OLG Frankfurt vom 12.09.2006 (5 UF 166/06)

Stichworte: BarwertVO vom 3.5.2006 verfassungsgemäß.
Normenkette: BGB 1587 a Abs. 3
Orientierungssatz: Die BarwertVO vom 3.5.2006 ist trotz weiterhin möglicher Wertveränderungen infolge des gesetzlichen Umwertungsmechanismus nicht wegen Verstoßes gegen den Halbteilungsgrundsatz verfassungswidrig (entgegen OLG Oldenburg, Beschluss vom 28.07.2006, 11 UF 61/06).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen (Der Einzelrichter) des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die befristete Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom 10.07.2006 gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - B. vom 06.06.2006 am 12. September 2006 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch zum Versorgungsausgleich abgeändert.

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, Vers.-Nr. ..., werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Renten-versicherung Bund, Vers.-Nr. ..., Rentenanwartschaften von monatlich 147,09 EUR, bezogen auf den 31.12.2005 übertragen.

Zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners auf Zusatz-versorgung bei der VBL (Az. ...) werden auf dem o.g. Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund weitere Rentenanwartschaften von monatlich 17,79 EUR, bezogen auf den 31.12.2005 begründet.

Diese Monatsbeträge sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beteiligten werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 1.000,-- Euro.

Gründe:

Die am 15.03.1991 geschlossene Ehe der Parteien ist durch das nur hinsichtlich des Ausgleichs der Zusatzversorgungen der Parteien im Versorgungsausgleich angefochtene Urteil des Amtsgerichts B. vom 06.06.2006 geschieden worden. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich im Verbund durchgeführt und zugunsten der Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften von 147,09 EUR innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen sowie zu Lasten der Anwartschaften des Antragsgegners bei der VBL auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund weitere monatlich 15,11 EUR begründet. Dabei hat es die Zusatzversorgungen beider Parteien noch unter Anwendung der Barwertverordnung in der Fassung vom 26.05.2003, die jedoch mit Wirkung vom 01.06.2006 an erneut geändert worden ist, in eine volldynamische Rentenanwartschaft umgewertet.

Auf die zulässige Beschwerde der VBL ist das insoweit angefochtene Urteil deswegen hinsichtlich des Versorgungsausgleichs wie aus dem Tenor ersichtlich neu zu fassen.

Der Antragsgegner hat während der Ehezeit vom 01.03.1991 bis 31.12.2005 monatliche Rentenanwartschaften von 498,10 EUR bei der Deutschen Renten-versicherung Bund erworben, die Antragsgegnerin solche von 203,92 EUR. Die Hälfte des Differenzbetrags dieser beiderseitigen monatlichen Anwartschaften beträgt 147,09 EUR, die - wie vom Amtsgericht zutreffend vorgenommen - gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf das der Antragstellerin zu übertragen sind.

Die Antragstellerin hat darüber hinaus eine auf die Ehezeit bezogene, unverfallbare Anwartschaft bei der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt F.in Höhe von monatlich 76,17 EUR, der Antragsgegner eine solche von monatlich 194,92 EUR bei der VBL.

Diese beiden noch nicht bezogenen Anrechte der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sind im Anwartschaftsstadium statisch (BGH, Beschluss vom 7.7.2004, XII ZB 277/03, FamRZ 2004, 1474 f. unter II. 3. a), im Leistungsstadium dagegen als dynamisch zu beurteilen (BGH a.a.O. unter II. 3. b).

Um solche Versorgungsanrechte mit volldynamischen Anwartschaften vergleichbar zu machen, ist gemäß § 1587a Abs. 3 BGB eine Umrechnung ihres jeweiligen Jahreswertes mit einem um 50 % erhöhten Faktor der Tabelle 1 der neuen Barwertverordnung vom 03.05.2006 vorzunehmen (§ 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO) und der ermittelte Barwert mit den für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Rechengrößen in Entgeltpunkte und sodann in eine dynamische monatliche Rente umzuwandeln.

