OLG Frankfurt vom 25.11.1999 (5 UF 37/98)

Stichworte: Wiedereinsetzung Bedürftigkeit, Vermögen, PKH
Normenkette:
Orientierungssatz: Ein Rechtsmittelkläger, dem im vorhergehenden Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, kann bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen bzw. bei im wesentlich gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, daß auch das Rechtsmittelgericht ihn als bedürftig ansehen wird (BGH a. a. O., siehe auch VersR 1984, 192). So liegt der Fall hier aber nicht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des 0berlandesgerichts Frankfurt am Main am 25.11.1999 beschlossen:

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist gegen das am 08.01.1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

Nach Zustellung des am 08.01.1998 verkündeten Urteils an ihn am 26.01.1998 hat der Beklagte unter Einreichung eines Entwurfs einer Berufungsschrift mit Eingang beim Berufungsgericht am 26.02.1998 um Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren nachgesucht, die ihm durch Beschluß des Senats vom 26.05.1999 mit der Begründung versagt worden ist, daß er sein Vermögen, nämlich eine Eigentumswohnung in Italien, die bei einem Verkehrswert von 180.000,00 DM mit nur 140.000,00 DM belastet sei, zum Bestreiten der Prozeßkosten durch Verkauf oder Vermietung einsetzen könne. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Entscheidung Bezug genommen. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 04.06.1999 hat der Beklagte mit Eingang am 17.06.1999 Berufung gegen das vorgenannte Urteil eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.

Zwar ist dieser Wiedereinsetzungsantrag formgerecht nach § 236 ZPO und innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 ZPO gestellt, gleichwohl ist er als unbegründet zurückzuweisen, da der Beklagte nicht unverschuldet i. S. § 233 ZPO an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert war. Dies wäre nämlich nur anzunehmen, wenn er vernünftigerweise nicht mit der Versagung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender "Kostenarmut" für das Berufungsverfahren rechnen mußte.

War diese Erwartung hingegen nicht gerechtfertigt, weil die Partei selbst oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) erkennen konnte, daß die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht erfüllt oder nicht ausreichend dargetan waren, so kann die Wiedereinsetzung nicht erteilt werden (vgl. BGH Beschluß vom 31.03.1999 XII ZB 150/98 unter Hinweis auf BGHR § 233 Prozeßkostenhilfe 6 und Prozeßkostenhilfe-Gesuch 5 und NJW 1998, 1230).

Vorliegend war erkennbar, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht ausreichend dargetan waren, denn nach der beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergab sich ein Vermögenswert in Höhe von ca. 32.000,00 DM. Nach § 118 Abs. 2 ZPO hat eine Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, es gilt § 88 BSHG entsprechend. Danach wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen darzulegen, warum der Einsatz des Vermögens insoweit nicht zumutbar gewesen wäre, wie eine Nutzung dieses Vermögenswerts zur Finanzierung der Prozeßkosten möglich gewesen wäre, hat der Senat in seinem Beschluß vom 26.05.1999 aufgezeigt, der Beklagte hatte auch - wenn er die Einlegung des Rechtsmittels in Erwägung zog - in einem Monat ausreichend Zeit, sich um eine Kreditaufnahme zu bemühen, die Voraussetzungen von § 88 Abs. 2 BSHG vorlagen. § 88 Abs. 2 Ziffer 7 BSHG kam nach der Erklärung nicht zur Anwendung, da danach nicht von dem Bewohnen der Eigentumswohnung durch den Beklagten oder eine andere der in §§ 11, 28 BSHG genannten Personen auszugehen war. Soweit der Beklagte nun darlegt, daß die Tochter die Wohnung bewohnt, ist darauf hinzuweisen, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist dargelegt werden müssen (BGH a. a. 0.; siehe auch NJW 1997, 1078; FamRZ 1992, 169) - deswegen erübrigte sich auch ein richterlicher Hinweis auf weiter notwendigen Sachvortrag, da das Prozeßkostenhilfegesuch am letzten Tag der Rechtsmittelfrist eingereicht worden ist - und im übrigen es sich nicht um einen angemessenen Wohnraum für die Tochter handelt. Die Tochter ist am 23.08.1992 geboren. Die Immobilie ist nach dem Gutachten von Prof. M. ca. 80 qm groß (3 Räume, ein Badezimmer und Küche) und hat eine Terrasse von ca. 67 qm, für eine Minderjährige ein sicherlich überhöhtes Raumangebot. Soweit der Beklagte sich nunmehr darauf beruft, daß die Schulden sein Vermögen übersteigen, ist dieser Vortrag ebenfalls nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgt, im übrigen war der PKH-erklärung nur ein Beleg über eine eingetragene Hypothek von 140.000.000 Lire beigefügt.

