OLG Frankfurt vom 30.11.2011 (5 UF 81/11)

Stichworte: Nachversicherung; Beamter auf Widerrruf; Beamter auf Probe; interne Teilung; externe Teilung;
Normenkette: VersAusglG 5 Abs. 2; VersAusglG 16; VersAusglG 44 Abs. 4;
Orientierungssatz:
  • Ein Anrecht, das ein Beamter auf Widerruf erworben hat, ist im Versorgungsausgleich nach Inkrafttreten des VersAusglG weiterhin auch dann mit dem fiktiven Wert der Nachversicherung zu berücksichtigen, wenn der Ehegatte nach dem Ende der Ehezeit in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen wird.
  • Die interne Teilung eines durch ein Beamtenverhältnis auf Widerruf erworbenen Anrechts kommt nur in Betracht, wenn die Nachversicherung bereits durchgeführt wurde.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde vom 17.02.2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 10.01.2011 am 30. November 2011 beschlossen:

    Ziffer 2 Abs. 2 des Tenors des angefochtenen Beschlusses wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Versicherungsnummer ..., zugunsten des Ehemanns ein Anrecht in Höhe von 3,1612 Entgeltpunkten auf das Versicherungskonto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30. 9. 2009, übertragen.

    Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei dem Land Hessen auf dem Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, ..., ein Anrecht in Höhe von 12,65 Euro monatlich, bezogen auf den 30. 9. 2009, begründet. Der vorgenannte Rentenbetrag ist in Entgeltpunkte umzurechnen; er entspricht 0,4651 Entgeltpunkten.

    Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben.

    Der Beschwerdewert wird auf 1.867,20 Euro festgesetzt.

    Gründe:

    Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 1. 9. 2000 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 12.10.2009 zugestellt. In der Ehezeit i. S. d. § 3 Abs. 1 VersAusglG (1.9.2000 bis 30.9.2009) hat die Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 6,3224 Entgeltpunkten und aus einer Leibrentenversicherung ein Anrecht mit einem ehezeitlichen Deckungskapital von 20,01 Euro erworben. Der Ausgleichswert des Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung beläuft sich auf 3,1612 Entgeltpunkte und der korrespondierender Kapitalwert auf 19.425,32 Euro. Vom 1.1.2008 bis zum Ehezeitende war die Antragstellerin als Beamtin auf Widerruf im Vorbereitungsdienst tätig. Das Regierungspräsidium Kassel hat das im Fall einer Nachversicherung versicherungspflichtige Entgelt mitgeteilt. Auf dieser Grundlage hat die Beschwerdeführerin errechnet, dass sich für das Anrecht der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Zuwachs von 0,9302 Entgeltpunkten ergeben würde. Der Ausgleichswert würde um 0,4651 Entgeltpunkte steigen, was bei einem aktuellen Rentenwert per 30.9.2009 von 27,20 Euro einer Monatsrente von 12,65 Euro entspricht. Der korrespondierende Kapitalwert würde 2.858,01 Euro betragen. Die Nachversicherung ist nicht erfolgt. Die Antragstellerin wurde mit Wirkung vom 5.8.2011 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Der Antragsgegner hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein ehezeitliches Anrecht in Höhe von 12,4803 Entgeltpunkten erworben. Der Ausgleichswert beläuft sich auf 6.2402 Entgeltpunkte und der korrespondierende Kapitalwert auf 38.345,54 Euro.

    Das Amtsgericht, das zutreffend gemäß § 48 Abs. 3 VersAusglG neues Recht angewendet hat, hat im Scheidungsbeschluss das Anrecht des Antragsgegners intern geteilt und das Anrecht der Antragstellerin aus der privaten Versicherung wegen Geringfügigkeit nicht ausgeglichen. Unter Ziffer 2 Abs. 2 des Beschlusstenors hat es im Weg der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Gunsten des Ehemanns ein Anrecht in Höhe von 3,6263 Entgeltpunkten übertragen. Dabei ist das Amtsgericht von dem Ehezeitanteil des Anrechts ausgegangen, der sich im Fall der Nachversicherung ergeben hätte.

    Mit der form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das auf dem Beamtenverhältnis auf Widerruf beruhende Anrecht der Antragstellerin nicht zu Lasten eines bei ihr bestehenden Anrechts sondern zu Lasten des Landes Hessen extern hätte geteilt werden müssen.

