OLG Frankfurt vom 09.03.2000 (5 UF 265/99)

Stichworte: Sorgerecht, Regel-Ausnahme-Prinzip Aufenthaltsrecht, Kindeswohl, Ausländer
Normenkette: BGB 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2, HMSA Art. 1 ff
Orientierungssatz: Die Frage, ob einem Ausländer wegen der Beziehung zu einem Kind, der Aufenthalt in Deutschland zu gestatten ist, muß im Rahmen des öffentlichen Rechts geklärt werden. Bei der Regelung der elterlichen Sorge ist das Kindeswohl ausschlaggebend.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für

hat der 5. Senat für Familiensachen des 0berlandesgerichts Frankfurt am Main auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht Frankfurt am Main vom 01.10.1999 am 09.03.2000 beschlossen:

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses und unter Zurückweisung des Antrags des Vaters wird die elterliche Sorge für T., geb. am 26.09.1997, der Mutter übertragen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 DM.

G r ü n d e :

Die Eltern von T. haben am 30.09.1997 geheiratet, getrennt leben sie seit dem 06.06.1998. Die Antragstellerin und das Kind besitzen die italienische Staatsangehörigkeit, der Antragsgegner die marokkanische. T. lebt bei der Mutter.

Die Antragstellerin hat beantragt, ihr die elterliche Sorge zu übertragen. Sie hat geltend gemacht, der Antragsgegner habe sich bisher kaum um die Tochter gekümmert und lebe in einem Männerwohnheim in einem Einzimmer-Appartement, in dem sich das Kind nicht länger zufriedenstellend aufhalten könne. Hauptgrund des Antrags sei jedoch, daß sie Angst habe, der Vater könne das Kind entführen. Zwar habe er dies nicht ausdrücklich geäußert, er habe ihr aber mitgeteilt, daß er aufenthaltsrechtliche Probleme habe.

Der Antragsgegner ist dem Antrag der Mutter entgegengetreten. Er hat ausgeführt, er habe sich immer um das Kind gekümmert. Er habe Interesse an ihm und wolle den Kontakt ausweiten. Die Entführungsangst der Antragstellerin entbehre jeder Grundlage. Es diene dem Kindeswohl, wenn er das Sorgerecht behalte, da hierdurch seine aufenthaltsrechtliche Position gesichert sei.

Das Jugendamt der Stadt Frankfurt am Main hat dargelegt, nach einigen Gesprächen - mit den Eltern allein oder gemeinsam - sei es nicht gelungen, bei der Mutter Zweifel und Ängste abzubauen und die Eheleute für die gemeinsame elterliche Sorge zu gewinnen. Da der Lebensmittelpunkt des Kindes im Haushalt der Mutter unstrittig sei und eine einvernehmliche Regelung nicht habe erreicht werden können, erscheine die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter anzustreben zu sein.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Mutter zurückgewiesen, da die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht am besten entsprechen würde. Zwischen Vater und Tochter bestünde eine gefestigte Bindung. Die mangelnde Kooperation der Eltern sei hauptsächlich auf das Verhalten der Mutter zurückzuführen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Im Anhörungstermin hat der Antragsgegner ebenfalls die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich beantragt.

Gemäß § 1671 Abs. 1, 2 Ziffer 2 BGB i. V. mit Art. 1 ff des Haager Minderjährigenschutzabkommens vom 05.10.1961 ist die elterliche Sorge für T. auf die Mutter zu übertragen, da zu erwarten ist, daß die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Antragstellerin dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

T. lebt seit der Trennung der Eltern bei der Mutter. Sie wurde von dieser versorgt, ohne daß es hinsichtlich der Betreuung des Kindes zu Beanstandungen gekommen wäre. Es ist kein Grund ersichtlich, daß es notwendig wäre, diese Situation zu verändern. Der Aufenthalt des Kindes bei der Mutter war unstrittig, der Antragsgegner hat auch nicht dargelegt, warum die Versorgung der Tochter bei ihm - bei einer Übertragung der elterlichen Sorge - besser gewährleistet wäre. Derzeitige Auseinandersetzungen zwischen den Eltern hinsichtlich des Umgangs des Vaters mit dem Kind gebieten es nicht, einen Wechsel zum Vater durchzuführen.

Für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf die Mutter (zur Frage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei einer Entscheidung zur elterlichen Sorge vgl. BGH FamRZ 1999, 1646) ist daneben maßgebend, daß derzeit eine tragfähige Kommunikation zwischen den Eltern über die Belange des Kindes nicht möglich ist (vgl. dazu BGH a. a. O.), auch wenn allein auf Seiten der Antragstellerin keine Bereitschaft besteht, die elterliche Sorge gemeinsam auszuüben. Die Einstellung der Antragstellerin zu dieser Frage erscheint nicht ohne jede Grundlage. Auch wenn der Antragsgegner keine Entführungsabsichten geäußert hat, kann dies für die Antragstellerin angesichts der Staatsangehörigkeit und von aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten ein Problem sein. Ein weiterer Hintergrund scheint der Verlauf der Ehe mit nur einem kurzen Zusammenleben nach der Heirat zu sein. Die Antragstellerin hat dargelegt, sie verstände sich nicht mit dem Antragsgegner, sie hätten sich damals gestritten.

Bei mangelnder Kooperationsfähigkeit und -willigkeit besteht für das Kind die Gefahr, das es in die Streitigkeiten der Eltern hineingezogen und Loyalitätskonflikten ausgesetzt wird. Die möglichen negativen Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Kindes lassen es dann sachgerechter erscheinen, einem Elternteil die Alleinsorge zu übertragen. Daß Auseinandersetzungen zwischen den Eltern stattfinden können, wird an den Ausführungen des Antragsgegners deutlich, daß die Antragstellerin der Auffassung sei, daß wohl allein nach ihren Vorstellungen, ihrem Kulturkreis und ihrer Religion das Kind zu erziehen sei, diese Ansicht könne nicht akzeptiert werden. Eine einvernehmliche Regelung über den Umgang des Vaters mit dem Kind konnten die Eltern bisher nicht erreichen. Dabei kam es schon zu einer Auseinandersetzung im Beisein T.s.

Das zwischen Vater und Tochter bestehende - auch im Anhörungstermin zum Ausdruck gekommene - gute Verhältnis, sollte im Rahmen des Umgangs erhalten und gestärkt werden. Durch die der Mutter zugesprochene elterliche Sorge könnte es dieser leichter fallen, einen weitergehenden Umgang des Vaters zu akzeptieren.

Im Rahmen der Regelung der elterlichen Sorge als nicht entscheidend erscheint, ob dadurch einem Elternteil eine stärkere Position für ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden könnte. Die Frage, ob einem Ausländer wegen der Beziehung zu einem Kind, der Aufenthalt in Deutschland zu gestatten ist, muß im Rahmen des öffentlichen Rechts geklärt werden. Bei der Regelung der elterlichen Sorge ist das Kindeswohl ausschlaggebend.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG.

Dr. Hartleib Held Tayefeh-Mahmoudi