OLG Frankfurt vom 02.09.1999 (5 WF 162/98)

Stichworte: Unterhaltsanspruch, Versorgungsausgleich, Auswirkungen, Zwangsvollstreckungsgegenklage, Zulässigkeit juristisches Wissen, präsentes
Normenkette: ZPO 767, 323, BGB 1587b
Orientierungssatz: Der Rentenanspruch, den ein unterhaltsberechtigter geschiedener Ehegatte aufgrund des bei der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs erlangt, führt in entsprechendem Umfang zum Wegfall des rechtskräftig zuerkannten Unterhaltsanspruchs (vergleiche BGH, 1982-02-17, IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278). Der (teilweise) Wegfall des Unterhaltsanspruchs kann mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen das Unterhaltsurteil geltend gemacht werden (BGH FamRZ 1988, 1156-1158).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein/Ts. vom 29.09.1998 am 02.09.1999 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 2.496,00 DM.

Gründe

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem (Unterhalts-) Vergleich vom 25.04.1989 (AG Gütersloh, 16 F 421/88) zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Zwangsvollstreckungsgegenklage sei unschlüssig. Der Kläger könne den Bezug der Rente durch die Beklagte, insoweit diese auf dem zwischen den Parteien durchgeführten Versorgungsausgleich beruhe, nicht im Wege der Zwangsvollstreckungsgegenklage geltend machen, vielmehr seien Leistungsfähigkeit und Unterhaltsbedürftigkeit beider Parteien im Wege einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO zu beurteilen; diese Möglichkeit hätte die Parteien aber in ihrem Vergleich ausdrücklich ausgeschlossen.

Beschlüsse im Verfahren nach § 769 ZPO sind nach der ständigen Rechtsprechung der Frankfurter Senate für Familiensachen mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar (vgl.: OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1982, 736).

Die vorliegende Beschwerde ist danach statthaft und auch im übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 793, 577 ZPO).

In der Sache selbst sind Beschlüsse im Verfahren nach § 769 ZPO durch das Beschwerdegericht jedoch nur beschränkt überprüfbar. Sie können nur darauf überprüft werden, ob greifbare Gesetzesverstöße und grobe Ermessensfehler vorliegen (OLG Frankfurt am Main, a.a.O.).

Auf einem solchen greifbaren Gesetzesverstoß beruht die angegriffene Entscheidung. Sie war aufzuheben und die Sache war an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zurückzuverweisen. Der Senat entscheidet nicht selbst, weil er in der nach seiner Auffassung maßgeblichen Fragestellung der Entscheidung des Amtsgerichts nicht vorgreifen will.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts führt der Bezug einer Rente durch den Unterhaltsberechtigten, soweit sich ein zwischen den Parteien durchgeführter Versorgungsausgleich auswirkt, in dieser Höhe zu einer Deckung des Unterhaltsbedarfs. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, auf die der Kläger zutreffend hinweist. Danach führt der Rentenanspruch, den ein unterhaltsberechtigter geschiedener Ehegatte aufgrund des bei der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleichs erlangt, in entsprechendem Umfang zum Wegfall des rechtskräftig zuerkannten Unterhaltsanspruchs (vergleiche BGH, 1982-02-17, IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278). Der (teilweise) Wegfall des Unterhaltsanspruchs kann mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen das Unterhaltsurteil geltend gemacht werden (FamRZ 1988, 1156-1158). Diese Rechtsprechung steht nicht im Widerspruch zu der von dem Amtsgericht zitierten Entscheidung des 4. Senats des OLG Frankfurt am Main (FamRZ 93, 811). In jenem Fall ging es um das Zusammentreffen von Abänderungsgründen beim Rentenbezug und gleichzeitig darum, wie sich der auf dem Versorgungsausgleich beruhende Teil des Rentenbezugs auf den Unterhaltsanspruch auswirkt. In solchen Fällen ist es praktisch geboten, die Einwände in einem Rechtsbehelf zusammenzufassen und die Parteien zur Klärung des Unterhaltsverhältnisses nicht auf verschiedene Rechtsbehelfe zu verweisen. In der Sache ging es darum, entsprechend der Rechtsprechung des BGH ( FamRZ 1988, 819; 1989, 161) den die Bedürftigkeit mindernden Effekt eines Rentenbezugs aus dem Versorgungsausgleich auf das Niveau des ehelichen Bedarfs (§ 1578 BGB) vor dem Rentenbezug zu belassen. Hier geht es aber alleine darum, wie sich ein Rentenbezug, soweit er auf dem Versorgungsausgleich beruht, auf den Zahlbetrag der Unterhaltsrente nach dem Vergleich auswirkt. Eine Abänderung des Vergleichs nach § 323 ZPO haben die Parteien aber ausgeschlossen, soweit nicht eine Änderung des Index über die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit alleinverdienendem Haushaltsvorstands über 10% in Frage steht.

Das Amtsgericht hat dem Kläger daher aufgrund unzutreffender Rechtsansicht verwehrt, den Einwand geltend zu machen, insoweit es den Rechtsbehelf der Zwangsvollstreckungsgegenklage für nicht gegeben erachtet. Dies führt wegen des weitgehenden vertraglichen Ausschlusses des Abänderungsrechts nach § 323 ZPO zu einer erheblichen Rechtsbeeinträchtigung des Klägers außerhalb des Ermessensrahmens bei den Verfahren nach § 769 ZPO.

Allerdings kann die Verweigerung der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht kommen, wenn die Parteien entgegen dem Wortlaut des Vergleichs ("Eine weitere Abänderung der Vereinbarung nach § 323 ZPO ist ausgeschlossen") übereinstimmend auch solchen Veränderungen keine abändernde Wirkung auf den Unterhaltszahlbetrag zukommen lassen wollten, die auf dem Versorgungsausgleich beruhen. Dafür könnte sprechen, daß der Vergleich eine vertragliche Regelung über den Versorgungsausgleich enthält und er im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren abgeschlossen worden ist, mit dem zugleich der öffentlich rechtliche Versorgungsausgleich von Amts wegen durchgeführt wurde. Demnach kann es den Parteien bewußt gewesen sein, daß sich infolge des Versorgungsausgleichs die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt spätestens mit dem Bezug der Altersrente ändern würde und dennoch ohne Änderung der Lebenshaltungskosten der Zahlbetrag beibehalten werden sollte. Hier könnte zusätzlich auch erwogen werden, inwieweit die oben angeführte Rechtsprechung des BGH zum präsenten juristischen Wissen auch der beteiligten Juristen gehört und ob deswegen mit dem Verzicht auf Abänderung auch der Bezug von Renten umfaßt sein soll, der auf dem Versorgungsausgleich beruht.

Der Senat kann dem angefochtenen Beschluß nicht sicher entnehmen, ob das Amtsgericht diese mögliche Reichweite des Abänderungsverzichts erwogen hat und verweist deswegen die Sache an das Amtsgericht zurück.

Dr. Hartleib Schweitzer Held