OLG Frankfurt vom 13.02.2012 (5 UF 407/11)

Stichworte: Ergänzungspfleger; Bestallung; Dolmetscherkosten; Aufwendungsersatz;
Normenkette: BGB 242, 1835; BGB 1789, 1915;
Orientierungssatz:
  • Grundsätzlich ist für das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs aus § 1835 BGB die vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgte förmliche Bestellung des Ergänzungspflegers in dessen persönlicher Anwesenheit erforderlich (§ 1915 BGB i. V. m. § 1789 BGB).
  • Im Einzelfall ist dem noch nicht förmlich bestellten Ergänzungspfleger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Ersatz seiner Aufwendungen zu gewähren (hier für in Anspruch genommenen Dolmetscher im eilbedürftigen Verfahren nach § 18 a AsylVfG).
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Ergänzungspflegers vom 15.11.2011 (Eingangsdatum) gegen den Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 31.10.2011 am 13. Februar 2012 beschlossen:

    Auf die Beschwerde wird der an den Ergänzungspfleger

    zu zahlende Aufwendungsersatz auf 236,21 Euro festgesetzt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse zur Last gelegt.

    Beschwerdewert: 236,21 Euro.

    Gründe:

    Das Amtsgericht - Familiengericht - Gießen hat in dem den oben genannten Jugendlichen betreffenden Vormundschaftsverfahren bereits mit Beschluss vom 06.05.2011 den Beschwerdeführer zum Ergänzungspfleger mit dem Aufgabenkreis der Vertretung des Minderjährigen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten bestellt. Auf eine erst am 17.06.2011 ergangene Verfügung ist die Akte schließlich am 30.06.2011 mit der vorbereiteten Bestallungsurkunde an das Amtsgericht Frankfurt am Main als Rechtshilfegericht zur Verpflichtung des Ergänzungspflegers abgesandt worden. Mit am 13.07.2011 an den Ergänzungspfleger abgesandtem Schreiben des Amtsgerichts Frankfurt am Main wurde dieser gebeten, dort zur Verpflichtung vorzusprechen, was schließlich am 25.07.2011 erfolgte. Zuvor hatte der Beschwerdeführer jedoch am 12.07.2011 ein Gespräch mit dem Betroffenen zur Klärung von dessen ausländerrechtlichen Status geführt und dazu einen Dolmetscher hinzuziehen müssen, der ihm 236,21 Euro in Rechnung stellte. Diese Auslagen verlangt der Beschwerdeführer aus der Staatskasse ersetzt. Das Amtsgericht hat die Festsetzung mit der angefochtenen Entscheidung abgelehnt, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Auslagen noch nicht als Ergänzungspfleger verpflichtet war. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ergänzungspflegers, der auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheiten nach § 18 a AsylVfG hinweist. Der Bezirksrevisor beim Landgericht Gießen als Vertreter der Staatskasse ist der Beschwerde beigetreten.

    Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung der Festsetzung der Auslagen als eine Entscheidung im Sinne des § 38 FamFG ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Zwar ist der Beschwerdewert von mehr als 600 Euro nicht erreicht; das Amtsgericht hat jedoch die Beschwerde ausdrücklich zugelassen (§ 61 Abs. 3 FamFG). Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Zwar ist grundsätzlich für das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs aus

    § 1835 BGB die vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgte förmliche Bestellung des Ergänzungspflegers in dessen persönlicher Anwesenheit erforderlich (§ 1915 BGB i. V. m. § 1789 BGB). Daran fehlte es hier am 12.07.2011 noch, als die im Streit stehenden Dolmetscherkosten entstanden. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls widerspräche es jedoch den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB, wenn dem Ergänzungspfleger der Ersatz seiner Aufwendungen für den in Anspruch genommenen Dolmetscher versagt würde. Zu Recht verweist er darauf, dass die Angelegenheiten nach § 18 a AsylVfG keinen Aufschub dulden. Nachdem das Amtsgericht die Bestellung des Beschwerdeführers bereits am 06.05.2011 angeordnet hat, weil es dies mangels ausreichender Sachkunde des parallel bestellten Vormunds für erforderlich hielt, und zur Zeit der in Rede stehenden Tätigkeit am 12.07.2011 mehr als zwei Monate vergangen waren, ohne dass dem Beschwerdeführer ein Schreiben mit einer Einladung zu seiner Verpflichtung zugegangen war, konnte er mit der Aufnahme des Klärungsgesprächs unter Zuziehung eines Dolmetschers nicht mehr länger zuwarten. Die Staatskasse ist deswegen verpflichtet, ihm unter diesen besonderen Umständen die entstandenen Kosten für seine Tätigkeit zu erstatten (ebenso unter Bezugnahme auf § 242 BGB: OLG Saarbrücken, Beschluss vom 12.09.2011, 6 UF 132/11 bei juris; OLG Koblenz FamRZ 2010, 1173; LG Münster FamRZ 2010, 473; AG Gießen, Beschluss vom 16.08.2011, 244 F 310/11 PF; Menne, ZKJ 2010, 245 f.). Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung folgt aus § 35 FamGKG.

    Ostermöller Albrecht Schwamb