OLG Frankfurt vom 19.05.2010 (5 UF 139/10)

Stichworte: Verfahrensbeistand, Vergütung;
Normenkette: § 23 FamFG; § 158 FamFG; § 168 Abs. 1 FamFG; § 23 FamFG; § 158 FamFG; § 168 Abs. 1 FamFG;
Orientierungssatz:
  • Der Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Verfahrensbeistandes richtet sich nach § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG. Er besteht für jedes betroffene Kind gesondert.
  • Die Fallpauschale ist regelmäßig nicht wegen eines geringeren Arbeitsaufwandes herabzusetzen.
  • Die erhöhte Fallpauschale des Verfahrensbeistandes ist in dem Moment als entstanden anzusehen, in dem dieser mit der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgabe begonnen hat.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache betreffend das Sorgerecht für die Kinder

    hier: wegen der Vergütung des Verfahrensbeistandes

    XYZ,
    BR Verfahrensbeistand und Beschwerdeführerin,

    weitere Beteiligte:

    Staatskasse des Landes Hessen, vertr. d. d. Bezirksrevisor bei dem LG Darmstadt,

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf vom 08.03.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 24.2.2010 am 19. Mai 2010 beschlossen:

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:

    Die dem Verfahrensbeistand für seine Tätigkeit aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 1.100,- EURO festgesetzt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse zur Last gelegt.

    Beschwerdewert: bis 1.200 Euro

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    Das Amtsgericht - Familiengericht - Offenbach am Main hat in dem auf Antrag des Jugendamtes des Kreises Offenbach vom 9.10.2009 nach § 8a KJHG eingeleiteten Verfahren zur Regelung des Sorgerechts für die oben genannten Kinder die Beschwerdeführerin für jedes Kind mit gesonderten Beschlüssen vom 28.10.2009 zum Verfahrensbeistand mit dem Aufgabenkreis nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG bestellt. Die Verfahrensbeistandschaft wird berufsmäßig geführt.

    Nachdem die Beschwerdeführerin die Übernahme der Tätigkeit angezeigt hatte, berichtete sie unter dem 31.10.2009, dass die Kinder nach den durchgeführten Ermittlungen inzwischen ihren Aufenthalt in Griechenland haben sollen. Das Verfahren vor dem Amtsgericht ist noch nicht abgeschlossen, es werden noch weitere Ermittlungen durchgeführt.

    Unter dem 2.11.2009 hat die Beschwerdeführerin eine Gesamtvergütung in Höhe von 1.100,- EURO nach § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG in Rechnung gestellt. Die zuständige Rechtspflegerin hat nach Anhörung des Bezirksrevisors nur eine Aufwandsvergütung in Höhe von 39,87 EURO für die Tätigkeit vom 31.10.2010 gemäß §§ 158 Abs. 7 Satz 3, 168 Abs. 1 FamFG festgesetzt. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin richtet sich gegen die Nichtgewährung der Pauschale von 550,- EURO für jedes betroffene Kind. Der Bezirksrevisor verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht ergänzend geltend, dass eine Pauschale von 550,- EURO unabhängig von der Anzahl der betroffenen Kinder nur je Rechtszug des Verfahrens zu erstatten sei.

    Die Beschwerde ist zulässig. Für das gesamte Verfahren sind gemäß Art 111 Abs. 1 FGG-RG die Vorschriften des FamFG anwendbar, da das Verfahren nach dem 1.9.2009 eingeleitet wurde. Der Beschluss vom 24.2.2010 über die Vergütungsfestsetzung ist eine Endentscheidung im Sinne des § 38 FamFG, gegen die gemäß §§ 58 ff. FamFG die Beschwerde eröffnet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.11.2009, 1 BvR 2146/09, FamRZ 2010, 185). Die eingelegte Beschwerde wahrt alle Form- und Fristerfordernisse, insbesondere ist auch der Beschwerdewert von 600 Euro erreicht (§ 61 FamFG).

    In der Sache ist die Beschwerde begründet.
    BR Der Verfahrensbeistand hat gemäß § 23 FamFG unter dem 2.11.2009 einen ordnungsgemäßen Antrag auf Einleitung des gerichtlichen Festsetzungsverfahrens nach §§ 158 Abs. 7 S. 6, 168 Abs. 1 FamFG gestellt. Die Antragstellung ist nach der gesetzlichen Regelung nicht davon abhängig, dass der jeweilige Rechtszug bereits abgeschlossen ist. Hierfür besteht auch materiell keine Notwendigkeit, da die Fallpauschale gemäß § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG im Gegensatz zu der früheren Gesetzeslage nach § 50 Abs. 5 FGG nicht mehr vom konkreten inhaltlichen und zeitlichen Umfang der geleisteten Tätigkeit abhängig ist.

    Der Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Verfahrensbeistandes richtet sich vorliegend nach § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG. Er besteht für jedes betroffene Kind in Höhe der Pauschale von 550,- EURO. Mit den Beiordnungsbeschlüssen vom 28.10.2009 hat das Gericht dem Verfahrensbeistand für jedes Kind die zusätzlichen Aufgaben übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des jeweiligen Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken.

    Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 23.12.2009 (5 UF 316/09 in FamRZ 2010, 666), auf den wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird, eingehend begründet hat, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 158 FamFG, dass die Fallpauschale für jedes Kind einzeln anzusetzen ist. Es besteht für jedes Kind eine gesonderte Verfahrensbeistandschaft, die das Amtsgericht vorliegend sogar durch isolierte Beschlüsse jeweils angeordnet hat. Dass die Beistandschaften für die Kinder von derselben Person wahrgenommen werden, ist für die Entstehung der Vergütung unerheblich. Der Verfahrensbeistand hat in diesen Fällen die Interessen und Bedürfnisse eines jeden Kindes separat festzustellen und zu Gehör zu bringen. Dies ist bei Geschwisterkindern regelmäßig mit einem höheren Aufwand verbunden, als bei Einzelkindern. Bereits numerisch ist eine Mehrzahl an Gesprächsterminen anzunehmen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die anzusprechenden weiteren Bezugspersonen (Lehrer, Betreuer etc.) identisch sind. Auch ist innerhalb eines Familiensystems unter Berücksichtigung der Alters- und Entwicklungsunterschiede der Kinder im Allgemeinen nicht von einem Interessen- und Bedürfnisgleichklang auszugehen. Es ist deshalb die Annahme gerechtfertigt, dass bei einer größeren Anzahl von Kindern eine ohnehin kaum kostendeckende Pauschale von einmalig 550,- EURO (einschließlich aller Auslagen und Mehrwertsteuer) eine Interessenwahrnehmung für mehrere Kinder unter keinen Umständen mehr möglich machen würde (ebenso OLG Stuttgart.,B.v.21.1.2010, 8 WF 14/10, FamRB 2010, 143; OLG Celle, B.v. 8.3.2010, 10 UF 44/10; Engelhardt in Keidel, FamFG, 16. Auflage, § 158, Rdnr. 47; Menne, ZKJ 2009, 68 ff., 74; Stößer, FamRZ 2009, 662; derselbe in Prütting/Helms, FamFG, § 158, Rdnr. 32; Schumann, Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., Band 4 - FamFG, § 158 Rdnr. 48 m. w. N.; Thesen der Arbeitskreise 10 und 11 des 18. Deutschen Familiengerichtstages 2009 in: Brühler Schriften zum Familienrecht 2010, 116 ff, 119 ff).

    Auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses, nach der die Fallpauschale wegen des geringen Arbeitsaufwandes auf eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 39,87 EURO herabzusetzen sei, trägt angesichts der eindeutigen Regelung des § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG nicht. Die gesetzliche Vergütungsregelung enthält, worauf auch das BVerfG hinweist (Beschl. v. 9.11.2009, 1 BvR 2146/09, FamRZ 2010, 185), keinen Auslegungs- , Ermessens- oder Beurteilungsspielraum. Der Senat folgt deshalb der Auffassung des 6. Senats für Familiensachen (Beschl. v. 19.2.2010, Az 6 UF 29/10), dass es nicht gerechtfertigt ist, die Fallpauschale deshalb herabzusetzen, weil es zu bestimmten übertragenen Tätigkeiten tatsächlich nicht gekommen ist. Die Pauschale wurde vom Gesetzgeber (vgl. BT-Drucksache 16/9733, S. 294) unabhängig vom konkreten Arbeitsaufwand bestimmt. Zielsetzung war eine unaufwändige und unbürokratische Handhabung des Festsetzungsverfahrens, insbesondere sollte sowohl für die Justiz als auch für den Verfahrensbeistand ein erheblicher Abrechnungs- und Kontrollaufwand erspart werden.

    Mit der Fallpauschale erfolgte eine Annäherung an die gebührenorientierte Vergütung der Rechtsanwälte nach dem RVG (vgl. BT-Drucksache 16/9733, S. 294; Münchner Kommentar, ZPO, FamFG, § 158 FamFG, Rdnr. 45). Da auch der Rechtsanwalt die Gebühr verdient, wenn er von einer Partei bestellt worden ist und eine gebührenpflichtige Tätigkeit aufgenommen hat, d.h. im Regelfall mit der Entgegennahme der ersten Informationen nach Erteilung des Auftrages, ist es auch für die Fallpauschale des Verfahrensbeistandes gerechtfertigt, die erhöhte Gebühr als in dem Moment entstanden anzusehen, in dem dieser mit der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgabe begonnen hat. Dass es ausnahmsweise dazu kommen kann, dass auch für nur geringfügige Tätigkeiten die volle Gebühr verdient wird, ist dem ohne Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeführten Vergütungssystem immanent und unter dem Gesichtspunkt einer sog. Mischkalkulation mit aufwendigeren Verfahren des berufsmäßig tätigen Verfahrenbeistands auch gerechtfertigt. Im Übrigen ist vorliegend festzustellen, dass das Verfahren vor dem Amtsgericht noch nicht beendet ist, sondern noch Ermittlungen durchgeführt werden, die im weiteren Verlauf zu zusätzlichen Tätigkeiten des Verfahrensbeistandes führen können, die von der kindbezogenen Fallpauschale bereits mit abgedeckt werden.

    Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung folgt aus § 35 FamGKG.

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG).

    Rechtsmittelbelehrung:

    Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof statthaft. Gemäß § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - Bundesgerichtshof, Herrenstrasse 45a, 76133 Karlsruhe - einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

    die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben.

    Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 S. 5 und 6 der ZPO gilt entsprechend. Die Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesgerichtshof hat entweder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 114 Abs. 2 FamFG) oder unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 3 FamFG durch eine zur Vertretung berechtigte Person, die die Befähigung zum Richteramt hat, zu erfolgen.

    Ostermöller Albrecht Held