OLG Frankfurt vom 04.08.2000 (5 WF 112/99)

Stichworte: Unterhaltsfestsetzung, Einwedungen, Berücksichtigung, Zeitpunkt
Normenkette: ZPO 648 Abs. 3, 652
Orientierungssatz: Zur Frage, wann der Unterhaltsfestsetzungsbeschluß nach § 648 Abs. 3 ZPO "verfügt" ist, so daß Einwendungen nicht mehr berücksichtigt werden können

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 08.04.1999 am 04.08.2000 beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin X., Prozesskostenhilfe bewilligt.

G r ü n d e:

Der Antrag auf Festsetzung von Unterhalt ist dem Antragsgegner nach Verfügung des Rechtspflegers am 16.02.1999 zugestellt worden. Am 08.04.1999 fertigte der Rechtspfleger den Unterhaltsfestsetzungsbeschluß. Am selben Tag wurde die Zustellung des Beschlusses u.a. an den Antragsgegner vom Rechtspfleger verfügt. Am 22.04.1999 wurde die Verfügung - nach Eingang im Schreibdienst am 14.04.1999 - ausgeführt. Die Zustellung an den Antragsgegner erfolgte am 24.04.1999. Am 15.04.1999 war beim Amtsgericht der Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13.04.1999 eingegangen und ebenso das Schreiben mit Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt vom 14.04.1999. Beide Schriftstücke tragen den Stempel "vorgelegt am 23.04.1999". Mit am 21.05.1999 eingegangenen Schriftsatz vom 20.05.1999 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners mit, der Schriftsatz vom 13.04.1999 solle als Beschwerde behandelt werden.

Die nach § 652 ZPO gegen den Festsetzungsbeschluß gegebene sofortige Beschwerde ist fristgemäß eingelegt. Die nach § 577 Abs. 2 ZPO vorgesehene Notfrist von 2 Wochen ist eingehalten. Nach § 176 ZPO haben Zustellungen in einem anhängigen Rechtsstreit an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, andernfalls ist die Zustellung unwirksam und beginnt die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen. Die Kenntnis des Gerichts von der Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten muß bis spätestens zu Beginn der Zustellung vermittelt worden sein, maßgeblich ist, ob die Geschäfsstelle in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 211 ZPO verfährt, also die Entscheidung u.a. zur Post gibt, Kenntnis von der Bestellung hat oder haben müsste (vgl. dazu BGH NJW 1981, 1673). Dieses ist vorliegend der Fall, nachdem der Beschluß erst am 22.04.1999 zur Post gegeben worden ist und der Bevollmächtigte bereits vorher seine Vertretung angezeigt hatte.

Auf Grund der Beschwerde ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Es hätten nämlich die nach Unterzeichnung des Beschlusses und der Zustellungsverfügung vom Antragsgegner eingereichten Unterlagen bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Nach § 648 Abs. 3 ZPO sind allerdings Einwendungen nicht mehr zu berücksichtigen, wenn der Festsetzungsbeschluß verfügt ist. Verfügt ist der Beschluß nach einer Auffassung mit seiner Unterzeichnung (Zöller-Philippi ZPO 21. Aufl. § 648 Rn. 12; OLG Hamm FamRZ 2000, 901), nach anderer Ansicht mit der Unterschriftsleistung und der Hinausgabe in den Geschäftsgang durch den Rechtspfleger (Coester-Walter in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 648 Rn 1) und nach einer dritten Meinung mit dem Existentwerden durch die erste Hinaugabe aus dem inneren Geschäftsbetrieb (Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 648 Rn. 13 i.V. mit § 329 Rn. 5). Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Auch wenn durch das vereinfachte Verfahren dem Antragsteller möglichst schnell ein Unterhaltstitel verschafft werden soll, so ist doch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Frist des § 647 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 ZPO nicht zu einer Ausschlussfrist ausgestaltet hat. § 648 Abs. 3 ZPO wurde eingeführt, weil auch nach Fristablauf eingehende Einwendungen berücksichtigt werden sollten, die Regelung sollte vermeiden, dass der Antragsgegner den Weg der Abänderungsklage nach § 654 ZPO beschreiten muß (vgl. Mühlens, Kirchmeier, Greßmann, Knittel Kindschaftsrecht, 2. Aufl., S. 400). Dann erscheint es unter diesem Gesichtspunkt auch sachgerecht, vom Vorliegen einer Verfügung i.S. von § 648 Abs. 3 ZPO erst beim Existentwerden eines Beschlusses nach den allgemeinen Regeln (vgl. dazu Zöller-Vollkommer a.a.0., § 329 Rn. 18, BGH NJW 1997, 2524; FamRZ 2000, 813; BVerfG NJW 1993, 51) auszugehen. Sind Einwendungen zu berücksichtigen, bis die Entscheidung mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbereich heraustritt ihre Ausfertigung vom Urkundsbeamten zur Zustellung hinausgegeben wird, so werden Abänderungsklagen vermieden. Im übrigen erscheint es sachgerecht, den Begriff der Verfügung wie den im ähnlich gelagerten Mahnverfahren (vgl. § 692 Abs. 1, Ziffer 3, 4 ZPO) auszulegen. Nach § 694 ZPO kann ein Antragsgegner gegen den Anspruch bei dem Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, schriftlich Widerspruch erheben, solange der Vollstreckungsbescheid nicht verfügt ist. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (NJW 1982, 888; 1983; 633; siehe auch Baumbach-Lauterbach ZPO, 58. Aufl, § 694, Rn. 3) entschieden, dass damit der Zeitpunkt gemeint sei, zu den Gerichtsentscheidungen allgemein wirksam würden - nämlich dann, wenn sie zur Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts hinausgegeben werden. Danach sind die von dem Antragsgegner eingereichten Schriftstücke mit Unterlage bei dem Verfahren nach §§ 649, 650 ZPO zu berücksichtigen gewesen.

Dr. Hartleib Held Schwamb