OLG Frankfurt vom 05.12.2008 (5 WF 203/04)

Stichworte: Verfahrenspfleger; Teilnahme an der Hauptverhandlung im Jugendstrafverfahren.;
Normenkette: FGG 50 Abs. 5 i.V.m. FGG 67 Abs. 3 S. 3, 56g Abs. 5 S. 1
Orientierungssatz:
  • Zu Den Aufgaben des Verfahrenspflegers
  • Der Verfahrenspfleger ist nur für das Sorgerechtsverfahren und nicht für das Jugendgerichtsverfahren bestellt worden. Die Teilnahme an der Hauptverhandlung im Strafverfahren geht über seine Aufgaben und Befugnisse hinaus, wenngleich der Strafprozess von wesentlicher Bedeutung für die Zukunft des Minderjährigen war und das weitere sorgerechtliche Verfahren erheblich beeinflusst hat
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Verfahrenspflegers gegen den Vergütungsfest-setzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 14.10.2003 (Nichtabhilfeentscheidung vom 11.11.2003) am 05.12.2008

    Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss wird abgeändert, soweit dort die Festsetzung der Vergütung für einen Besuch des Minderjährigen durch den Verfahrenspfleger am 10.02.2003 (45 Minuten) und am 03.03.2003 (90 Minuten) abgelehnt worden ist. Das Amtsgericht wird angewiesen, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die entsprechende Vergütung zusätzlich festzusetzen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kos-ten sind nicht zu erstatten

    Gründe:

    Der für den damals Minderjährigen gerichtlich bestellte Verfahrenspfleger hat mit seinem Tätigkeitsnachweis vom 01.04.2003 eine Vergütung von insgesamt 1.022,04 EUR für die Zeit vom 18.11.2002 bis 31.03.2003 zur Festsetzung angemeldet. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss lediglich 806,28 EUR festgesetzt. Entsprechend einer zuvor eingeholten Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 21.07.2003 (Bl. 60, 60 Rückseite d. A.) hat es die Teilnahme des Verfahrenspflegers an einem Hauptverhandlungstermin des Jugendschöffengerichts (225 Minuten), wo gegen den Minderjährigen eine Strafsache verhandelt worden ist, einen Besuch des Minderjährigen in der Haftzelle am 10.02.2003 sowie weiter ein Treffen mit ihm am 03.03.2003 (90 Minuten) als nicht berücksichtigungsfähig bei der Vergütung abgesetzt.

    Die Beschwerde ist gemäß § 50 Abs. 5 i.V.m. §§ 67 Abs. 3 S. 3, 56g Abs. 5 S. 1 FGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist zum Teil begründet. Festzusetzen war der Zeitaufwand für den Besuch des Minderjährigen in der Haftzelle am 10.02.2003 (45 Minuten) und weiter der Zeitaufwand für ein Treffen mit ihm am 03.03.2003 (90 Minuten). Nicht festgesetzt werden kann allerdings der Zeitaufwand für die Teilnahme an der Strafverhandlung am 04.02.2003 (225 Minuten).

    Die Besuche des Minderjährigen am 10.02.2003 und am 03.03.2003 sind von der Aufgabenstellung des Verfahrenspflegers gedeckt.

    Seine Aufgabe besteht darin, als Anwalt des Kindes aufzutreten und den Kindeswillen in das Verfahren einzubringen sowie die Interessen des Kindes aus seiner Sicht zu formulieren. Um dieser Funktion als Sprachrohr des Kindes zu genügen, muss er sich in erster Linie darum bemühen, mit dem Kind, dessen Interessen er zu vertreten hat, in Kontakt zu treten und sein Vertrauen zu gewinnen. Weiterhin muss er auch Informationen sammeln durch Gespräche mit Bezugspersonen und beteiligten Institutionen (Eltern, Jugendamt, Mitarbeitern der sozialpädagogischen Familienhilfe, Jugendgerichtshilfe, Lehrern, Ärzten usw.), damit er die in deren Feststellungen zu Tage tretenden Kindesinteressen erkennen und vertreten kann. Angesichts der außerordentlichen Problemstellung, die vom Verfahrenspfleger in seinen Stellungnahmen vom 07.08.2003 (Bl. 75 d.A.) vom 14.10.2003 (Bl. 87 d.A.) und vom 18.10.2004 (Bl. 200 d.A.) ausführlich dargestellt worden ist, bedurfte es wegen der andauernden und erheblichen Delinquenz des Minderjährigen und der Notwendigkeit, sich jeweils auf die neue Situation einzustellen, häufiger Gespräche, auch in der Haftzelle. Der Aufwand des Verfahrenspflegers muss im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung betrachtet werden und ist nicht deswegen schon unangemessen, weil er wegen besonderer Umstände des Falles höher einzuschätzen ist. Für die Annahme des Bezirksrevisors, der Verfahrenspfleger habe zwischen den Beteiligten vermittelt und deswegen die Besuche des Minderjährigen durchgeführt, besteht kein Anhaltspunkt.

    Allerdings kann der Zeitaufwand für die Teilnahme an der Strafverhandlung am 04.02.2003 (225 Minuten) nicht berücksichtigt werden (so auch OLG München FamRZ 2002, 563).

    Der Verfahrenspfleger ist nur für das Sorgerechtsverfahren und nicht für das Jugendgerichtsverfahren bestellt worden. Die Teilnahme an der Hauptverhandlung im Strafverfahren geht über seine Aufgaben und Befugnisse hinaus, wenngleich der Strafprozess von wesentlicher Bedeutung für die Zukunft des Minderjährigen war und das weitere sorgerechtliche Verfahren erheblich beeinflusst hat. Über die Ergebnisse der Hauptverhandlung hätte der Verfahrenspfleger sich auch durch Anruf beim Gericht oder Jugendamt informieren können. Die Betreuung des Jugendlichen im Jugendgerichtsverfahren und die Entwicklung von Vorschlägen, welche erzieherische Maßnahmen als Ahndung geeignet erscheinen, obliegt der Jugendgerichtshilfe (§ 38 Abs. 2 JGG). Dem Minderjährigen war ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Sollte das Jugendgericht die Teilnahme des Verfahrenspflegers für angezeigt gehalten haben, so hätte es ihn als Begleitperson oder Zeugen laden können mit der Folge, dass er für sein Erscheinen im Termin vom Jugendgericht entschädigt worden wäre. Wäre seine Teilnahme mit dem Familiengericht abgesprochen gewesen, so wäre der Zeitaufwand zumindest aus Vertrauensgesichtspunkten berücksichtigungsfähig gewesen. In seinem Amt als Verfahrenspfleger im Sorgerechtsverfahren war der Aufwand nicht angezeigt.

    Held Schwamb Albrecht