OLG Frankfurt vom 14.09.2000 (5 WF 147/00)

Stichworte: Festsetzungsbeschluß, Einwendungen, Berücksichtigung, Beschlußverfügung
Normenkette: ZPO 648 Abs. 3
Orientierungssatz: Zur Frage, wann der Festsetzungsbeschluß "verfügt" ist; § 648 Abs. 3 ZPO wurde eingeführt, weil (im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren) auch nach Fristablauf eingehende Einwendungen noch berücksichtigt werden sollen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach vom 08.06.2000 am 14. September 2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerde-verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin Monika Hundeck Prozeßkostenhilfe bewilligt. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerde-verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Gründe:

Der Antrag auf Festsetzung von Unterhalt ist dem Antragsgegner nach Verfügung der Rechtspflegerin am 28.04.2000 zugestellt worden. Am 08.06.2000 fertigte die Rechtspflegerin den Unterhaltsfestsetzungsbeschluß. Am selben Tag wurde die Zustellung des Beschlusses u.a. an den Antragsgegner von der Rechtspflegerin verfügt.

Am 28.06.2000 wurde diese Verfügung - nach nochmaliger Erinnerung seitens der Rechtspflegerin vom 21.06.2000 - im Schreibdienst ausgeführt. Die Zustellung an den Antragsgegner erfolgte am 29.06.2000.

Bereits am 13.06.2000 war beim Amtsgericht der Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 08.06.2000 eingegangen, mit dem die Erhebung von Einwänden angekündigt wurde. Am 14.06.2000 folgte der Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 09.06.2000 und ebenso das Schreiben des Antragsgegners mit seinen Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt vom 07.06.2000.

Die Rechtspflegerin hat daraufhin am 21.06.2000 nicht nur an die Erledigung ihrer Verfügung vom 08.06.2000 erinnert, sondern ferner dem Antragsgegnervertreter unter Bezugnahme auf die eingereichten Schriftsätze mitgeteilt, daß die Einwendungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten, da der Festsetzungsbeschluß bereits am 08.06.2000 "verfügt" wurde.

Die nach § 652 ZPO gegen den Festsetzungsbeschluß gegebene sofortige Beschwerde ist fristgemäß am 04.07.2000 eingelegt.

Auf Grund der Beschwerde ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Es hätten nämlich die nach Unterzeichnung des Beschlusses und der Zustellungsverfügung vom Antragsgegner eingereichten Unterlagen bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen.
BR Nach § 648 Abs. 3 ZPO sind Einwendungen zwar nicht mehr zu berücksichtigen, wenn der Festsetzungsbeschluß verfügt ist. Verfügt im Sinne dieser Vorschrift ist der Beschluß nach einer Auffassung mit seiner Unterzeichnung (Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 648 Rn. 12; OLG Hamm, FamRZ 2000, 901), nach anderer Ansicht mit der Unterschriftsleistung und der Hinausgabe in den Geschäftsgang durch den Rechtspfleger (Coester-Walter in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 648 Rn. 1) und nach einer dritten Meinung mit dem Existentwerden durch die erste Hinausgabe aus dem inneren Geschäftsbetrieb (Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 648 Rn. 13 in Verbindung mit § 329 Rn. 5).

Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung (vgl. bereits Beschluß vom 04.08.2000, 5 WF 112/99). Auch wenn durch das vereinfachte Verfahren dem Antragsteller möglichst schnell ein Unterhaltstitel verschafft werden soll, so ist doch zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber die Frist des § 647 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 ZPO nicht zu einer Ausschlußfrist ausgestaltet hat.

§ 648 Abs. 3 ZPO wurde eingeführt, weil auch nach Fristablauf eingehende Einwendungen noch berücksichtigt werden sollen. Die Regelung soll vermeiden, daß der Antragsgegner den Weg der Abänderungsklage nach § 654 ZPO beschreiten muß (vgl. Mühlens, Kirchmeier, Greßmann, Knittel, Kindschaftsrecht, 2. Aufl., S. 400). Dann erscheint es unter diesem Gesichtspunkt auch sachgerecht, vom Vorliegen einer Verfügung im Sinne von § 648 Abs. 3 ZPO erst beim Existentwerden eines Beschlusses nach den allgemeinen Regeln (vgl. dazu Zöller-Vollkommer a.a.0., § 329 Rn. 18, BGH NJW 1997, 2524; FamRZ 2000, 813; BVerfG NJW 1993, 51) auszugehen. Sind Einwendungen zu berücksichtigen, bis die Entscheidung mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbereich heraustritt, ihre Ausfertigung vom Urkundsbeamten zur Zustellung hinausgegeben wird, so werden Abänderungsklagen vermieden. Im übrigen erscheint es sachgerecht, den Begriff der Verfügung wie den im ähnlich gelagerten Mahnverfahren (vgl. § 692 Abs. 1, Ziffer 3, 4 ZPO) auszulegen. Nach § 694 ZPO kann ein Antragsgegner gegen den Anspruch bei dem Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, schriftlich Widerspruch erheben, solange der Vollstreckungsbescheid nicht verfügt ist. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (NJW 1982, 888; 1983, 633; siehe auch Baumbach-Lauterbach, ZPO, 58. Aufl., § 694, Rn. 3) entschieden, daß damit der Zeitpunkt gemeint sei, zu dem Gerichtsentscheidungen allgemein wirksam würden - nämlich dann, wenn sie zur Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts hinausgegeben werden.

Danach sind die von dem Antragsgegner eingereichten Schriftstücke mit Unterlagen bei dem Verfahren nach §§ 649, 650 ZPO noch zu berücksichtigen gewesen.

Dr. Hartleib Meinecke Schwamb