OLG Frankfurt vom 29.09.1999 (5 UF 251/98)

Stichworte: VA, Ausschluß, Unbilligkeit, Altersunterschied Betriebsrentengesetzm Dynamik
Normenkette: BGB 1587c, BetriebsrentenG 16
Orientierungssatz: Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs bei Ehegatten mit größerem Altersunterschied; grds. Kein Ausschluß, weil der berechtigte Ehegatte als Rentner keine Anwartschaften mehr begründen konnte. Zur Dynamik von Rentenanwartschaften nach dem Betriebsrentengesetz.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf die Berufungsbeschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht Frankfurt am Main/Abt. Höchst vom 28.08.1998 am 29.09.1999 beschlossen:

Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich in dem angefochtenen Urteil (Ziff. 2. des Urteilstenors) wird abgeändert.

Vom Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, VSNR 54 041047 L 504, werden auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Seekasse, VSNR 53 150429 W 007, Rentenanwartschaften von monatlich 345,21 DM bezogen auf den 31.03.1996 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Zusätzlich werden vom Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, VSNR 54 041047 L 504 auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Seekasse, VSNR 53 150429 W 007, Rentenanwartschaften von monatlich 44,43 DM bezogen auf den 31.03.1996 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

Wert der Berufungsbeschwerde: (398,64-179,72)*12 = 2.627,04 DM

Gründe:

Die Antragstellerin ist am 04.10.1947, der Antragsgegner am 15.04.1929 geboren. Als die Parteien am 11.04.1986 die Ehe geschlossen haben, stand der Antragsgegner kurz vor der Vollendung seines 57. Lebensjahrs und die Antragstellerin war 38 Jahre alt. Seit dem 01.05. 1989 bezieht der Antragsgegner von der Seekasse eine Altersvollrente wegen Arbeitslosigkeit, die am 01.05.1994 in eine Altersvollrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres umgewandelt worden ist. Gemäß dem Rentenbescheid der Seekasse vom 17.03.1997 beträgt seine Rente monatlich 2.314,90 DM.

Die Antragstellerin hat im Scheidungsverfahren die Rechtsansicht vertreten, die Durchführung des Versorgungsausgleich sei aufgrund des hohen Altersunterschiedes der Ehegatten und des Umstands, daß der Antragsgegner schon während der Ehe eine vorzeitige Rente bezogen habe, grob unbillig. Der Antragsgegner habe durch seinen Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand bewirkt, daß er an dem Erwerb ihrer Rentenanwartschaften bei Durchführung eines Versorgungsausgleichs beteiligt werde, ohne durch pflichtgemäße eigene Anstrengungen weiter für sein Alter vorzusorgen. Entgegen der Behauptung des Antragsgegners sei sie mit dessen vorzeitigem Ruhestand nicht einverstanden gewesen.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Scheidungsverbundurteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen ihnen durchgeführt. Dabei hat es zu Lasten der Rentenanwartschaften der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des sog. Rentensplittings (§ 1587 b Abs. 1 BGB) und des sog. erweiterten Rentensplittings (§ 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) insgesamt monatliche Rentenanwartschaften von 179,72 DM auf das Rentenversicherungskonto des Antragsgegners bei der Seekasse übertragen und im übrigen (den ungekürzten Ausgleichsbetrag hat das Amtsgericht mit 389,51 DM berechnet) den Versorgungsausgleich nach § 1587 c Nr. 1 BGB wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen. Das Amtsgericht hat es aufgrund durchgeführter Beweisaufnahme für erwiesen angesehen, daß dem Antragsgegner sein ehemaliges Engagement als Musiker gekündigt worden sei und er sich nicht aus freien Stücken im Einverständnis mit der Antragstellerin entschieden habe, in den Vorruhestand zu treten. Es könne nicht Sinn des Versorgungsausgleichs sein, daß derjenige, der in den Ruhestand gehe und dementsprechend selbst keine Rentenanwartschaften mehr hinzu erwerben könne, alleine deshalb, weil er nach Eintritt des Ruhestandes noch verheiratet sei, über den Versorgungsausgleich höhere Rentenanwartschaften erhalten solle.

Demgemäß sei der Antragsgegner bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs so zu stellen, als hätte er seine Berufstätigkeit nicht schon am 30.04.1989 eingestellt. Wäre er bis zum Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren weiter versicherungspflichtig erwerbstätig geblieben, so hätte er ehezeitbezogen nicht nur 147, 43 DM sondern 386,23 DM an Rentenanwartschaften zuerworben. Im Rahmen des sich unter Annahme der fiktiven Rentenanwartschaft ergebenden Wertunterschieds sei der Versorgungsausgleich durchzuführen; darüber hinaus habe er zu unterblieben. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Berufungsbeschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Ein Härtefall im Sinne des § 1587 c BGB ist nach Meinung des Senats nicht gegeben.

