OLG Frankfurt vom 14.12.2009 (5 UF 292/09)

Stichworte: Sorgerechtsübertragung, Zustimmung, Widerruf; Widerruflichkeit, Zustimmung, Sorgerechtsübertragung;
Normenkette: BGB 1671 Abs. 2 Ziff. 1, 2; BGB 1671 Abs. 2 Ziff. 1, 2;
Orientierungssatz:
  • Ob die Zustimmung zur Übertragung des Sorgerechts kann bis zur letzten Tatsachenverhandlung erklärt werden und bis zu diesem Zeitpunkt frei widerruflich ist, bleibt für das PKH-Prüfungsverfahren offen.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache Az.: 51.3.18 (29a), hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 14.12.2009 beschlossen:

    Der Antrag der Kindesmutter (Antragsgegnerin) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 30.10.2009 wird abgewiesen.

    Die Antragsgegnerin erhält Gelegenheit binnen 2 Wochen mitzuteilen, ob das Beschwerdeverfahren fortgeführt wird oder ob das Rechtsmittel zurückgenommen werden soll.

    Gründe:

    Die Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

    Die Entscheidung des Amtsgerichts beruht auf § 1671 Abs. 2 Ziff. 1 BGB. Daraus folgt, dass der Kindesmutter das Sorgerecht nicht entzogen worden ist, wie sie in der Beschwerdebegründung vom 11.11.2009 vorträgt. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Sorgerechtsentzug nach § 1666 BGB und es ist kein schwerwiegendes Fehlverhalten eines Elternteils festzustellen.

    Die Kindesmutter behauptet, sie habe die Zustimmung zur Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater nicht erteilt. Das Gegenteil ist durch das Protokoll der nicht-öffentlichen Anhörung des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 22.09.2009 urkundlich bewiesen. Darlegungen, die die Beweiskraft des Protokolls entkräften können, enthält die Beschwerdebegründung nicht.

    Allerdings kann der Beschwerdebegründung entnommen werden, dass die Kindesmutter derzeit nicht mit einer Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 1 BGB einverstanden ist. Nach Meinung von Schwab, FamRZ 98, 461, kann die Zustimmung zur Übertragung des Sorgerechts bis zur letzten Tatsachenverhandlung erklärt werden und ist bis zu diesem Zeitpunkt frei widerruflich. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.12.1989 (FamRZ 1990, 392) die Frage offen gelassen, ob jeder Elternteil bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz die Zustimmung einseitig rechtswirksam widerrufen kann. Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 28.10.1988 (FamRZ 1989, 654; Übersicht zum Meinungsstand auf Seite 656) darauf hingewiesen, dass der übereinstimmende Elternvorschlag einerseits zu einer Befriedigung im Verhältnis der Eltern zueinander führen soll und zum anderen für das Gericht die Vermutung aufstellt, dass die Eltern in der Regel das Wohl des Kindes am besten beurteilen können und auch beachten werden. Die Vermutungsfunktion greife jedoch dann nicht mehr ein, wenn ein Elternteil aus nicht völlig unverständlichen Gründen von dem ursprünglichen gemeinsamen Vorschlag abgerückt ist.

    Angesichts dieser Rechtslage, die im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht geklärt werden kann, geht der Senat davon aus, dass die Kindesmutter ihre Zustimmung zur Übertragung des Sorgerechts bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens frei widerrufen kann, so dass es nicht darauf ankommt, ob sie die Erklärung gegenüber dem Familiengericht rechtswirksam abgegeben hat.

    Dennoch bleibt die Beschwerde ohne Aussicht auf Erfolg, denn es liegen auch die Gründe vor, die eine Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater nach Maßgabe des §§ 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB rechtfertigen.

    Es fehlt an einer tragfähigen sozialen Grundlage für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts, wie es mit der Beschwerde begehrt wird. Aus der Stellungnahme des Jungendamts vom 02.09.2009 (Bl. 27 der Akten) geht dessen Einschätzung hervor, dass Absprachen des Kindesvaters mit der Kindesmutter das gemeinsame Kind betreffend "quasi nicht möglich sind". Das Kind werde von der Mutter benutzt, sie emotional zu versorgen, was das Kind überlaste. In seiner Stellungnahme vom 08.12.2009 weist das Jugendamt auf ein psychologisches Sachverständigengutachten vom September 2007 hin, in dem die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater empfohlen worden sei. Das Jugendamt sieht es für die förderliche Entwicklung X.s als notwendig an, wenn der Kindesvater die elterliche Sorge allein ausübt. Dadurch werde dem Kind das notwendige Maß an Sicherheit, Kontinuität und Planungssicherheit geboten, um sich positiv entwickeln zu können. X. habe seinen festen Aufenthalt beim Kindesvater und lebe dort voll integriert in der Familie; der Vater stelle seine Hauptbezugsperson dar und ist nach Auffassung des Jugendamtes am ehesten geeignet, für den Sohn zu sorgen, während die Kindesmutter in der Wahrnehmung der Interessen für ihren Sohn als überfordert angesehen werde.

    Die Probleme der Mutter, mit ihrem Sohn altersgerecht umzugehen, sind in dem Bericht des Kinderschutzbundes vom 14.07.2009 (Bl. 4 ff. der Akten) ausführlich beschrieben. Darauf geht die Beschwerde nicht ein. Ebenfalls nicht auf den Vortrag des Vaters, nachdem die Kindesmutter im Juli 2006 das Kind anlässlich eines Umgangskontakts nicht mehr an den Vater herausgegeben hat und durch Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 03.08.2006 zur Herausgabe verpflichtet werden musste.

    Nach alledem ist die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater jedenfalls nach Maßgabe des §§ 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB gerechtfertigt. Die Eingriffsschwelle des § 1666 BGB muss nicht überschritten werden.

    Ostermöller Dr. Schweppe Held