OLG Frankfurt vom 31.03.2000 (5 UF 171/98)

Stichworte: Versorgungsausgleich, Ehezeitende, Vereinbarung
Normenkette: BGB 1587 Abs. 2, 1587o, 242
Orientierungssatz: Zur Frage des Ehezeitendes im Versorgungsausgleich, wenn die Parteien nach Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags dieses zunächst nicht mehr betreiben, es "vergessen", sich erneut trennen, längere Zeit getrennt leben und einen neuen Scheidungsantrag stellen; Genehmigungsfähigkeit einer Vereinbarung über das Ehezeitende in solchen Fällen; Zulassung der Revision.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

weitere Beteiligte:

Landesversicherungsanstalt Hessen, vertreten durch die Geschäftsführung, Städelstraße 28, 60596 Frankfurt am Main, zu VSNR: 12 100452 H 023 und 12 170455 S 539,

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen - vom 17.06.1998 am 31.03.2000 beschlossen:

Die am 03.11.1999 vor dem beauftragten Richter des Senats geschlossene Vereinbarung der Parteien über den Versorgungsausgleich wird familiengerichtlich genehmigt.

Unter Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen - über den Versorgungsausgleich in dem angefochtenen Urteil werden von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Landesversicherungsanstalt Hessen, VSNR 12 100452 H 023, Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 312,67 DM auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Landesversicherungsanstalt Hessen, VSNR: 12 170455 S 539, bezogen auf den 31.07.1997, übertragen. Der Betrag ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Wert: bis 5.000,00 DM.

Gründe

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien aufgrund einer Ehezeit vom 01.12.1971 bis zum 31.07.1997 durchgeführt. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Dagegen richtet sich das Rechtsmittel des Antragstellers. Er war der Auffassung, es sei ein Ehezeitende am 30.09.1984 zugrunde zu legen, weil der Scheidungsantrag des Antragstellers, welcher der Antragsgegnerin am 11.08.1997 zugestellt worden sei, als Gegenantrag zu einem früheren Scheidungsantrag der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1984 zu werten sei (25 F 699/84 AG Gießen), den sie ohne die nötige Zustimmung des Antragstellers erst mit Schriftsatz vom 22.05.1998, nach Verbindung des alten Verfahrens mit dem jetzt von dem Antragsteller eingeleiteten, zurückgenommen habe.

Der Senat hat von der Landesversicherungsanstalt Hessen neue Rentenauskünfte eingeholt, wobei ein fiktives Ehezeitende am 31.12.1989 unterstellt worden ist. Demnach sind vom Beginn der Ehe bis zum 31.12.1989 Rentenanwartschaften auf Seiten des Antragstellers von 815,74 DM und auf Seiten der Antragsgegnerin von 190,40 DM bei der LVA Hessen erworben worden.

Mit dem Vergleich vom 03.11.1999, protokolliert von dem beauftragten Richter des Senats, haben die Parteien vereinbart, daß der Versorgungsausgleich unter Zugrundelegung einer Ehezeit vom 01.12.1971 bis zum 31.12.1989 durchgeführt werden soll.

Diese Vereinbarung war gemäß § 1587 o BGB zu genehmigen; sie entspricht einer angemessenen Teilhabe der Antragsgegnerin an den von den Parteien erworbenen Rentenanwartschaften.

