OLG Frankfurt vom 09.11.2004 (5 WF 190/04)

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Einsatz des Vermögens (hier: Lebensversicherung), Ratenzahlung
Normenkette: ZPO 115 Abs. 2
Orientierungssatz: Erforderlichkeit einer Einzelfallprüfung, ob der Einsatz des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung für die Prozesskosten zumutbar ist.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen (Der Einzelrichter) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 3.8.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 28.7.2004 (Nichtabhilfeentscheidung vom 5.8.2004) am 9. November 2004 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und zur Wahrnehmung ihrer Rechte Rechtsanwältin XYZ. zu den Bedingungen ortsansässiger Anwälte beigeordnet.

Auf die entstehenden Prozesskosten hat die Antragstellerin Ratenzahlungen von monatlich 30,- EUR jeweils am 5. eines Monats ab Dezember 2004 an die Staatskasse zu leisten.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren, das auch Erfolgsaussicht hat, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Antragstellerin muss den Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung, der nach ihren Angaben ca. 11.000 EUR betragen soll (nach der vorgelegten Police wären es allerdings nur 11.635 DM), nach Auffassung des Senats nicht zur Bestreitung der Prozesskosten einsetzen, weil dies im konkreten Einzelfall nicht gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO zumutbar erscheint. Nach der bis vor einiger Zeit noch herrschenden Meinung (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Auflage, §115 Rdn. 58 c, Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Auflage, § 115 Rdn. 60, OLG Bamberg, Jur. Büro 1991, 977, vgl. ferner auch die Andeutung in BGH VersR 2000, 383 f., 384 am Ende) war der Rückkaufswert einer Lebensversicherung in der Regel kein einzusetzendes Vermögen. Die im Vordringen befindliche Gegenmeinung, der das Amtsgericht gefolgt ist, hält den Rückkaufswert einer Lebensversicherung grundsätzlich für einsetzbar, wenn die Schongrenze nach § 88 BSHG überschritten ist (OLG Frankfurt am Main, 2. Senat für Familiensachen, EzFamR aktuell 2002, 46, Kammergericht, FamRZ 2003, 1394 f., OLG Köln, FamRZ 2004, 382, VGH Baden-Württemberg, Justiz 2003, 38 ff. mit weiteren Nachw.). Zahlreiche Gerichte, die zwar tendenziell der einen oder der anderen Meinung mehr zuneigen, prüfen jedoch im Einzelfall besonders, ob eine Lebensversicherung nach den konkreten Umständen des Falles als einsatzpflichtiges Vermögen einzusetzen ist, wobei z.B. die Sicherung der Altersversorgung (OLG Hamburg, FamRZ 2001, 925 ff, OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 598, Hess. Finanzgericht, EFG 1996, 199 f.), der wirtschaftliche Verlust der Auflösung einer Lebensversicherung (OLG Köln, FamRZ 2001, 632 ff.), aber auch die mögliche Abdeckung der Prozesskosten durch Ratenzahlungen aus dem Einkommen bei der Abwägung eine Rolle spielen (ArbG Regensburg, RPfleger 1994, 70 f.). Bei der auch vom Senat für erforderlich gehaltenen Einzelfallprüfung der Zumutbarkeit des Einsatzes einer Lebensversicherung kann die Antragstellerin vorliegend darauf verweisen, dass sie wegen der Erziehung eines minderjährigen Kindes nur teilzeiterwerbstätig sein kann und schon von daher eine zusätzliche Altersversorgung, der die Lebensversicherung dienen soll, sinnvoll erscheint. Eine Beleihung dieser Lebensversicherung ist nach der vorliegenden Police nur zum Zwecke des Erwerbs von Wohneigentum vorgesehen. Die Lebensversicherung besteht ferner noch keine 12 Jahre, so dass ihr Rückkauf nicht nur wirtschaftlich ungünstig wäre, sondern auch noch die Steuerfreiheit der Gewinnanteile entfiele. Andererseits ist die Antragstellerin, wenn sie die hiernach erhaltungswürdige Lebensversicherung zumutbar eine gewisse Zeit beitragsfrei stellt, nach ihren Einkommensverhältnissen in der Lage, jedenfalls einen wesentlichen Teil der voraussichtlichen Prozesskosten über Ratenzahlungen aufzubringen, so dass ihr auch deswegen die vorzeitige Auflösung bzw. der Rückkauf der Lebensversicherung nicht zuzumuten ist und zunächst einmal Prozesskostenhilfe gewährt wird.

Die festgesetzten monatlichen Raten von 30,- EUR resultieren aus folgender Berechnung. Die Antragstellerin erzielt inzwischen ein Nettoeinkommen von monatlich 1.544,85 EUR, das sich durch Urlaubsgeld und 13. Gehalt um etwa 125 EUR erhöht. Die ihr (selbst) zustehende Hälfte des Kindergeldes in Höhe von 77 EUR wird ihr nach der Rechtsprechung des Senats ebenfalls als Einkommen zugerechnet, so dass ihr zunächst 1.746,85 EUR zur Verfügung stehen. Die andere Hälfte des Kindergeldes benötigt sie in Höhe von 69 EUR zur Auffüllung des Barunterhalts (von 200 EUR) auf 135 % des Regelbetrags (269 EUR). Angesichts dieses Betrags für das Kind K. ist dann kein Unterhaltsfreibetrag (256 EUR) mehr in Abzug zu bringen. Als besondere Aufwendungen für K. kann sie im Hinblick auf ihre Berufstätigkeit aber noch den Kindergartenbeitrag von 72,64 EUR abziehen, so dass 1.674,21 EUR verbleiben. Diese können um die 248,40 EUR berufsbedingte Fahrtkosten und die Versicherungsbeiträge (jedoch ohne die vorübergehend beitragsfrei zu stellende Lebensversicherung, dazu s.o.) von mtl. 17,87 EUR bereinigt werden, ferner um die Wohnkosten von mtl. 828,15 EUR, den Erwerbstätigenbonus von 149 EUR und den persönlichen Freibetrag von 364 EUR. Von den danach noch einzusetzenden 66,79 EUR sind gemäß der Tabelle zu § 115 ZPO monatliche Raten von 30 EUR zu entrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 3 GKG (n.F.), § 127 Abs. 4 ZPO.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen keine Gründe gemäß § 574 Abs. 2 und 3 ZPO.

Schwamb