OLG Frankfurt vom 18.06.2004 (5 WF 156/03)

Stichworte: Unterschrift, Unterhaltstitel, Abänderung Abänderungsantrag, Unterschriftserfordernis
Normenkette: ZPO 652 Abs. 2 BGB 1613 Abs. 2
Orientierungssatz: Zum Unterschriftserfordernis bei einem Antrag auf Abänderung einer Unterhaltsurkunde

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach/Main vom 16.08.2001 - Az.: 314 FH 468/01 - am 18.06.2004 beschlossen

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der neue festgesetzte künftig zu leistende Kindesunterhalt ab 02.06.2001 zu zahlen ist. Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 600,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsgegner ist der Vater des Antragstellers. Mit Urkunde vom 12.03.1996 hat der Antragsgegner die Vaterschaft anerkannt und sich zur Zahlung von Regelunterhalt zuzüglich eines Zuschlags von 25 % abzüglich anteiligen Kindergeldes verpflichtet.

Am 29.12.2000 ging der Antrag des Jugendamtes Offenbach auf Abänderung der ursprünglichen Unterhaltsurkunde ein. Eine handschriftliche Unterschrift unter dem Antrag fehlt. Es wird maschinengeschrieben angegeben: "Im Auftrag XYZ" und darunter "(dieses Schreiben ist manuell angefertigt und bedarf daher keiner Unterschrift)".

Mit Schreiben vom 30.05.2001 wird auf Nachfrage des Gerichts eine neue Anschrift des Antragsgegners mitgeteilt. Dieses Schreiben ist durch einen Mitarbeiter des Jugendamtes der Stadt Offenbach handschriftlich unterzeichnet. Die Antragsschrift wird sodann dem Antragsgegner nach erneuter Mitteilung einer Adresse durch Niederlegung unter der Anschrift X-Straße 27 in X-Stadt am 16.07.2001 zugestellt. Antragsgemäß hat das Amtsgericht Offenbach am 16.08.2001 den Schuldtitel vom 12.03.1996 gemäß Art. 5 § 3 KindUG, § 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz i. V. mit § 655 ZPO dahingehend abgeändert, dass 125 % des Regelsatzes der 1., 2. und 3. Altersstufe zu zahlen sind und das Kindergeld für ein erstes Kind zur Hälfte anzurechnen ist mit der Maßgabe, dass eine Anrechnung insoweit unterbleibt, als der festgesetzte Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrages unterschreitet. Einwendungen gegen den beantragten Beschluss wurden bis zu dessen Erlass durch den Antragsgegner nicht erhoben.

Gegen den am 10.11.2001 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt, die bei Gericht am 21.11.2001 eingegangen ist.

Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss gem. Art. 4, § 2 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts i.V.m. § 655 Abs. 5 ZPO sowie Art. 5, § 3 Abs. 2 Kindesunterhaltsgesetz i.V.m. § 652 Abs. 1 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt.

Der Antragsgegner rügt zunächst, dass für den Zeitraum vor dem 01.12.2001 eine Verpflichtung zur Zahlung erhöhten Unterhaltes nicht bestanden habe, weil kein Verzug eingetreten sei. Dies ist eine nach den Art. 5, § 3 Abs. 2 Kindesunterhaltsgesetz i.V.m. § 648 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 652 Abs. 2 ZPO und Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts (Unterhaltstitelanpassungsgesetz) i.V.m. § 655 Abs. 3, 5 ZPO zulässige Einwendung, die im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden kann. Sie betrifft den Zeitpunkt, von dem an Unterhalt gezahlt werden soll bzw. den der Abänderung. Dem steht nicht entgegen, dass diese Einwendung erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben wird. Zulässige Einwendungen können als Beschwerdegründe auch dann vorgebracht werden, wenn zuvor im Anhörungsverfahren eine Einlassung unterblieben ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl. § 652 Rdnr. 3 und Beschluss des OLG Frankfurt vom 20.04.1999 - Az.: 2 WF 91/99 -).

Der Einwand verfrühter Abänderung des Titels hat auch teilweise Erfolg. Eine Verpflichtung zur Zahlung erhöhten Unterhaltes durch den Antragsgegner hat erst ab 02.06.2001 bestanden.

