OLG Frankfurt vom 16.08.2010 (5 UF 236/10)

Stichworte: Verfahrensbeistand, Vergütungsanspruch, Entstehensvoraussetzungen;
Normenkette: FamFG 158 Abs. 4 S. 3, Abs. 7 S. 3; FamFG 61 Abs. 2; FamFG 158 Abs. 4 S. 3, Abs. 7 S. 3; FamFG 61 Abs. 2;
Orientierungssatz:
  • Voraussetzung der Entstehung des Vergütungsanspruches des Verfahrensbeistandes ist wie bei der gebührenorientierten Vergütung der Rechtsanwälte nach dem RVG, dass dieser über die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses hinaus irgend eine Tätigkeit in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG im Interesse des Kindes entfaltet
  • Die Beschwerde ist zulässig, wenn die Rechtspflegerin die wegen Unterschreitens des Mindestbeschwerdewertes an sich unstatthafte Beschwerde zugelassen hat (§ 61 Abs. 2 FamFG)
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend X. Y., geb. am 00.00.2005,

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf vom 23.06.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 01.06.2010 am 16. August 2010 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:

    Die dem Verfahrensbeistand für seine Tätigkeit aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 550,- EURO festgesetzt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse zur Last gelegt.

    Beschwerdewert: 550,- Euro

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenbach am Main hat am 04.11.2009 auf Anregung des Jugendamtes ein auf Entziehung der elterlichen Gesundheitssorge gerichtetes Verfahren gemäß § 1666 BGB eingeleitet. Nachdem die Kindesmutter zu dem am 24.11.2009 bestimmten Anhörungstermin nicht erschienen war, hat es mit Beschluss vom 27.11.2009 die Beschwerdeführerin gemäß § 158 FamFG als Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes bestimmt. Dabei hat es den Aufgabenkreis des Beistandes nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG erweitert und festgestellt, dass die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt wird. Die Beschwerdeführerin hat zunächst Einsicht in die Gerichtsakten genommen und sodann versucht, Kontakt mit der Kindesmutter aufzunehmen. Die an die Kindesmutter gerichtete Post konnte nicht zugestellt werden. Sodann hat sich die Beschwerdeführerin auch persönlich zur Meldeanschrift der Kindesmutter begeben, ohne sie dort anzutreffen. Mit Schreiben vom 02.02.2010 teilte das Jugendamt der Stadt Offenbach am Main mit, dass die Familie Y. vom Ordnungsamt von Amts wegen abgemeldet worden sei und nach der Auskunft eines Nachbarn zurück nach Polen verzogen sei. Das Amtsgericht ging insoweit von einer Erledigung des Verfahrens aus und entschied mit Beschluss vom 05.02.2010 über die Kosten des Verfahrens.

    Mit Schreiben vom 08.02.2010 hat die Beschwerdeführerin die Auszahlung einer Vergütung in Höhe von 550,- EURO nach § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG beantragt. Mit Beschluss vom 01.06.2010 hat die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts nach Anhörung des Bezirksrevisors den Antrag des Verfahrensbeistandes zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Nach Auffassung des Amtsgerichts sei ein Tätigwerden des Verfahrensbeistandes im Interesse des Kindes durch den Wegzug der Familie nicht möglich gewesen. Es käme allenfalls die Gewährung einer Zeitentschädigung in Betracht. Die Beschwerde des Verfahrensbeistandes richtet sich gegen die Nichtgewährung der Pauschale von 550,- EURO. Der Bezirksrevisor verteidigt die angefochtene Entscheidung.

    Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

    Auf das Verfahren sind gemäß Art 111 Abs. 1 FGG-RG die Vorschriften des FamFG anwendbar, da das Verfahren nach dem 1.9.2009 eingeleitet wurde.

    Die Beschwerde ist zulässig, weil die Rechtspflegerin die wegen Unterschreitens des Mindestbeschwerdewertes an sich unstatthafte Beschwerde zugelassen hat (§ 61 Abs. 2 FamFG). Der Beschluss vom 01.06.2010 über die Vergütungsfestsetzung ist eine Endentscheidung im Sinne des § 38 FamFG, gegen die gemäß §§ 58 ff. FamFG die Beschwerde eröffnet ist (BVerfG, FamRZ 2010, 185;). Die Beschwerde ist auch begründet. Der Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Verfahrensbeistandes ergibt sich vorliegend nach § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG. Mit dem Beiordnungsbeschluss hat das Amtsgericht dem berufsmäßig tätig werdenden Verfahrensbeistand auch die zusätzlichen Aufgaben übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des jeweiligen Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.

    Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 19.05.2010 (5 UF 139/10), auf den wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, ausgeführt hat, besteht auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Regelung bei der Anwendung von § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG kein Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum (OLG Frankfurt am Main, a. a. O.; BVerfG, a. a. O.; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.2.2010, 6 UF 29/10). Die Vergütungspauschale wurde vom Gesetzgeber (vgl. BT-Drucksache 16/9733, S. 294) unabhängig vom konkreten Arbeitsaufwand bestimmt. Gesetzgeberisches Ziel war eine unaufwändige und unbürokratische Handhabung des Festsetzungsverfahrens, insbesondere sollte sowohl für die Justiz als auch für den Verfahrensbeistand ein erheblicher Abrechnungs- und Kontrollaufwand erspart werden. Voraussetzung der Entstehung des Vergütungsanspruches des Verfahrensbeistandes ist wie bei der gebührenorientierten Vergütung der Rechtsanwälte nach dem RVG, dass dieser über die Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses hinaus irgend eine Tätigkeit in Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG im Interesse des Kindes entfaltet (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.02.2010, a. a. O.; OLG München, Beschluss vom 20.05.2010, 11 WF 570/10). Eine solche Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin hier bereits dadurch aufgenommen, dass sie Einsicht in die Gerichtsakten nahm. Dass es wie hier in Ausnahmefällen dazu kommt, dass der Verfahrensbeistand, etwa wegen Wegzuges des Kindes aus dem Bundesgebiet (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.02.2010, a. a. O.), die volle Gebühr für nur geringfügige Tätigkeiten verdient, ist dem eingeführten Vergütungssystem immanent und unter dem Gesichtspunkt einer sog. Mischkalkulation mit aufwendigeren Verfahren des berufsmäßig tätigen Verfahrenbeistands auch gerechtfertigt.

    Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung folgt aus § 35 FamGKG.

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG).

    Rechtsmittelbelehrung:

    Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

    die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben.

    Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Die Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesgerichtshof hat entweder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, zu erfolgen.

    Ostermöller Albrecht Dr. Dürbeck