Soweit es das Amtsgericht im Sinne des § 1587 c Ziff. 1 BGB für grob unbillig hält, daß der Antragsgegner nur durch die Ehe mit der Antragstellerin in die Lage versetzt ist, nach Eintritt in den Ruhestand mittels des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften zu erwerben, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist gerade Zweck des Versorgungsausgleichs dem Ehegatten, der nicht (mehr) oder in geringerem Umfang oder mit geringeren versicherungspflichtigen Einkünften erwerbstätig ist, einen Ausgleich zu verschaffen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der geringere Erwerb von Rentenanwartschaften nicht durch die Rollenverteilung in der Ehe oder sonst durch die Ehe bedingt ist. Der nicht erwerbstätige Ehegatte erhält grundsätzlich einen Ausgleich; nichts anderes kann im Grundsatz für den Rentner gelten (vgl. § 1587 Abs. 1 BGB). Nur wenn die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zu unbilligen Ergebnissen führt, greift die negative Härteklausel des § 1587 c BGB überhaupt ein. Ein unbilliger Einzelfall in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn der Ausgleich seinem Zweck, nämlich der Aufteilung der in der Ehe aufgrund einer gemeinsamen Lebensleistung erworbenen Anrechte zuwiderlaufen oder nicht zu einer angemessenen sozialen Sicherung beider Ehegatten führen würde (der Ausgleich also nicht mehr durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt wäre (BVerfGE 53, 257 und 66, 324 zur groben Unrichtigkeit siehe BGH FamRZ 1999, 497). Erwirbt nur ein Gatte während der Ehezeit Anrechte auf Altersversorgung während der andere Ehegatte bereits eine Rentenleistung bei Eheschließung bezieht, so folgt daraus allein keine Anwendung der Härteklausel (Borth, Versorgungsausgleich, 3. Auflage, Rn 741). Noch weniger ergibt sich ein Härtefall daraus, daß ein Ehegatte während der Ehe aus dem Erwerbsleben ausscheidet und ein Altersruhegeld bezieht, während der andere Ehegatte erwerbstätig bleibt und Rentenanwartschaften begründet. Es ist die übliche Gestaltung bei Ehen mit höherem Altersunterschied der Ehegatten. Daraus kann für sich keine Unbilligkeit des Ausgleichs hergeleitet werden. In solchen Fällen müssen andere Umstände hinzutreten um den Ausgleich als unbillig erscheinen zu lassen. Ein solcher Fall wäre gegeben, wenn der rentenbeziehende Ehegatte ausreichend gesichert wäre, während der andere Ehegatte bei Durchführung des Ausgleichs keine ausreichende Versorgung erreichen könnte, also ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zu Lasten des rechnerisch ausgleichspflichtigen Ehegatten bestehen würde (BGH FamRZ 1988, 489). Ein solches wirtschaftlichen Ungleichgewicht kann hier aber nicht festgestellt werden. Mittels des Versorgungsausgleich erreicht der Antragsgegner ein monatliches Einkommen aus der Altersrente von ca. 2.700,00 DM. Die Antragstellerin hat ausweislich der Rentenauskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 19.06.1997 im Jahre 1995 ein versicherungspflichtiges Einkommen von 93.600,00 DM erzielt. Durch die Kürzung ihrer Rentenanwartschaften um den Betrag des Ausgleichs wird ihre Altersvorsorge nicht gefährdet. Die Antragstellerin ist am 04.10.1947 geboren, kann noch weitere Rentenanwartschaften durch ihre Berufstätigkeit erwerben.

