OLG Frankfurt vom 17.06.2010 (5 WF 131/10)

Stichworte: Bezugnahme auf Parallelverfahren, Formular nach § 117 Abs. 4 ZPO;
Normenkette: ZPO 117 Abs. 4, PKHV 1 Abs. 2, 3; ZPO 117 Abs. 4, PKHV 1 Abs. 2, 3;
Orientierungssatz:
  • Das Gesetz schreibt in § 117 Abs. 4 ZPO vor, dass sich die Partei des Formulars "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedienen muss, wenn amtliche Vordrucke eingeführt worden sind. Eine Ausnahme von Benutzerzwang besteht nach § 1 Abs. 2 PKHVV für Parteien kraft Amtes, juristische Personen oder parteifähige Vereinigungen und nach §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 PKHVV für minderjährige unverheiratete Kinder.
  • Eine Bezugnahme auf ein Parallelverfahren ist dann zulässig, wenn eine zeitnahe Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus einem Parallelverfahren in Kopie eingereicht worden ist und versichert wird "dass sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen seitdem nichts geändert hat
  • Dass andere Richter des entscheidenden Gerichts bloße Bezugnahmen auf Paralellverfahren gelten lassen, begründet keinen Vertrauenstatbestand
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Held als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 13.05.2010 (Nichtabhilfeentscheidung vom 02.06.2010) am 17.06.2010 beschlossen:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Gründe:

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe verweigert, weil trotz Aufforderung vom 29.03.2010 mit Fristsetzung von 2 Wochen keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht worden sei. Eine Bezugnahme auf die zu einem anderen Verfahren eingereichte Erklärung sei nicht ausreichend.

    Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er trägt vor, dass in den Verfahren 316 F 2544/09 und 316 F 369/09 Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei und in dem Verfahren auf die dort eingereichten Unterlagen Bezug genommen sei. Die Bevollmächtigten des Antragstellers hätten in dem Parallelverfahren alle möglichen Unterlagen zeitgleich zur Verfügung gestellt, um diese wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers beurteilen zu können. Die Verwendung des Formulars "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" sei nicht zwingend. Das Formular stelle eine Hilfe für das Gericht dar, sei aber keine Entscheidungsvoraussetzung. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Beschwerdeschrift verwiesen.

    Die Beschwerde ist unbegründet.

    Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers schreibt das Gesetz in § 117 Abs. 4 ZPO vor, dass sich die Partei ihrer bedienen muss, wenn amtliche Vordrucke eingeführt worden sind.

    Eine Ausnahme von Benutzerzwang besteht nur nach § 1 Abs. 2 PKHVV für Parteien kraft Amtes, juristische Personen oder parteifähige Vereinigungen und nach §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 PKHVV für minderjährige unverheiratete Kinder.

    Im Rechtsmittelverfahren darf die Partei ausnahmsweise auf ein in der Vorinstanz eingereichtes Formular verweisen, wenn die Verhältnisse unverändert geblieben sind und wenn die Partei oder ihr Rechtsanwalt dies versichert (BGH FamRZ 2004, 1961). In diesem Fall befindet sich in den Akten des Rechtsmittelgerichts die in der Vorinstanz eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und das Gericht ist nicht genötigt, andere Akten beizuziehen, um die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei beurteilen zu können (Nichtabhilfeentscheidung vom 02.06.2010). Auf die erneute Vorlage einer Erklärung kann auch verzichtet werden, wenn der erkennende Richter zunächst den Antrag für vollständig erachtet und somit dem Antragsteller zu erkennen gibt, sein Antrag werde wegen der Bezugnahme auf die in einem Parallelverfahren eingereichten Unterlagen nicht scheitern (OLG Köln, FamRZ 1988, 1297). Vorliegend hat die erkennende Richterin von Anfang an auf der Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers bestanden und nicht den Vertrauenstatbestand gesetzt, sie würde die Bezugnahme auf Parallelverfahren ausreichen lassen. Dies ist im Hinblick auf § 117 Abs. 4 ZPO gerechtfertigt und geboten gewesen. Dass andere Richter des Amtsgerichts Offenbach durchweg anders verfahren, wie der Antragsteller vorträgt, schafft keinen Vertrauenstatbestand für dieses Verfahren, nachdem die erkennende Richterin keinen Zweifel hat aufkommen lassen. Zutreffend weist das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung darauf hin, dass der Bundesgerichtshof in dem vor dem Antragsteller zitierten Fall (BGH FamRZ 2005, 598) eine Bezugnahme auf ein Parallelverfahren dann für zulässig erachtet hat, wenn eine zeitnahe Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aus einem Parallelverfahren in Kopie eingereicht worden ist und versichert wurde "dass sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen seitdem nichts geändert habe". So liegt der Fall hier nicht, weil sich der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren geweigert hat, eine Erklärung nach § 117 Abs. 4 ZPO vorzulegen.

    Held