Aus dem Umstand, daß das Amtsgericht dem Beklagten mit Beschluß vom 22.09.1995 Prozeßkostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt hat, konnte der Beklagte unter den gegebenen Umständen ebenfalls nicht auf eine Gewährung der beantragten Prozeßkostenhilfe für den Berufungsrechtszug vertrauen. Zwar kann ein Rechtsmittelkläger, dem im vorhergehenden Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen bzw. bei im wesentlich gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, daß auch das Rechtsmittelgericht ihn als bedürftig ansehen wird (BGH a. a. O., siehe auch VersR 1984, 192).

Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. In dem Schriftsatz vom 01.09.1995 hat sich der Beklagte zur Begründung seines Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auf den Bezug von Sozialhilfe berufen. Die PKH-erklärung vom 28.08.1995 enthielt auch keinerlei Angaben über Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ihr war lediglich die Bescheinigung über den Bezug von Sozialhilfe beigefügt. Dies war offensichtlich die Grundlage des amtsgerichtlichen Beschlusses. Dem Amtsgericht war zwar aus dem Verfahren die Existenz der Wohnung bekannt. In dem Zugewinnverfahren selbst wurde aber über deren Wert und darauf ruhende Belastungen zum Stichtag für das Endvermögen im Juli 1992 gestritten. Die Vermögenssituation für den Zeitpunkt der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wurde nicht geklärt. Deswegen wurde auch durch den Umstand, daß ihn das Familiengericht zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von ca. 56.472,00 DM verurteilte und ihm die Prozeßkostenhilfe nicht entzogen wurde, kein schutzwürdiges Vertrauen begründet. Der Berechnung lagen nämlich andere Zeitpunkte zugrunde, bei ihr wurden noch andere Positionen berücksichtigt. Die Situation konnte sich geändert haben.

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, daß ihm in anderen Verfahren auch Prozeßkostenhilfe bewilligt worden sei, ergibt sich für die Bewertung nichts Abweichendes. Die im Rahmen des Scheidungsverfahrens (AG Gießen 24 F 419/92) vorgelegte PKH-erklärung vom 07.02.1994 enthält zwar neben dem Hinweis auf Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit Angaben über die Eigentumswohnung (allerdings 2 Zimmerwohnung, Schätzwert auf den 01.10.1991 150.000.000 Lire mit der Hypothek über 140 Millionen Lire, so daß der angegebene Wert die Belastung nicht so erheblich überstieg wie später).

Im Umgangsverfahren (AG Gießen 24 F 242/93) wurde im Schriftsatz vom 07.02.1994 zwar ausgeführt, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen sei beigefügt, auf Seite 3 bei dem Stichwort Anlagen wurde allerdings vermerkt " 1 x überreicht in der Ehesache", so daß offensichtlich auf die Erklärung in der Parallelsache Bezug genommen worden ist. In dem Schriftsatz vom 07.02.1994 ist u. a. weiter angegeben, der Beklagte sei völlig überschuldet und befinde sich in Vermögensverfall. Es sei eine Frage der Zeit, bis die Bezirkssparkasse Gießen als Hauptgläubigerin die Angelegenheit an ihre Rechtsabteilung abgebe. Die geschäftliche Entwicklung im Gaststättengewerbe sei rückläufig. Mit einer ausgezahlten Lebensversicherung seien schon Verbindlichkeiten getilgt worden, die zweite würde dazu auch verbraucht werden. Wenn dann am 15.02.1994 in den beiden vorgenannten Verfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß allein Grundlage dieser Entscheidungen die PKH-erklärung vom 07.02.1994 war, sondern auch die Gesamtumstände - die im vorliegenden Verfahren nicht mehr dargelegt wurden - eine Rolle spielten. Nach dem Schriftsatz vom 01.09.1994 im Verfahren AG Gießen 24 F 569/94 wurde eine - hier allerdings nicht vorgelegte - Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. Es wurde auch weiter zur Begründung des Prozeßkostenhilfeantrags Bezug genommen auf den Antrag im Ehescheidungsverfahren vom 07.02.1994, der ebenfalls nicht vorgelegt worden ist, und die dort genannten Gründe. Auch wurde angegeben, die wirtschaftliche Situation habe sich seit dem 07.02.1994 nicht verbessert, sondern im Gegenteil kontinuierlich verschlechtert. Daraus wird deutlich, daß auch in diesem Verfahren nicht die wesentlichen gleichen Angaben für die PKH-bewilligung zugrunde lagen.

Dr. Hartleib Held Tayefeh-Mahmoudi