Als Härtegrund in Fällen wie dem vorliegenden kann auch in Betracht kommen, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte, der bereits in den Ruhestand getreten ist, seine Pflichten im Sinne des §§ 1353, 1356, 1360 BGB über einen längeren Zeitraum verletzt hat. Solche Pflichtverletzungen können hier ebenfalls nicht festgestellt werden. Es bestand keine familienrechtliche Verpflichtung des Antragsgegners, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erwerbstätig zu sein. Es kann insoweit nach Meinung des Senats dahinstehen, ob - wie das Amtsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme würdigt - dem Antragsgegner sein Engagement als Musiker gekündigt wurde oder ob er selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, wie der Zeuge X., der Kapellmeister, bei seiner kommissarischen Einvernahme durch das Amtsgericht Baden-Baden ausgesagt hat. Es kommt nach Meinung des Senats auch nicht entscheidend darauf an, ob der Eintritt in den Ruhestand zunächst auf einem gemeinsamen Entschluß der Ehegatten beruhte. Nachdem der Antragsgegner schon 1989 in den Ruhestand getreten ist, die Parteien sich aber erst im Jahre 1994 oder - wie das Amtsgericht festgestellt hat - spätestens 1995 getrennt haben, also zu einem Zeitpunkt, in dem schon der Bezug der Altersvollrente wegen Erreichen des 65. Lebensjahres einsetzte, ist der vorzeitige Ruhestand des Antragsgegners als Teil der Ehebiographie zu begreifen, deren Folgen von beiden Ehegatten hingenommen werden muß. Es kann schon allein wegen des zeitlichen Ablaufs nicht davon ausgegangen werden, daß der Fall des § 1587 c Nr. 2 BGB vorliegt, also ein zielgerichtetes Verhalten des Antragsgegners in der Absicht, in zeitiger Nähe zur Scheidung die Versorgungsausgleichsbilanz zu beeinflussen.

Der Versorgungsausgleich ist daher in vollem Umfang durchzuführen. Es ergibt sich unter Zugrundelegung der ehezeitlichen Anwartschaften der Parteien folgende Berechnung:

Anfang der Ehezeit: 01. 04. 1986 Ende der Ehezeit: 31. 03. 1996

Antragstellerin:

Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin 837,84 DM Versicherungsnr. 54 041047 L 504

Bei der Firma Universalcommunication Media Intensiv GmbH: Jahresrente 14.576,33 DM Betriebszugehörigkeit Anfang 16. 09. 1985 Altersgrenze 65 Am 04. 10. 2012 wird die Altersgrenze erreicht. Gesamtzeit (Tage): 9.881 in Ehezeit (Tage): 3.653 % 36,9699 Ehezeitanteil: 14576,33 * 36,9699% = 5.388,85 DM

Das Anrecht ist mittels der Barwert-Verordnung in ein vergleichbar volldynamisches Anrecht umzurechnen, wobei auch im Leistungsstadium keine volle Dynamik zu unterstellen ist. Aus der Mitteilung des Arbeitgebers im Schreiben vom 09.08.1996 (Bl. 13 der VA-Akten) ergibt sich, daß es sich bei den Rentenanpassungen um einen Fall des § 16 Betriebsrentengesetz handelt. Die laufenden Anwartschaften werden nur alle 3 Jahre um die Erhöhungsrate in der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht und erreichen schon deswegen nicht deren Dynamik. Während jeweils dreier Jahre steigen die Renten in der Rentenversicherung an, während die Versorgung bei der Fa. U.M. nicht erhöht wird. Durch die Erhöhung im dritten Jahr wird, selbst wenn sie an die durchschnittliche Erhöhung der gesetzlichen Rente in den letzten drei Jahren angepaßt wird, deren Dynamik deswegen nicht erreicht, weil die Betriebsrentner darauf drei Jahre warten mußten. Im übrigen ist in § 14 des Pensionplanes entsprechend § 16 Betriebsrentengesetz vorgesehen, daß sich die Firma verpflichtet, alle 3 Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei die besonderen Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage der Firma berücksichtigt werden (vgl. dazu BGH FamRZ 1987, 56).

BarwertVO Tabelle: 1 Alter bei Ehezeitende: 48 Barwertfaktor: 3,5 Barwert: 18.860,98 DM Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0001019084 Entgeltpunkte: 1,9221 ARW: 46,23 DM DM dynamisch: 88,86 DM

Übersicht:

splittingfähig 837,84 DM
BR schuldr. Inland 88,86 DM
BR insgesamt: 926,70 DM

Antragsgegner:

Bei der Seekasse 147,43 DM
BR Versicherungsnr. 53 150429 W 007

insgesamt: 147,43 DM

926,7 - 147,43 = 779,27 DM
BR Antragstellerin pflichtig: 389,64 DM

§ 1587b/I BGB:
BR (837,84 - 147,43) / 2 = 345,21 DM
BR Höchstausgleich nach § 1587b/V BGB 777,17 DM
BR Der Höchstwert ist nicht überschritten.
BR § 2 VAHRG 44,43 DM
BR 2 % der Bezugsgröße SGB4 § 18 82,60 DM
BR § 3b/I1 VAHRG möglich: 44,43 DM
BR erweitertes Splitting 44,43 DM

Entsprechend war die angefochtene Entscheidung abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a ZPO, die Wertfestsetzung aus § 17 a GKG.

Dr. Hartleib Meinecke Held