OLG Frankfurt vom 11.10.2000 (5 WF 127/00)

Stichworte: Anordnung, einstweilige, Scheidungsverfahren, Prozesskostenhilfe, Beschwerde
Normenkette: GG 19, ZPO 620c S. 2
Orientierungssatz: Jedenfalls dann, wenn die Anwendbarkeit eines gesamten Regelungsbereichs (hier §§ 620 ff. ZPO) für eine bestimmte Fallgestaltung generell verneint wird, muß eine rechtssuchende Partei die Möglichkeit haben, diese Frage im Rahmen des Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahrens zur Entscheidung durch das Beschwerdegericht zu stellen; § 620 Nr. 6 ZPO wird durch die neu geschaffene Möglichkeit, nach § 644 ZPO im Rahmen des Trennungsunterhaltsprozesses eine einstweilige Anordnung zu erwirken, nicht ausgeschlossen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 16.05.2000 betreffend die Ablehnung von Prozeßkostenhilfe für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung wegen Zahlung von Ehegattenunterhalt am 11.10.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Antragsgegnerin beantragt im Rahmen des noch laufenden Scheidungsverfahrens den Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung monatlichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 180,-- DM.

Das Amtsgericht hat hierfür die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, der Trennungsunterhalt sei bereits Gegenstand des Verfahrens 26 F 166/98, nachehelicher Unterhalt komme als laufend zu zahlender Unterhalt nicht in Betracht.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet.

Zwar ist gegen Sachentscheidungen im Anordnungsverfahren selbst die Beschwerde gemäß § 620 c Satz 2 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen. Die weitere Frage, ob dementsprechend auch die Beschwerde im Prozeßkostenhilfe-prüfungsverfahren, soweit es um die Beurteilung der Erfolgsaussicht geht, grundsätzlich auf den Rechtszug der Hauptsache beschränkt bleibt (vgl. OLG Frankfurt/Main, 3. Senat, FamRZ 1996, 746 mit w. Nachweisen) oder eine solche Einschränkung in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.03.1988 (JZ 1988, 606 f.) mangels anderweitiger Regelung in § 127 Abs. 2 ZPO nicht mehr allein mit dieser Erwägung zu rechtfertigen ist (OLG Frankfurt/Main, 5. Sen., Beschl. vom 09.05.1990, 5 WF 73/90), kann vorliegend dahingestellt bleiben.

Jedenfalls dann, wenn die Anwendbarkeit eines gesamten Regelungsbereichs (hier §§ 620 ff. ZPO) für eine bestimmte Fallgestaltung generell verneint wird, muß eine rechtssuchende Partei die Möglichkeit haben, diese Frage im Rahmen des Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahrens zur Entscheidung durch das Beschwerdegericht zu stellen, wenn der o.g. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG genügt werden soll.

In der Sache selbst ist während der Dauer eines Scheidungsverfahrens auch bei Rechtshängigkeit einer gesonderten Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt die Beantragung einer einstweiligen Anordnung gemäß § 620 Nr. 6 ZPO weiterhin zulässig. Dabei handelt es sich hier ebenfalls noch um die Regelung des Trennungsunterhalts und nicht, wie das Amtsgericht irrtümlich meint, nur um nachehelichen Unterhalt. Die Möglichkeit, nach § 620 Nr. 6 ZPO einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, wird auch durch die neu geschaffene Möglichkeit, nach § 644 ZPO im Rahmen des Trennungsunterhaltsprozesses eine einstweilige Anordnung zu erwirken, jedenfalls nicht ausgeschlossen. Es kann deswegen dahingestellt bleiben, ob die Auffassung Gießlers (Vorläufiger Rechtsschutz in Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen, 3. Aufl., S. 282, 283, Rdn. 556), § 620 Nr. 6 ZPO verdränge wegen engeren Anwendungsbereichs sogar den § 644 ZPO, der Ansicht vorzuziehen ist, daß insoweit für den Unterhaltsberechtigten eine Wahlmöglichkeit besteht, die einstweilige Regelung im einen oder anderen Verfahren zu bewirken (Rahm/Künkel/Niepmann, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, VI, Rdn. 60).

Da der Antrag hier im Rahmen des Scheidungsverfahrens gestellt worden ist, ist eine Anordnung auf der Grundlage von § 620 Nr. 6 ZPO grundsätzlich möglich. Dabei ist es unbeachtlich, daß die Antragsgegnerin selbst eine Anordnung "gemäß § 644 ZPO" beantragt, weil der Antrag im Scheidungsverbundverfahren gestellt wurde und nur eine Verwechslung der anzuwendenden Vorschrift vorliegt. Bei der nunmehr durch das Amtsgericht vorzunehmenden Prüfung der Erfolgsaussicht erscheint beachtlich, daß der Antragsteller in seiner Erwiderung zum nachehelichen Unterhalt sogar selbst eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von 180,-- DM einräumt, obwohl er mit monatlich 2.900 DM zunächst sogar noch ein höheres Einkommen auf Seiten der Antragsgegnerin zugrundegelegt hat als in einer späteren Stellungnahme im Schriftsatz vom 22.12.99 (2.731,-- DM). Inzwischen ist die Antragsgegnerin arbeitslos geworden.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 1 GKG, 127 Absatz 4 ZPO.

Meinecke Held Schwamb