Dabei folgt der Senat entgegen den Bedenken des OLG Oldenburg (Beschluss vom 28.07.2006, 11 UF 61/06 - veröff. in juris -, Anmerkung Hauß, FamRB 2006, 266 ff.) weiterhin der noch zur BarwertVO vom 26.05.2003 ergangenen Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 23.07.2003, FamRZ 2003, 1639 ff., 1640, und vom 25.05.2005, FamRZ 2005, 1464 ff., 1467), wonach eine verfassungsrechtlich relevante Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes bereits nach der seinerzeitigen Neufassung der BarwertVO unter Berücksichtigung aktualisierter biometrischer Wahrscheinlichkeiten bis auf weiteres nicht mehr festzustellen sei. Mit den zum 01.06.2006 nochmals um ca. 30 % erhöhten Werten der bis 30.06.2008 befristeten BarwertVO vom 03.05.2006 und der Veränderung des Rechnungszinses (4,5 %) ist neueren Entwicklungen Rechnung getragen worden, so dass jetzt erst recht trotz weiterhin noch möglicher Wertveränderungen infolge des gesetzlichen Umwertungsmechanismus jedenfalls die Verfassungs-mäßigkeit des Ausgleichssystems unberührt bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.07.2003 a.a.O.).

Die nunmehr auf die Tabellen von Bergner (Beilage zur NJW, Heft 25/2006), der allerdings ebenfalls Prognosen über eine "mehr oder weniger unsichere" Wertentwicklung zugrunde legt, gestützte Entscheidung des OLG Oldenburg (a.a.O.) kann sich für ihre Gegenmeinung nicht auf die neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 02.05.2006 (FamRZ 2006, 1000 ff. und 1002 ff.) berufen, denn das Bundesverfassungsgericht hat darin ausdrücklich nur festgestellt, dass die Anwendung der alten BarwertVO in der Fassung vom 22.05.1984 - gerade im Vergleich zu den im Jahre 2003 aufgrund neuerer Erkenntnisse aktualisierten Werten - den Halbteilungsgrundsatz verletzt hat.

Die Notwendigkeit einer gewissen Typisierung und Vereinfachung bei der Umwertung nach der BarwertVO wird dabei im Übrigen auch vom Bundes-verfassungsgericht nicht in Abrede gestellt.

Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2006, 1000 ff., S. 1002 unter c), auch eine Anwendung der "neuen" BarwertVO (damals war damit noch diejenige vom 26.05.2003 gemeint) führe voraussichtlich zu einem verfassungs-widrigen Ergebnis war dabei nur auf den konkreten Fall einer festgestellten Teildynamik bereits im Anwartschaftsstadium eines Anrechts bezogen, während es im weiteren sogar ausdrücklich heißt, dass "ein statisches - nach der inzwischen erfolgten Änderung der biometrischen Daten verfassungsrechtlich unproblematisch - nach der Barwertverordnung zu bewerten" wäre.

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat trotz der noch fortbestehenden Problematik des gesetzlichen Umwertungsmechanismus keine Veranlassung, aus verfassungsrechtlichen Gründen einer Reform des Versorgungsausgleichs durch den Gesetzgeber vorzugreifen bzw. vom Verordnungsgeber abweichende andere Tabellen, die sich nicht auf § 1587a Abs. 3 BGB stützen können, zu verwenden.

Hiernach sind die 12 x 76,17 EUR = 914,04 EUR der Antragstellerin bei der ZVK nach dem Lebensalter der Antragstellerin zum Ende der Ehezeit von 41 Jahren mit dem Kapitalisierungsfaktor 4,0 + 50 % = 6,0 zu vervielfältigen, so dass sich ein Barwert von 5.484,24 EUR ergibt. Dies entspricht nach Multiplikation mit den für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Rechengrößen 0,0001734318 * 26,13 einer monatlichen dynamischen Rentenanwartschaft von 24,85 EUR.

Die 12 x 194,92 EUR = 2.339,04 EUR des Antragsgegners bei der VBL sind nach seinem Lebensalter zum Ende der Ehezeit von 40 Jahren mit dem Kapitalisierungsfaktor 3,8 + 50 % = 5,7 zu vervielfältigen, so dass sich ein Barwert von 13.332,53 EUR ergibt. Dies entspricht nach Multiplikation mit den für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Rechengrößen 0,0001734318 * 26,13 einer monatlichen dynamischen Rentenanwartschaft von 60,42 EUR.

Die Hälfte des Differenzbetrags dieser beiderseitigen monatlichen Anwartschaften aus den Zusatzversorgungen beträgt danach 17,79 EUR. Gemäß § 1 Abs. 3 VaHRG sind in dieser Höhe, bezogen auf das Ende der Ehezeit, weitere Renten-anwartschaften zugunsten der Antragstellerin zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 21 GKG, 93 a ZPO, die Wertfestsetzung folgt aus § 49 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgte gemäß §§ 621e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg.

Schamb