OLG Frankfurt vom 19.11.2004 (5 UF 165/01)

Stichworte: Versorgungsausgleich, Bezug einer öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung vor Vollendung des 65. Lebensjahres, Dynamisierung eines teildynamischen vorzeitig bezogenen Anrechts
Normenkette: VAHRG 1 Abs. 3, BarwertVO 2 Abs. 2, Abs. 5
Orientierungssatz: Zum Ausgleich eines Versorgungsanrechts der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, dessen dauerhafter Bezug nach Ende der Ehezeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres beginnt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die befristete Beschwerde der VBL vom 20.07.2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht -Wiesbaden vom 21.06.2001 am 19. November 2004 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert

Von dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der BfA, Konto-Nr. 52 010239 K 510, werden auf das Versicherungskonto des Antragstellers bei der Landesversicherungsanstalt Hessen, Konto-Nr.: 12 240346 L 034, Rentenanwartschaften von monatlich 25,93 EUR, bezogen auf den 30.09.1998, übertragen.

Zu Lasten der für die Antragsgegnerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe, Geschäftsnr.: VL 142 - L-Nr. 1 669 652 bestehenden Versorgungsanwartschaften werden auf dem o.g. Versicherungskonto des Antragstellers bei der LVA Hessen weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 18,07 EUR, bezogen auf den 30.09.1998 begründet.

Diese Monatsbeträge sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 1.000,-- DM.

Gründe:

Die am 10.08.1989 geschlossene Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 11.05.2000 geschieden worden.

Im abgetrennten Verfahren hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Versorgungsausgleich durchgeführt und zugunsten des Antragstellers monatliche Rentenanwartschaften von 50,71 DM innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen sowie zu Lasten der Anwartschaften der Antragsgegnerin bei der VBL auf dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der LVA Hessen weitere monatlich 18,92 DM begründet. Dabei hat es die Zusatzversorgungen der Parteien als statische Anwartschaften behandelt.

Auf die zulässige Beschwerde der VBL ist der Versorgungsausgleich wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern.

Die Antragsgegnerin hat während der Ehezeit vom 1.8.1989 bis 30.9.1998 monat-liche Rentenanwartschaften von 462,91 DM bei der BfA erworben, der Antragsteller solche von 361,50 DM bei der LVA Hessen. Die Hälfte des Differenzbetrags dieser beiderseitigen monatlichen Anwartschaften beträgt,

wie bereits vom Amtsgericht ausgeführt, 50,71 DM (462,91 DM -361,50 DM = 101,41 DM, hiervon 1/2), entsprechend 25,93 EUR, die dem Antragsteller gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB zu übertragen sind.

Der Antragsteller hat darüber hinaus eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Alters- und Invaliditätsversorgung bei der Deutschen Lufthansa AG in Höhe von monatlich 242,17 DM bzw. jährlich 2.906,04 DM. Wegen der Höhe dieses Ehezeitanteils wird auf die Auskunft der Lufthansa vom 05.12.2001 Bezug genommen. Die im Anwartschaftsstadium statische und im Leistungsstadium volldynamische Versorgung ist nach dem Lebensalter des Antragstellers zum Ende der Ehezeit von 52 Jahren mit dem Kapitalisierungsfaktor 5,4 gemäß Tabelle 1 der BarwertVO vom 26.5.2003 zuzüglich 65 % gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO zu vervielfältigen, so dass sich ein Barwert von 25.892,82 DM (2.906,04 DM * 8,91) ergibt. Dies entspricht nach Multiplikation mit den für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Rechengrößen 0,0000916571 * 47,65 einer monatlichen dynamischen Rentenanwartschaft von 113,09 DM.

Die Antragsgegnerin hat eine auf die Ehezeit bezogene, unverfallbare Anwartschaft bei der VBL in Höhe von monatlich 184,49 DM bzw. jährlich 2.213,88 DM, die sie seit 01.02.1999 bezieht. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 07.07.2004 (XII ZB 277/03) inzwischen entschieden, dass die Versorgungsanrechte der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium jedoch als volldynamisch zu beurteilen sind. Dies hat zur Folge, dass auch für dieses (zum Zeitpunkt des Endes der Ehezeit noch nicht bezogene) Anrecht eine Umrechnung nach der neuen Barwertverordnung vom 26.05.2003 mit einem um 65 % erhöhten Faktor des nunmehr zu ermittelnden Wertes der Tabelle 1 oder 2 vorzunehmen ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 in Verbindung mit Abs. 5 Barwertverordnung. Insoweit wird auch auf die ergänzenden Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vom 23.4.2002, 27.6.2003 und 15.9.2004 Bezug genommen.

Da die Antragsgegnerin die Versorgung bereits fünf Jahre vor Vollendung ihres 65. Lebensjahres bezogen hat, muss zunächst gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Barwert-verordnung festgestellt werden, ob der Kapitalisierungsfaktor der Tabelle 1 zuzüglich 5 x 8 % (Erhöhung für fünf Jahre vorzeitigen Bezug) oder der Tabelle 2 zuzüglich 5 x 12 % (Erhöhung für fünf Jahre vorzeitigen Bezug) heranzuziehen ist. Maßgeblich ist der höhere Wert. Nach dem Lebensalter der Antragsgegnerin zum Ende der Ehezeit von 59 Jahren ergibt sich aus Tabelle 1 ein Kapitalisierungs-faktor von 7,6 + 5 x 8 % = 10,64 und aus Tabelle 2 ein solcher von 7,2 + 5 x 12 % = 11,52, der mithin anzuwenden ist. Hiernach ist die o.g. Jahresrente von 2.213,88 DM mit dem Kapitalisierungsfaktor 11,52 + 65% (§ 2 Abs. 5 Barwertverordnung) = 19,008 zu vervielfältigen, so dass sich ein Barwert von 42.081,43 DM ergibt.

Dies entspricht nach Multiplikation mit der für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Rechengröße 0,0000916571 zunächst 3,8571 Entgeltpunkten und nach weiterer Multiplikation mit dem Rentenwert von 47,65 DM einer monatlichen dynamischen Rentenanwartschaft von 183,79 DM.

Hiernach sind im Wege des sogenannten Quasisplittings gemäß § 1 Abs. 3 VaHRG weitere 35,35 DM (183,79 DM -113,09 DM = 70,70 DM, hiervon 1/2) = 18,07 EUR monatliche Rentenanwartschaften zu Lasten der Versorgung der Antragsgegnerin bei der VBL auf dem Rentenkonto des Antragstellers bei der LVA Hessen zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO. Die Wertfestsetzung folgt aus § 17 a GKG in der Fassung bis 31.12.2001.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 621e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO bestehen keine Gründe, nachdem der Bundesgerichtshof die o.g. Grundsatzentscheidung zur Teildynamik der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes getroffen hat.

Held Kirschbaum Schwamb