OLG Frankfurt vom 15.09.2005 (5 WF 152/05)

Stichworte: Präklusionswirkung, Abänderungsklage Abänderungsklage, Präklusionswirkung
Normenkette: ZPO 323 Abs. 2
Orientierungssatz: Die Abänderungsklage ist nur zulässig, wenn sie auf neue Tatsachen gestützt wird; alte Tatsachen, die nicht berücksichtigt wurden, sind präkludiert (§ 323 Abs. 2 ZPO). Die Bindungswirkung umfaßt die unverändert gebliebenen tatsächlichen Feststellungen und Wertungen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Held als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 01.07.2005 (Nichtabhilfebeschluß vom 26.07.2005) am 15.09. 2005 beschlossen

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat der Klägerin die begehrte Prozeßkostenhilfe für eine Abänderungsklage betreffend das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 01.11.2004 (536 F 343/03 - Trennungsunterhalt) verweigert. Der Klage stehe die Rechtskraft des Urteils entgegen. Die vorgetragenen Gründe, auf die sie gestützt würde, seien nicht erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung (18.10.2004) entstanden (§ 323 Abs. 2 ZPO). Schon damals habe die Klägerin vorgetragen, sie sei wegen einer psychischen Erkrankung und wegen epileptischer Anfälle erwerbsunfähig erkrankt. Sie habe nicht vorgetragen, daß sich ihr Leiden verschlimmert hätte. Auch sei eine Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse nicht vorgetragen. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluß und auf die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde macht die Klägerin geltend, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung habe sich aufgrund des Sachverständigengutachtens des Dr. med. M. Klein vom 19.01.2005 ergeben, daß sie an einer paranoiden Schizophrenie leide. Es könne zwar nicht festgestellt werden, wann die Krankheit bei der Klägerin zum Ausbruch gekommen sei, jedenfalls habe sich ihr Zustand seit Schluß der mündlichen Verhandlung wesentlich verschlimmert, was sich auch daraus ergebe, daß sie am 17.01.2005 in eine geschlossenen Einrichtung eingewiesen worden sei. Auch ihre wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich wesentlich verschlechtert. Bis Dezember 2004 habe sie noch Arbeitslosenhilfe erhalten, ab 01.01.2005 nur noch geringere Leistungen gem. "Harz IV". Im einzelnen wird auf die Beschwerdebegründung und die Stellungnahme zu der Nichtabhilfeentscheidung Bezug genommen.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Abänderungsklage ist nur zulässig, wenn sie auf neue Tatsachen gestützt wird; alte Tatsachen, die nicht berücksichtigt wurden, sind präkludiert (§ 323 Abs. 2 ZPO). Die Bindungswirkung umfaßt die unverändert gebliebenen tatsächlichen Feststellungen und Wertungen (vergl. Göppinnger/Wachs-Vogel, Unterhaltsrecht, 8. Auflage, Rn 2399 ff).

Die Klägerin hat in dem Vorprozeß nicht vorgetragen, daß sie an einer paranoiden Schizophrenie leide. Sie hat aber vorgetragen, daß sie aufgrund ihrer Erkrankungen für Leistungen (der BfA) zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht geeignet sei (Schriftsatz vom 09.06.2004) und dies mit einer Bescheinigung der BfA vom 25.05.2005 belegt. Darin heißt es:

"Sie sind für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht geeignet. Angezeigt sind eine regelmäßige ambulante nervenärztliche Mitbehandlung und stationäre psychatrische Behandlung."

Damit hat die Klägerin im Vorprozeß vorgetragen, daß sie wegen ihrer psychischen Erkrankung am Arbeitsleben nicht teilhaben kann. Dann kommt es wegen der Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht auf die nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung diagnostizierten paranoiden Schizophrenie an, denn diese betrifft schon eine erwerbsunfähige Partei und verändert ihre Möglichkeit, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen, nicht.

Insoweit aus dem zeitlichen Ablauf und weiteren Feststellungen in dem angefochtenen Urteil über vorgetragene Erkrankungen entnommen werden könnte, die Erkrankung sei schon vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung ausgebrochen gewesen, muß darauf hingewiesen werden, daß für die Präklusionswirkung allein auf die objektive Lage abzustellen ist und nicht auf die subjektive Kenntnis der Partei abgestellt wird. Auch Veränderungen, die schon zum Zeitpunkt des Endes der mündlichen Verhandlung eingetreten, jedoch noch nicht bekannt waren, können den Erfolg der Abänderungsklage nicht herbeiführen. Sie sind denen gleichgestellt, die bekannt waren, aber aus irgendwelchen Gründen im Vorprozeß nicht vorgetragen wurden (Göppinnger/Wachs-Vogel, a.a.O.). Insofern die Meinung vertreten werden könnte, der Vortrag der Klägerin in dem Vorprozeß hätte anders beurteil werden müssen, hätte sie durch das Rechtsmittel der Berufung ihren Rechtsstandpunkt zur Geltung bringen müssen. Nunmehr umfaßt die Bindungswirkung auch die getroffene Wertung des Amtsgerichts in dem Vorprozeß.

Die Klägerin hat im Beschwerdeverfahren nicht zu der Begründung des Amtsgerichts in dem Nichtabhilfebeschluß Stellung bezogen, nachdem schon am 10.08.2004 wegen einer psychischen Erkrankung der Klägerin ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden mußte und unmittelbar nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung eine chronifizierte Erkrankung festgestellt worden sei.

Insoweit die Klägerin vorträgt, sie habe aufgrund geringerer öffentlicher Hilfe ein geringeres Einkommen, kann sie damit aus den Gründen der Nichtabhilfeentscheidung keinen Erfolg haben: Der Klägerin ist ein fiktives Einkommen von 1.317,78 EUR fiktiv zugerechnet worden. Auf die Beurteilung ihrer Unterhaltsbedürftigkeit hat daher ein Absinken der geringeren öffentlichen Hilfen keinen Einfluß, unabhängig von der Frage deren Subsidiarität.

Wegen der kurzen Zeitspanne zwischen dem Schluß der mündlichen Verhandlung in dem Vorprozeß und der Klage auf Abänderung kann auch nicht unterstellt werden, eine im Vorprozeß auf Trennungsunterhalt vorgetragene Beeinträchtigung sei zwischenzeitlich nach menschlichem Ermessen behoben und nur noch die nachträglich eingetretene Beeinträchtigung sei für eine Erwerbsunfähigkeit kausal.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 127 Abs. 4 ZPO, 1811, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Held