Sorgerechtsverfahrens beantragte der Antragsteller zunächst die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, im Laufe des Verfahrens stellte er seinen Antrag dahingehend um, dass er lediglich begehrte, die gemeinsame elterliche Sorge anzuordnen. Dieser Antrag wurde mit dem o. g. Beschluss zurückgewiesen. Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, da die Kindesmutter verhindere, dass das Kind zu Besuchszwecken zu ihm komme. Sie sehe nicht das Wohl des Kindes und habe das alleinige Recht somit verwirkt. Der Kindesvater sei in der Lage das Aufenthaltsbestimmungsrecht wahrzunehmen und würde der Kindesmutter das Recht am Besuch des Kindes einräumen.

Das Amtsgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, da ein Rechtsschutzbedürfnis für ein dringendes Tätigwerden des Gerichts vor dem Hintergrund des schon eingeleiteten Hauptsacheverfahrens nicht erkennbar sei, zumal der gerügte Zustand bereits seit Mai 2013 bestehe.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor, dass der Antragsteller nicht in der Lage gewesen sei früher Kontakt aufzunehmen, da die Kindesmutter dies mit allen Mitteln verhindert habe. Als diese auf anwaltliche Schreiben nicht reagiert habe, sei der Antrag geboten gewesen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß §§ 51 Abs. 4, 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff ZPO statthaft.

Generell ist die ablehnende Verfahrenskostenhilfeentscheidung gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 bis 4 ZPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, mit Ausnahme der in § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelten Fälle. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ein Rechtsmittel im Prozesskostenhilfeverfahren wegen Versagung mangels Erfolgsaussicht auch dann nicht statthaft, wenn in der Hauptsache ein Rechtsmittel aus anderen Gründen als der nicht erreichten Wertgrenze nicht statthaft ist (vgl. BGH, FamRZ 2011, 1138 m.w.N.). Mit der Regelung sollen einander widersprechende Entscheidungen bzw. eine Präjudizierung der nicht anfechtbaren Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichtes durch die im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergangene Entscheidung des Rechtsmittelgerichts vermieden werden (vgl. BGH aaO). Diese Beschränkung der Rechtsmittel im Bereich der Verfahrenskostenhilfe-entscheidungen gilt grundsätzlich auch im einstweiligen Anordnungsverfahren. Gemäß § 57 Satz 1 FamFG sind Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht anfechtbar. Eine Ausnahme sieht das Gesetz in den im Katalog des § 57 Satz 2 FamFG genannten Bereichen vor, soweit die Entscheidung nach mündlicher Erörterung erging. Vorliegend handelt es sich inhaltlich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren im Sinne des § 57 Satz 2 Ziffer 1 FamFG, allerdings fand bislang keine mündliche Erörterung statt. Die Frage, ob in dieser Konstellation die ablehnende Verfahrenskostenhilfeentscheidung anfechtbar ist, wird obergerichtlich nicht einheitlich beantwortet.

Nach einer Auffassung ist die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht nur dann anfechtbar, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs aufgrund mündlicher Erörterung entschieden hat (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2013, 1326 f; FamRZ 2011, 399; OLG Celle, FamRZ 2011, 918 f sowie im Ergebnis OLG Nürnberg, FamRZ 2013, 569). Mitunter wird differenziert, ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter der Bedingung der vorherigen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt wurde, da für diesen Fall ausnahmsweise die sofortige Beschwerde als statthaft erachtet wird (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2013, 1326).

Es wird hiervon abweichend vertreten, dass eine mündliche Erörterung nicht bereits stattgefunden haben muss, allerdings Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist, dass ein Antrag auf erneute Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG bereits gestellt ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 24.08.2011 zu Az. 4 WF 156/11).

Nach anderer, seitens des Senats geteilter Auffassung, ist bei den in § 57 Satz 2 FamFG genannten Familiensachen auch ohne vorherige mündliche Erörterung die sofortige Beschwerde gegen eine wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnte Verfahrenskostenhilfebewilligung statthaft (vgl. OLG Bremen, FamFR 2013, 281, OLG Frankfurt, FamFR 2012, 545). Die zu vermeidende Gefahr des Präjudizes sowie die Gefahr von widerstreitenden Entscheidungen bei fehlendem Rechtsmittel gegen die einstweilige Sachentscheidung ist im Falle der Katalogsachen des § 57 Satz 2 FamFG nicht gegeben, da diese generell anfechtbar sind. Es steht den Beteiligten frei, soweit die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, den Antrag gemäß § 54 Abs. 2 FamFG zu stellen und somit auch die vorläufige Sachentscheidung der Überprüfbarkeit durch das Rechtsmittelgericht zugänglich zu machen. Auch ist zu berücksichtigen, dass bei anderer Beurteilung im Hinblick auf die Rechtsmittelfrist der sofortigen Beschwerde der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erst zeitnah vor einer mündlichen Verhandlung gestellt werden dürfte, damit die bedürftige Partei dem Rechtsmittel nicht verlustig ginge. Dies widerspräche dem Gebot der Gleichstellung der bemittelten mit der unbemittelten Partei gemäß Art. 3 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die kostenarme Partei wäre unter Umständen gezwungen, das Verfahren zunächst ohne anwaltlichen Beistand bis zum Termin zu führen, um nicht durch frühzeitige Stellung des Verfahrenskostenhilfeantrags und der Gefahr einer insoweit ablehnenden Entscheidung, den Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang zu setzen und im Falle des Ablaufs der Frist vor einer mündlichen Verhandlung der Anfechtungsmöglichkeit verlustig zu werden. Soweit dieser Auffassung entgegen gehalten wird, es sei fraglich, ob der Gesetzgeber dem Verfahrenskostenhilfebedürftigen betreffend der Erfolgsaussichten die zweite Instanz eröffnen wolle, die allen anderen Beteiligten gemäß § 57 FamFG vor der mündlichen Verhandlung versagt sei, vermögen diese Bedenken nicht zu überzeugen. Soweit eine unzweifelhaft statthafte sofortige Beschwerde gegen eine ablehnende Verfahrenskostenhilfeentscheidung nicht im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, sondern im Zuge eines Hauptsacheverfahrens erhoben wird, wird auch hier vor einer mündlichen Verhandlung die Überprüfbarkeit durch die Rechtsmittelinstanz eröffnet.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Für das Verfahren der einstweiligen Anordnung auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts kann keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, da die diesbezügliche Begehr mittlerweile seitens des Antragstellers nicht mehr aufrechterhalten wird. Der Antragsteller hat im Hauptsacheverfahren nach mündlicher Verhandlung am 30.08.2013 seinen Antrag auf Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge beschränkt und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine alleinige Entscheidungsbefugnis nicht mehr begehrt wird. Die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag, der inhaltlich nicht mehr verfolgt werden soll, kann nicht erfolgen. Es ist für die Frage der Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht auf den Eingang des Antrags, welcher frühestens am 31.Juli 2013 vorliegen konnte, abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Generell ist insofern als Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten auf die Beschlussfassung, somit auf den 16.09.2013 abzustellen, es sei denn, die Beschlussfassung wäre pflichtwidrig verzögert worden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vor dem erteilten rechtlichen Hinweis sowie vor Ablauf der Stellungnahmefrist der Gegenseite, welcher rechtliches Gehör zu gewähren war, konnte keine Entscheidung ergehen. Zu diesem Zeitpunkt strebte der Antragsteller jedoch bereits nicht mehr die Alleinsorge an.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 51 Abs. 4, 84, 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

Ostermöller Albrecht Möller