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob hier eine Abänderung der Unterhaltsurkunde schon für die Zeit nach der Antragstellung (vgl. den Wortlaut des Art. 5 § 3 Abs. 1 des Kindesunterhaltsgesetzes und des § 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz; so OLG Brandenburg in FamRZ 2002, S. 1347) erfolgen kann oder ob dies erst ab dem Zeitpunkt möglich ist, welcher durch die Regelung des § 1613 BGB definiert wird (so OLG Hamm, FamRZ 2002, S. 1048 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.02.2002 - Az.: 4 WF 73/01 -). Denn bei der Anwendung beider Auffassungen ist jeweils als Änderungszeitpunkt der 02.06.2001 anzunehmen.

Zwar ist der Antrag des Jugendamtes auf Abänderung der Urkunde vom 12.03.1996 schon am 29.12.2000 bei Gericht eingegangen. Dieser Antrag war jedoch nicht ordnungsgemäß unterschrieben (zur Notwendigkeit der Unterzeichnung des Antrags vgl. Baumbach-Lauterbach ZPO 62. Aufl. § 646 Rn. 2; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 547; BGH NJW 2001, 1581; siehe auch die Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes NJW 1980, S. 172). Eine Ausnahme käme gem. der §§ 658, 690 Abs. 3 ZPO dann in Betracht, wenn der Antrag in einer nur maschinell lesbaren Form übermittelt worden wäre, z. B. per Diskette und erst durch das Amtsgericht Offenbach selber zu Papier gebracht worden wäre. Dies ist hier aber weder ersichtlich noch vorgetragen. Diese Verletzung des Unterschrifterfordernisses wurde geheilt durch den Schriftsatz des Jugendamtes Offenbach vom 30.05.2001, welcher durch einen Mitarbeiter des Jugendamtes unterschrieben ist und in dem zum Zwecke der Zustellung eine neue Anschrift des Antragsgegners mitgeteilt wird. Dies bringt zum Ausdruck, dass das Verfahren fortgeführt und gefördert wird, und beinhaltet, dass der Antrag auf Einleitung des vereinfachten Verfahrens mit Wissen und Wollen des Jugendamtes zum Gericht gekommen war und dass das Jugendamt die Verantwortung dafür übernimmt (vgl. BGH NJW 1985, S. 328 und Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl. § 253 Rdnr. 161). Durch diese Bestätigung wurde der oben genannte Antrag durch die Unterschrift ersetzende Wirkung komplett. Der Zeitpunkt der Antragstellung ergibt sich damit aus dem Eingangszeitpunkt des Schreibens vom 30.05.2001(vgl. dazu OLG Celle FamRZ 1996, 297; Senat Beschluss vom 13.1.2000-5 UF 177/98). Dies war der 01.06.2001.

Auch bei Anwendung der Regeln des § 1613 BGB ist auf den 02.06.2001 abzustellen, da eine Verschiebung des Datums sich hieraus nicht ergibt. Nach dieser Vorschrift kann Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden, wenn der Verpflichtete in Verzug gekommen ist, der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist oder er zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen. Ohne diese Einschränkungen kann für die Vergangenheit Erfüllung verlangt werden, wenn der Berechtigte aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltsverpflichteten fallen, an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war (§ 1613 Abs. 2 Nr. 2b BGB). Dies ist hier der Fall. In den am 29.12.2000 eingegangenen Unterlagen wurde als Anschrift noch dieselbe Adresse in Frankfurt am Main wie in der abzuändernden Urkunde angegeben. Am 30.05.2001 wurde durch den Antragsteller dann mitgeteilt, dass der Antragsgegner in der Dr. M. Str. 11 in X-Stadt wohne. Am 03.07.2001 wurde mitgeteilt, das die Anschrift laute X-Straße 27 in X-Stadt, nachdem die vorherige Zustellung mit dem Vermerk unbekannt verzogen nicht vollzogen werden konnte. Dort erfolgte unter dem 16.7.2001 eine Zustellung. Durch diese wechselnden Umzüge war der Antragsteller daran gehindert, sein Unterhaltsbegehren zeitnah geltend zu machen, da ihm die jeweils aktuelle Anschrift des Antragsgegners nicht bekannt war. Die wechselnden Umzüge ohne Bekanntgabe des neuen Aufenthaltsortes fallen in den Verantwortungsbereich des Antragsgegners, wobei es auf sein Verschulden insbesondere die Absicht, sich der Geltendmachung des Anspruchs zu entziehen nicht ankommt (vgl. dazu Göppinger/Wax, 8. Aufl. , Unterhaltsrecht, Rdnr. 265 und Staudinger-Engler Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2000, § 1613, Rdnr. 99; Palandt BGB 63. Aufl. § 1613 Rn. 24). Für den Pflichtigen lag es nahe, dem Antragsteller seine jeweils neue Anschrift mitzuteilen, gerade weil er den Unterhalt regelmäßig zahlte und dieser durch die Urkunde vom 12.03.1996 tituliert worden war. Denn hierdurch war ihm bewusst, dass er dem Grunde nach zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet war und der Unterhaltsberechtigte deshalb ein Interesse hatte, seine jeweils aktuelle Anschrift zu kennen.

