OLG Frankfurt vom 19.04.2000 (5 UF 201/99)

Stichworte:
Normenkette: FGG 64 Abs. 3 S. 3, 57 Abs. 2 ZPO 621 e, 629a Abs. 2 BGB 1618
Orientierungssatz: Zum Beschwerderecht des (neuen) Ehemannes der Mutter gegen die Verweigerung der Ersetzung der Zustimmung zur Einbenennung (hier verneint); zu den Voraussetzungen der Erforderlichkeit der Ersetzung der Einwilligung in die Einbennung durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

betreffend die Einbenennung der Kinder

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familienge- richt - Hanau vom 09.07.1999 am 19.04.2000 beschlossen:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird als unzulässig verworfen, die Beschwerde der Beteiligten zu 1. als unbegründet zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; die Beteiligten zu 1. und 2. haben die dem Beteiligten zu 3. im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu je 1/2 zu erstatten.

Beschwerdewert: 5.000 DM.

Gründe

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag der Beteiligten zu 1. (Mutter) und 2. (Ehemann der Mutter) auf Ersetzung der Einwilligung des Beteiligten zu 3. (Vater) zur Änderung des Familiennamens der Kinder (Herrmann an Stelle von Takacs) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2., mit der sie weiter die Ersetzung der Einwilligung des Vaters anstreben.

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. (Ehemann der Mutter der Kinder) ist unzulässig. Ihm steht kein Beschwerderecht zu, weil er durch den angefochtenen Beschluß nicht in seinem Recht beeinträchtigt ist (§ 20 Abs. 1 FGG). Der Ehemann der Mutter hat kein subjektives Recht mit dem Inhalt, den Kindern seiner Ehefrau den Ehenamen zu erteilen. Zwar ist die Einbenennung (§ 1618 S. 1 BGB) von seiner Mitwirkung abhängig, weil auch sein Namensrecht betroffen ist. Die Ablehnung der Ersetzung der Einwilligung des Vaters berührt jedoch gerade keine subjektiven Rechte des Ehemannes der Mutter und stellt sich nicht als unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein ihm zustehendes Recht dar (Keidel/Kuntze/Winkler-Kahl, FGG, 14. Auflage, § 20 Rn 12). Der Beteiligte zu 2. hat auch kein Beschwerderecht im Sinne von § 57 Abs. 1 Ziff. 9 FGG, weil diese Vorschrift auf Familiensachen keine Anwendung findet. § 64 Abs. 3 S. 3 FGG erklärt § 57 Abs. 2 FGG auf Beschwerden nach §§ 621 e, 629 a Abs. 2 ZPO (um eine solche Beschwerde handelt es sich hier, wie unten noch ausgeführt wird) für entsprechend anwendbar. Danach findet Ziff. 9 der Vorschrift auf die sofortige Beschwerde keine Anwendung und auch nicht auf die befristete Beschwerde nach §§ 621 e, 629 a Abs. 2 ZPO (vergl. dazu Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 64, Rn 37 c, d).

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. (Mutter) ist zulässig.

Gegen Entscheidungen des Familiengerichts über die Ersetzung der Einwilligung des nichtsorgeberechtigten Elternteils in die Einbenennung des Kindes ist das Rechtsmittel der befristeten Beschwerde nach § 621 e ZPO gegeben ( BGH FamRZ 1999, 1648). Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 3. findet § 11 Abs. 2 RPflG keine Anwendung, sondern Abs. 1 der Vorschrift findet i. V. m. § 621 e ZPO Anwendung.

Die Beschwerde der Mutter ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung des Vaters der Kinder liegen nicht vor.

