OLG Frankfurt vom 19.07.2007 (5 WF 131/07)

Stichworte: Leistungsunfähigkeit, fiktives Einkommen Kausalität, fiktives Einkommen, Leistungsunfähigkeit
Normenkette: ZPO 114 BGB 1603
Orientierungssatz: Die Zurechnung eines fiktiven, das heißt in Wahrheit nicht erzielten Einkommens, erfolgt nur solange, wie sich der Unterhaltsschuldner nicht hinreichend um einen neuen Arbeitsplatz bemüht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Held als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 23.02.2007 (Nichtabhilfeentscheidung vom 25.05.2007) am 19.07.2007 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Kläger wird in Abänderung des Prozesskostenhilfebeschlusses des Amtsgerichts vom 10.07.2006 in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe:

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss einen Antrag des Klägers, ihm in Abänderung eines Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschlusses vom 10. Juli 2006 Prozesskostenhilfe in vollem Umfang zu bewilligen (und nicht nur insoweit, als dass er seit Rechtshängigkeit der Klage keinen 346 EUR übersteigenden Unterhalt mehr an die Beklagte zu zahlen hat), abgewiesen. Zwar beziehe der Kläger seit Mai 2006 nur noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß SGB II und es sei ihm auch zwischenzeitlich ein Grad der Behinderung von 80% gemäß § 69 SGB IX bescheinigt worden. Gleichwohl könne allein auf der Grundlage dieses Vorbringens keine hinreichende Erfolgsaussicht für das weitergehende Abänderungsbegehren des Klägers angenommen werden.

Der Grund dafür sei, dass dem Kläger aufgrund der eigenen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im Februar 2004 durch das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16.03.2005 (insofern das Urteil des Amtsgerichts Gießen vom 07.07.2004 bestätigend) ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.285,27 EUR zugerechnet worden sei. Bei dieser Einkommenszurechnung habe es auch weiterhin zu bleiben, da der Kläger nicht dargetan habe, dass er seinen früheren Arbeitsplatz ohne die von ihm damals ausgesprochene Kündigung in der Zwischenzeit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen ohnehin verloren hätte. Auch lege der Abänderungskläger nicht dar, wie sich seine Einkommensverhältnisse aufgrund der im Sommer 2006 diagnostizierten Erkrankungen ohne die Obliegenheitsverletzung (Eigenkündigung) entwickelt hätten.

Die sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Das Einkommen, das der Kläger vor seiner Eigenkündigung im Februar 2004 erzielt hatte, kann ihm schon deswegen nicht mehr zugerechnet werden, weil der Kläger zwischenzeitlich bei der Firma L. längere Zeit als Monteur gearbeitet hat und dieses Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung am 26.02.2006 durch den Arbeitgeber beendet worden ist.

Die Zurechnung eines fiktiven, das heißt in Wahrheit nicht erzielten Einkommens, erfolgt nur solange, wie sich der Unerhaltsschuldner nicht hinreichend um einen neuen Arbeitsplatz bemüht. Aus dem Leistungsbescheid der Agentur für Arbeit Gießen vom 22.03.2006 kann geschlossen werden, dass der Kläger bei der Firma X. ein etwa gleich hohes Einkommen erzielt hatte, als vor seiner Eigenkündigung. Wenn der Kläger diese Arbeitsstelle durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers verloren hat, so kann dies eine fiktive Zurechnung von Einkünften aus dem Arbeitsverhältnis nicht erneut auslösen. Spätestens durch die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses im Umfang des selbst gekündigten mit ähnlich hohen Einkünften ist die Kausalkette für eine fiktive Zurechnung unterbrochen (vergleiche dazu Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Auflage, § 1603, Randziffer 55). Ohne dass es entscheidend darauf ankäme muss jetzt auch berücksichtigt werden, welche Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund der erst 2006 diagnostizierten Erkrankungen und einer Erwerbsunfähigkeit von anerkannt 80% noch besteht.

Held