OLG Frankfurt vom 19.12.2011 (5 UF 245/11)

Stichworte: Beschwerdebefugnis; Beschwerdeberechtigung; interner Ausgleich; Geringfügigkeit; Billigkeit; privater Versorgungsträger; Beschwerdeberechtigung, privater Versorgungsträger;
Normenkette: FamFG 59 Abs. 1; VersAusglG 10, 18 Abs. 2; FamFG 59 Abs. 1; VersAusglG 10, 18 Abs. 2;
Orientierungssatz:
  • Auch private Versorgungsträger sind beschwerdebefugt, wenn der Versorgungsausgleich in einer mit der Gesetzeslage nicht übereinstimmenden Weise durchgeführt worden ist, denn neben eigenen finanziellen Belangen haben sie auch die Gesetzmäßigkeit der Festlegung zukünftig von ihnen zu erbringender Versorgungsleistungen zu wahren.
  • Bei der internen Teilung nach § 10 VersAusglG ist es geboten, auch die Fassung oder das Datum der Versorgungsregelung zu benennen.
  • Pensions- und Zulagenversicherung der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gruppe sind gemeinsam ein gefördertes Altersvorsorgevermögen im Sinne von § 10 a EStG, das nur gemeinsam geteilt werden darf.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen vom 03.05.2011

    am 19. Dezember 2011 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird unter Aufrechterhaltung der Entscheidung im Übrigen unter II. des Tenors in den Absätzen 2 und 4 wie folgt abgeändert:

    II. 2. Absatz: Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst- Gru VVaG in der Pensionsversicherung (1GA0), Mitgliedsnummer 07876380, zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 4.570,16 Euro nach Maßgabe der Satzung und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gru VVaG in der Fassung vom 01.01.2011, bezogen auf den 31.07.2010, übertragen.

    II. 4. Absatz: Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst- Gru VVaG in der Zulagenversicherung (1R02), Mitgliedsnummer 07876380, zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 149,50 Euro nach Maßgabe der Satzung und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Fassung vom 01.01.2011, bezogen auf den 31.07.2010, übertragen.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

    Beschwerdewert: 2 x 1.457,70 Euro = 2.915,40 Euro.

    Die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof wird zugelassen.

    Gründe:

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 03.05.2011 hat das Amtsgericht die Scheidung der am 17.11.2006 geschlossenen Ehe der beteiligten Eheleute ausgesprochen und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen. Die Scheidung ist seit 03.05.2011 rechtskräftig. Der Ausgleich der Anrechte der beteiligten Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung unter II. im ersten und dritten Absatz der Entscheidung ist von keiner Seite angegriffen worden.

    Die weitere Beteiligte zu 1) hat jedoch hinsichtlich der bei ihr bestehenden Anrechte Beschwerde eingelegt, weil das Amtsgericht bei der internen Teilung des Anrechts der Antragstellerin in der Pensionsversicherung nicht das maßgebliche Datum der Satzung in den Tenor aufgenommen hat sowie die Teilung der Zulagenversicherung mit einem Ausgleichswert von 149,50 Euro wegen Geringfügigkeit ausgeschlossen hat.

    Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin auch beschwerdeberechtigt, denn ein Versorgungsträger ist durch eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu einem bei ihm bestehenden Anrecht beschwert und damit nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, wenn der Versorgungsausgleich in einer mit der Gesetzeslage nicht übereinstimmenden Weise durchgeführt worden ist, unabhängig davon, ob die Entscheidung zu einer finanziellen Mehrbelastung des Versorgungsträgers führt oder nicht. Die Versorgungsträger haben nämlich neben eigenen finanziellen Belangen auch die Gesetzmäßigkeit der Festlegung zukünftig von ihnen zu erbringender Versorgungsleistungen zu wahren (OLG Saarbrücken, Beschl. vom 10.08.2011, 6 UF 82/11, mit zustimmender Besprechung Schwamb, FamFR 2011, 468; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 641; ebenso bereits zu dem bis 31.08.2009 geltenden Recht: BGH, NJW 2003, 3772, für die Beschwerdebefugnis privater Versorgungsträger). Dies muss - wie die vorliegende Fallkonstellation verdeutlicht - auch im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Anwendung des § 18 VersAusglG gelten. Gerade angesichts der nach neuem Recht fehlenden Möglichkeit zur späteren Abänderung von Entscheidungen über Versorgungen, die nicht zu den Grundversorgungen nach § 32 VersAusglG gehören, gewinnt die Möglichkeit der privaten Versorgungsträger, die Gesetzmäßigkeit ihrer Versorgungsleistungen in einer zweiten Instanz wahren zu können, noch mehr an Bedeutung (Schwamb, FamFR 2011, 468).

    Danach ist die Entscheidung des Amtsgerichts - mit Zustimmung der beteiligten Ehegatten - den Anträgen der Beschwerdeführerin entsprechend abzuändern. Zunächst ist unter II. im zweiten Absatz die Konkretisierung der Bezeichnung der zugrunde liegenden Satzung nachzuholen, denn es ist bei der internen Teilung nach § 10 VersAusglG geboten, auch die Fassung oder das Datum der Versorgungsregelung zu benennen (BGH FamRZ 2011, 547). Ferner ist unter Abänderung von II. im vierten Absatz des Beschlusses das im Sinne von § 18 Abs. 3 VersAusglG geringfügige Anrecht der Antragstellerin in der Zulagenversicherung bei zutreffender Ermessensausübung gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG ebenfalls auszugleichen, denn die Pensions- und Zulagenversicherung sind gemeinsam ein gefördertes Altersvorsorgevermögen im Sinne von § 10 a EStG, das nur gemeinsam geteilt werden darf (ebenso OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.04.2011, 6 UF 28/11, FamRZ 2011, 1733; NJW-Spezial 2011, 422; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.05.2011, 3 UF 53/11, unveröff.). Der Ausgleichswert der Zulagenversicherung von 149,50 Euro beruht auf der Berechnung der Beschwerdeführerin in der Auskunft vom 08.11.2010, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

    Die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung beruhen auf §§ 150 Abs. 1 und 4 FamFG, 50 Abs. 1 FamGKG.

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt, weil die Frage der Beschwerdebefugnis privatrechtlicher Versorgungsträger noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG).

    Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten: 1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, 2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. 3. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, vertreten lassen.

    Ostermöller Albrecht Schwamb