Nach § 1618 S. 4 BGB kann das Familiengericht die Einwilligung des nichtsorgeberechtigten Elternteils in die Einbenennung des Kindes nur ersetzen, wenn die Erteilung des Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Es genügt nicht, daß die Namenserteilung dem Kindeswohl dient. Die Verschärfung der Einwilligungsvoraussetzungen durch das Kindschaftsreformgesetz hat zur Folge, daß die Ersetzung der Einwilligung aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig sein muß und ein weniger schwerwiegender Eingriff in das Elternrecht des nicht- sorgeberechtigten Elternteils nicht ausreichend ist (vgl.: OLG Celle, FamRZ 1999, S. 1374 f.; OLG Frankfurt/Main, 6. Senat, FamRZ 1999, S. 1376 f.; OLG Hamm, FamRZ 1999, S. 1380 f.; OLG Frankfurt am Main, 1. Senat, Beschluß vom 9. 12. 1999 - 1 UF 334/98 -, Entscheidungssammlung der Familiensenate, Version 2000; Senat, Beschluß vom 10.03.1999, 5 UF 20/99 a.a.O.).

Die Rechtspflegerin hat nach Anhörung der Kinder und aller Beteiligten den Eindruck gewonnen, daß die Kinder zu ihrem leiblichen Vater eine persönliche Beziehung haben und sich häufigeren Umgang mit ihm wünschen. Die Kinder haben auf sie den Eindruck hinterlassen, daß sie unter den Spannungen zwischen ihren Eltern leiden. Ausdruck dieser Anspannung sei der Wunsch, nicht nur den Familiennamen ändern zu wollen, sondern auch den Vornamen. Daher sei es dem Kindeswohl abträglich, ihren Familiennamen zu ändern, weil sie damit nach außen die Herkunft aus ihrer früheren Familie verbergen müßten. Gerade durch das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem Vater und zu ihrer Mutter seien Probleme in der Entwicklung der Kinder entstanden. Ein derart gravierender Eingriff in das Elternrecht des Vaters, wie die Aufgabe seines Familiennamens, sei derzeit nicht angezeigt. Ein psychologisches Gutachten müsse nicht eingeholt werden.

Der Senat macht sich diese Einschätzung der Rechtspflegerin zu eigen. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens kann nicht festgestellt werden, daß die Ersetzung der Einwilligung in die Namensänderung zum Wohl der Kinder erforderlich ist.

Soweit mit der Beschwerde behauptet wird, ein besonderes Zugehörigkeitsgefühl der Kinder zu ihrem Vater sei nicht sichtbar geworden, kann der Senat dem aufgrund des Inhalts des Protokolls der Anhörung vom 14.06.1999 nicht folgen. Die Schilderung Daniels über den Besuchskontakt mit seinem Vater kann nur so gewürdigt werden, daß sowohl er als auch die Schwester in dem Beteiligten zu 3. ihren Vater sehen und an ihm interessiert sind. Unter den Bedingungen, die durch das Verhältnis der Eltern maßgeblich bestimmt sind, ist die Schilderung Daniels ein ernsthafter Ausdruck dieser Beziehung, der ernst genommen werden muß. Dies festzustellen erschließt sich dem Betrachter ohne weitere psychologische Kenntnisse, weswegen es der Einholung eines Sachverständigengutachtens deswegen nicht bedarf.

Der Wunsch der Kinder, den Familiennamen ihrer Mutter und des Beteiligten zu 2. anzunehmen, ist für sich nicht entscheidend. Verbunden mit dem geäußerten Wunsch, auch noch den Vornamen ändern zu wollen, ist diese Willensäußerung weniger als kindliches Bedürfnis zu qualifizieren, als vielmehr Ausdruck einer tiefen Verunsicherung, die bedenklich erscheint. Ebenso genügt der verständliche Wunsch, nach außen als Familie erscheinen zu wollen, nicht, zumal das Namensrecht wegen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten die Identifikation von Kindern mit der Familie durch Namensgleichheit nicht mehr durchweg unterstützt (dazu: OLG Hamm, FamRZ 1999, 1380, 1381). Unter den hier gegebenen Umständen wird eher der Wunsch der Mutter deutlich, sich von dem Beteiligten zu 3. als früheren, geschiedenen Ehegatten abzugrenzen und weiter, daß diesem Wunsch die Bindungen der Kinder zu ihrem Vater, die durch den gleichen Namen einen Ausdruck finden, symbolisch geopfert werden sollen. Demnach ist hier sogar davon auszugehen, daß die Namenserteilung dem Kindeswohl widerspricht.