Die Ehezeit im Sinne der Regelung des Versorgungsausgleichs (§ 1587 Abs. 2 BGB) wird nämlich stets durch den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt, der den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat (BGH FamRZ 1980, 522, 1991, 1042). Es kommt daher nicht auf den Scheidungsantrag an, aufgrund dessen die Ehe geschieden worden ist, sondern darauf, welcher Scheidungsantrag das Verfahren in Gang gesetzt hat, in dessen Verlauf die Scheidung dann ausgesprochen worden ist. Demnach wäre der von der Antragsgegnerin ursprünglich im Jahre 1984 eingereichte Scheidungsantrag maßgeblich geblieben. Denn dieser wurde nicht vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags des Antragstellers vom Juni 1996 zurückgenommen. Dem Amtsgericht war bei Einleitung des Scheidungsverfahrens auch das frühere Verfahren bekannt. Der Richter hatte unter dem 24.06.1997 die Beifügung der Akte 25 F 699/84 verfügt. Im Termin vom 23.04.1998 hat er auf das Verfahren hingewiesen. Die Scheidung erfolgte daher letztlich in einem einheitlichen Verfahren (vgl. dazu BGH Urteil vom 11.07.1979, FamRZ 1979, 905, 1980, 38). Bei dem Grundsatz, daß das Ehezeitende durch die Rechtshängigkeit des verfahrenseinleitenden Scheidungsantrag bestimmt wird, verbleibt es auch dann, wenn es nach Rechtshängigkeit für einen längeren Zeitraum zu einem Stillstand des Verfahrens kommt (BGH FamRZ 1980, 552 und 1986, 335). Allerdings kann dem anderen Teil dann unter Umständen die Berufung auf den früheren Zeitraum nach Treu- und Glauben verwehrt sein, wenn die Parteien - übereinstimmend - wenn vielleicht auch irrig, das Verfahren als erledigt betrachteten, eine gewisse Zeit wieder zusammenlebten und - bei Einreichung des neuen Scheidungsantrags nicht länger als ein Jahr erneut getrennt gelebt haben (BGH FamRZ 1986, 335, 1983, 35, 36). So liegt der Fall im Grundsatz hier. Im früheren Verfahren ist mitgeteilt worden, die Parteien hätten sich wieder geeinigt, das Verfahren solle abgeschlossen werden bzw. die Parteien setzten die Ehe fort, der Rechtsstreit solle nicht weiter fortgeführt werden. Unstreitig sind die Parteien davon ausgegangen, daß das alte Scheidungsverfahren beendet war. Der neue Scheidungsantrag wurde erst nach 12 Jahren eingereicht. Die Antragsgegnerin hat in dieser Zeit nur wenige Monate gearbeitet, sie hatte Kinder zu betreuen. Zwischen den Parteien herrscht allerdings Streit darüber, inwieweit sie noch bis 1990 zusammengelebt haben; jedenfalls danach haben sie getrennt gelebt, also länger als ein Jahr, als 1997 der neue Scheidungsantrag des Antragstellers eingereicht worden ist. Für diesen Fall einer lang andauernden erneuten Trennung der Ehegatten hat es der BGH (FamRZ 1986, 335-337) ausdrücklich offen gelassen, inwieweit es dann nach Treu- und Glauben geboten sein kann, einen früheren Zeitpunkt als den der Fortführung des Ehescheidungsverfahrens zugrunde zu legen. Es liegt daher im zulässigen Rahmen einer Interpretation des Grundsatzes von Treu- und Glauben, wenn die Eheleute durch Vertrag den Zeitpunkt ihrer erneuten Trennung zum Ende des Jahres 1989 als Ehezeitende wählen und damit auch den Streit über den exakten Zeitpunkt der Trennung schlichten.

Bei der Berechnung der der Versorgungsausgleichsentscheidung zugrunde zu legenden Rentenanwartschaften erscheint es sachgerecht, von dem Monatsende vor Zustellung des Scheidungsantrages auszugehen und entsprechend der Entscheidung des Bundesgerichtshofes FamRZ 1990, 273 zu verfahren, wie es in den eingeholten Auskünften, die zur Grundlage der Vereinbarung der Parteien gemacht wurde, geschehen ist. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.12.1985 (FamRZ 1986, 335) für den Fall der Einbeziehung weiterer Anwartschaften das Ende des Monats, der dem Antrag auf Fortführung des Verfahrens vorausgegangen ist, als maßgeblich angesehen. Vorliegend bestand die Vertrauensposition bis zur Zustellung des späteren Scheidungsantrags, nachdem das frühere Scheidungsverfahren als beendet angesehen worden war.

Auf der Basis der bis zum 31.12.1989 erworbenen beiderseitigen Rentenanwartschaften, jedoch unter Zugrundelegung des aktuellen Rentenwertes zum 31.07.1997 ergibt sich ein Wertunterschied von 625,34 DM (815,74-190,40) und ein Ausgleichsbetrag von 312,67 DM.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93a ZPO, die Wertfestsetzung aus § 17a GKG.

Der Senat hat die weitere Beschwerde zugelassen, weil die Frage der Berechnung des Versorgungsausgleichs im vorliegenden Fall, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist und die Anwendung von § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kommt.

Dr. Hartleib Meinecke Held