    Die Beschwerde ist begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Entscheidung über den Versorgungssausgleich.

    Die Beschwerde beanstandet mit Recht, dass nur das tatsächlich bei ihr bestehende und nicht auch das nur fiktiv für den Fall der Nachversicherung errechnete Anrecht der Ehefrau nach § 10 VersAusglG intern geteilt werden durfte. Deshalb war die interne Teilung ihres Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung nur mit einem Ausgleichswert von 3,1612 Entgeltpunkten vorzunehmen (Ziffer 3a des Tenors).

    Für das Anrecht, das die Antragstellerin als Beamtin auf Widerruf bei dem Land Hessen erworben hat, wäre die interne Teilung dagegen nur in Betracht gekommen, wenn die Nachversicherung bereits erfolgt wäre. Im vorliegenden Fall war das Anrecht gemäß § 16 VersAusglG extern zu Lasten des Landes Hessen als Versorgungsträger zu teilen. Beamte auf Widerruf erwerben ein alternativ ausgestaltetes Anrecht, für das gemäß § 44 Abs. 4 VersAusglG der Wert maßgeblich ist, der sich bei einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben würde. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach dem Ende der Ehezeit in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen worden ist und inzwischen ein hinreichend verfestigtes Anrecht auf Beamtenversorgung erworben hat, für das die Zeit des Vorbereitungsdienstes als ruhegehaltsfähige Dienstzeit gilt, ändert daran nichts. Zwar sind nach § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG nach dem Ende der Ehezeit eintretende rechtliche oder tatsächliche Veränderungen zu berücksichtigen, wenn sie auf den Ehezeitanteil zurückfallen. Diese Regelung sollte aber nur die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kodifizieren, die die Berücksichtigung von Veränderungen nach dem Ehezeitende zuließ, die rückwirkend zu einer anderen Bewertung des Ehezeitanteils führten. Unberücksichtigt blieben nach altem Recht nachehezeitliche Veränderungen, die keinen Bezug zur Ehezeit hatten, wie Beförderungen (BGH, FamRZ 1987, S. 918), die Übernahme eines Zeitsoldaten in das unbefristete Soldatenverhältnis (BGH, FamRZ 2003, S. 29) oder die Übernahme des Widerrufsbeamten in das Beamtenverhältnis auf Probe (BGH, FamRZ 1982, S. 362). Daran sollte mit der Einführung des § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG nichts geändert werden (BT-Dr. 16/10144, S. 51). Die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ist von individuellen, nachehezeitlichen Umständen wie dem Bestehen von Laufbahnprüfungen abhängig, die keinen hinreichenden Bezug zur Ehezeit haben. Daher bleibt es für die Bewertung des als Widerrufsbeamter erworbenen Anrechts auch nach Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe bei dem Nachversicherungswert (vgl. Palandt- Brudermüller, 70. Aufl., Rdnr. 6 zu § 44 VersAusglG; Borth, Versorgungsausgleich, 6. Aufl., Kapitel 1, Rdnr. 138). Der Nachversicherungswert des Anrechts beläuft sich nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung auf 0,9302 Entgeltpunkte. Bei einem aktuellen Rentenwert von 27,20 Euro zum Ehezeitende ergibt sich eine Monatsrente von 25,30 Euro. Deshalb war ein Anrecht in Höhe der Hälfte zu Lasten des Landes Hessen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begründen. Der korrespondierende Kapitalwert des Ausgleichswerts des Anrechts liegt knapp unter dem Grenzbetrag nach § 18 Abs. 3 VersAusglG (3.024,- Euro). Der Senat hat von der Bagatellregelung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG keinen Gebrauch gemacht. Dagegen sprach, dass die Differenz des Ausgleichswerts des Anrechts des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung auf der einen Seite (38.345,54 Euro) und der Summe der Ausgleichswerte der Anrechte der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf auf der anderen Seite (22.283,33 Euro) den Grenzbetrag deutlich übersteigt. Infolge der Bewertung des Anrechts der Antragstellerin bei dem Land Hessen mit seinem Nachversicherungswert sind alle drei Anrechte vergleichbar.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 150 Abs. 1 und Abs. 3 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

    Ostermöller Schwamb Dr. Ostermann