Die Mutter hat bei der Anhörung ausgeführt, sie habe den Namen des Beteiligten zu 3. nicht behalten wollen, weil "sie ihren ersten Ehemann ablehnt". Diese Haltung der Mutter ist in Bezug auf die Kinder problematisch, wenn sie sich auf die Kinder überträgt, wofür nach dem Ergebnis der Anhörung durch die Rechtspflegerin Anhaltspunkte ergeben (etwa der Wunsch der Kinder, auch noch die Vornamen zu wechseln !). Die Herkunft von einem Vater, den die Mutter ablehnt, verunsichert Kinder, weil damit ein Teil ihrer eigenen Persönlichkeit von einem geliebten Menschen in Frage gestellt wird. Der Wunsch nach Abgrenzung enthält damit als Kehrseite eine geringe Bindungstoleranz was das Verhältnis der Kinder zum Vater betrifft und begründet im Kern den Wunsch, den Namen des Vaters aus der neuen Familie "zu entfernen". Von daher ist es leicht nachvollziehbar, daß die Mutter das Angebot des Beteiligten zu 3., einer Namensgebung nach § 1618 S. 2 BGB (Voranstellen des Ehenamens) zuzustimmen, ablehnt, obwohl dadurch das Erscheinungsbild der Familie nach außen besser verdeutlicht werden könnte.

Dieser Wunsch der Mutter nach Abgrenzung steht so im Vordergrund, daß eine realistische Einschätzung der weiteren Entwicklung kaum möglich erscheint. Soweit bei der Anhörung durch die Rechtspflegerin thematisiert worden ist, inwieweit die Einbenennung für die Zukunft der Kinder Bedeutung behalten könnte, führte die Mutter aus:

Sie kenne ihren jetzigen Ehemann seit 1995 und habe ihn - nach der am 17.07.1997 erfolgten Scheidung von dem Beteiligten zu 3. - am 28.11.1997 geheiratet. Sie könne sich nicht vorstellen, sich nochmals scheiden zu lassen, und wenn doch, dann werde sie auf jeden Fall den Nachnamen behalten. Sie und die Kinder würden ihren Namen später nie mehr ändern.

Hier steht in Frage, daß die Einbenennungsehe scheitern kann und die Kinder einen Namen führen müssen, zu dem sie nur eine vorübergehende Beziehung unterhalten haben, gleichwohl aber die Namensgleichheit mit ihrem Vater aufgeben mußten. Angesichts der Häufigkeit von Scheidungen muß bei der Abwägung mit in Betracht gezogen werden, daß die Kinder durch Einbenennung einen Verlust erleiden, ohne dadurch Sicherheit gewinnen zu können. Die Haltung der Mutter erscheint insoweit unrealistisch. Wieso sie glaubt, den neuen Ehemann nach der Scheidung weniger abzulehnen, als den alten, bleibt offen.

Das fachärztliche Attest der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. med. W. begründet keine andere Einschätzung. Daß beide Kinder von einem klaren, konsequenten Umfeld profitieren, leuchtet unmittelbar ein. Die Schlußfolgerung kann aber nicht übernommen werden, nämlich daß durch die Einbenennung Irritationen vermeiden würden. Irritationen der Kinder entstehen vorliegend eher durch die fehlende Bindungstoleranz der Mutter, die ihre Ablehnung des Vaters auf die Kinder überträgt. Diese Irritationen sind schwerwiegender, als Probleme der Kinder durch Namensungleichheit, zumal dem weitgehend durch die von dem Amtsgericht vorgeschlagene, von dem Beteiligten zu 3. gebilligte Voranstellung des Ehenamens der Mutter nach § 1618 S. 2 BGB Rechnung getragen werden könnte, was aber die Mutter ablehnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG, die Wertfestsetzung aus § 30 Abs. 2 KostO.

Meinecke Tayefeh-Mahmoudi Held