Wie oben ausgeführt, ergibt sich als Abänderungszeitpunkt nach Antragstellung der 02.06.2001 (vgl. dazu OLG Brandenburg FamRZ 2002, 1347; Vossenkämper FamRZ 2000, 1550).

Die weitere Rüge, es sei nicht nachvollziehbar weshalb eine Kindergeldanrechnung unterbleibe, greift nicht durch. Insofern ist dem Amtsgericht Offenbach/Main kein Fehler unterlaufen, da die Formulierung "hierauf sind anzurechnen Kindergeld für ein erstes Kind zur Hälfte mit der Maßgabe, dass eine Anrechnung insoweit unterbleibt, als der festgesetzte Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrages unterschreitet" dem Gesetzeswortlaut des § 1612b Abs. 5 BGB entspricht. Eine Anrechnung von Kindergeld kann danach durchaus erfolgen.

Auch die Rüge, dass die Kostenentscheidung falsch sei, ist nicht erfolgreich. Diese Einwendung bezieht sich darauf, dass nach Art. 5 § 3 Abs. 2 Kindesunterhaltsgesetz i.V.m. § 648 Abs. 1 ZPO und Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltrechtes i.V.m. § 655 Abs. 3 ZPO der Antragsgegner geltend machen kann, dass er bezüglich der Verfahrenskosten keinen Anlass zur Stellung des Antrages gegeben hat (vgl. § 93 ZPO), wenn er sich sofort zur Erfüllung des Unterhaltsanspruches verpflichtet. Dies ist nicht geschehen. Die Verpflichtung zur geänderten Unterhaltszahlung zumindest ab 01.06.2001 ist bislang auch im Beschwerdeverfahren nicht erfolgt. Der Antragsgegner bestreitet, dass er vor dem Zeitpunkt des Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 10.11.2001 zur Zahlung von erhöhtem Unterhalt verpflichtet sei. Die Verpflichtung bestehe erst ab 01.12.2001 (vgl. Beschwerdeschriftsatz vom 21.11.2001, S. 2, Bl. 26 d.A.). Im Übrigen erfolgte nach der Urkunde vom 16.7.2001 die Zustellung der Antragsschrift an diesem Tag. Danach wurde ein Benachrichtigungsschein über die Niederlegung in den Hausbriefkasten eingelegt. Die Darlegung des Antragsgegners, er habe diesen Antrag nicht erhalten, wiederlegt dies nicht (vgl. dazu §§ 195 Abs. 2 a. F., 418 ZPO, Zöller ZPO 22. Aufl. § 418 Rn 3 f).

Der Hinweis des Antragsgegners im Schriftsatz vom 4.2.2004, er sei einem weiteren Kind ausgehend von einem bereinigtem Nettoeinkommen von 1.300,- Euro unterhaltspflichtig, ist ohne Bedeutung. Nach Art. 5 § 3 Abs. 2 Kindesunterhaltsgesetz ist dieses Vorbringen , aus dem im Übrigen keine konkreten Schlüsse hergeleitet werden, im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 17 Abs. 1 GKG.

Dr. Hartleib Held Schwamb