OLG Frankfurt vom 18.08.1999 (5 WF 167/98)

Stichworte: Fristlauf, Anfechtungsrecht der Mutter Rechtsfrage, zweifelhafte, PKH
Normenkette: BGB 1600b, 1600h Abs.1 a.F.
Orientierungssatz: Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des im übrigen im Gesetzgebungsverfahren in seinen Voraussetzungen umstrittenen Anfechtungsrechtes der Mutter, dieses gleichzeitig den einheitlichen Anfechtungsfristen des § 1600 b BGB unterstellt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß beabsichtigt war, für die nun anfechtungsberechtigten Mütter die durch Zeitablauf geschlossene Statusfrage der Kinder wieder für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes zu öffnen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts- Familiengerichts- Wiesbaden vom 21.09.1998 (Nichtabhilfebeschluß vom 22.10.1998) am 18. 08. 1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Die Klägerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen( §§ 1,11 GKG i.V.m. Nr. 1952 KV); außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (127 Abs.4 ZPO)

G r ü n d e

Die Klägerin, Mutter des 1993 geborenen Kindes K., hat um Prozeßkostenhilfe nachgesucht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage, mit der sie, gestützt auf das ihr seit 01.07.1998 als Mutter zustehende Anfechtungsrecht, die Vaterschaft des Beklagten, ihres seit 1994 geschiedenen Ehemannes, zu dem Kind anfechten will.
BR Zur Begründung ihrer Klage führt sie aus, daß das Kind nicht vom Beklagten abstammen könne, da dieser ihr zuletzt 1991 bzw. Anfang 1992 beigewohnt habe. Mit Beschluß vom 21.09.1998 hat das Amtsgericht - Familiengericht- Wiesbaden das Prozeßkostenhilfegesuch der Klägerin mangels Erfolgsaussicht ihrer Klage mit der Begründung zurückgewiesen, die Anfechtungsfrist gem. § 1600b BGB sei verstrichen.
BR Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
BR Diese nach § 127 Abs.2 S.2 ZPO zulässige Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
BR Denn das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht ihrer Vaterschaftsanfechtungsklage nach § 114 ZPO versagt, da schon nach ihrem eigenen Vortrag die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft des Beklagten zu ihrem Kind von zwei Jahren nach §1600 b BGB im Zeitpunkt der Klageeinreichung seit mehreren Jahren verstrichen war, wenn sie selbst angibt, daß der letzte Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten Anfang 1992, also deutlich vor der Empfängiszeit für das Kind stattgefunden habe, so daß ihr bereits seit der Geburt des Kindes (§ 1600b Abs.2 BGB) im Jahr 1993 bekannt war, daß der Beklagte nicht der Vater des Kindes ist.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn mit der Schaffung eines eigenen Anfechtungsrechtes der Mutter durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz in § 1600 BGB mit Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.07.1998 erst ab diesem Zeitpunkt die Anfechtungsfrist für die Mutter nach § 1600 b BGB zu laufen begonnen hätte, da sie zuvor keine rechtliche Möglichkeit hatte, aus eigenem Recht die Vaterschaft anzufechten.
BR Dies ist jedoch eindeutig nicht der Fall.
BR Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des im übrigen im Gesetzgebungsverfahren in seinen Voraussetzungen umstrittenen Anfechtungsrechtes der Mutter, dieses gleichzeitig den einheitlichen Anfechtungsfristen des § 1600 b BGB unterstellt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß beabsichtigt war, für die nun anfechtungsberechtigten Mütter die durch Zeitablauf geschlossene Statusfrage der Kinder wieder für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes zu öffnen. Dies würde dem Sinn der Anfechtungsfrist zuwiderlaufen, nämlich die Abstammung des Kindes nur einen gewissen Zeitraum zur Überprüfung zu stellen, um danach die rechtlichen und faktischen Beziehungen des Kindes zu schützen.

Jedenfalls hätte der Gesetzgeber, hätte er die Absicht gehabt, für nunmehr anfechtungsberechtigte Mütter eine bereits abgelaufene Anfechtungsfrist mit Inkrafttreten des Gesetzes ab 01.07.1998 wieder neu in Lauf zu setzen, dies in einer Übergangsvorschrift ausdrücklich regeln müssen. Dies ist nicht aber nicht geschehen. Allerdings ist in Art 224 § 1 Abs.4 EGBGB für die durch das Kindschaftsrechtreformgesetz erweiterte Anfechtungsmöglichkeit des Kindes eine derartige Regelung geschaffen worden, was im Umkehrschluß zwingend die Annahme bestätigt, daß eine entsprechende Erweiterung der Anfechtungsfrist in der Übergangszeit für die ab 01.07.1998 anfechtungsbrechtigten Mütter nicht beabsichtigt war.

Das Oberlandesgericht Stuttgart (FamRZ 1999, 1003 = MDR 1999, 872) weist auch daraufhin, daß im Rahmen der Ausgestaltung des Anfechtungsrecht der Mutter vom Rechtsausschuß des Bundestages darauf abgestellt wurde, daß die Mutter von ihrem Anfechtungsrecht in der Regel nur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre des Kindes Gebrauch machen könne, innerhalb dieses Zeitraums könnten sich persönliche Bindungen des Kindes zu seinem Vater noch nicht in einem solchen Maße entwickeln, daß ein etwa vorhandenes Interesse des Kindes am Fortbestand der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse der Mutter überwiegen könnte.
BR Die vorliegende Konstellation ist im übrigen nicht vergleichbar mit der des sein Vaterschaftsanerkenntnis anfechtenden Mannes, für den nach altem Recht die Anfechtungsfrist von einem Jahr galt (vgl. § 1600 h Abs.1 a.F. BGB)und dem nunmehr nach § 1600b BGB die zweijährige Anfechtungsfrist zusteht, was dazu führen kann, daß die zum 01.07.1998 abgelaufene Frist von einem Jahr unter Berücksichtigung der neuen Zweijahresfrist wieder zu laufen beginnt (so OLG Köln FamRZ 1999,800,801), da hier nicht gemäß Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB eine Frist für ein bestehendes Anfechtungsrecht des Vaters verlängert worden ist, sondern die ab 01.07.1998 anfechtungsberechtigten Mütter von vornherein dieser Zweijahresfrist des § 1600b BGB unterstellt sind und ihr neu geschaffenes Anfechtungsrecht dieser Frist ab der Kenntnis der Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen, unterliegt.

Es handelt sich insoweit auch nicht um eine zweifelhafte Rechtsfrage, deren Entscheidung dem Klageverfahren vorzubehalten ist ( vgl.Zöller/Philippi ZPO 21.Aufl. § 114 Rz.21;OLG Frankfurt FamRZ1993,1333), sondern um eine eindeutig aus dem Gesetzeszusammenhang zu beantwortende Frage, die bereits bei der Entscheidung über die Erfolgsaussicht der Klage im Rahmen der Prozeßkostenhilfeprüfung Berücksichtigung finden muß.

Dr. Hartleib Held Schweitzer