OLG Frankfurt vom 06.12.1999 (5 UF 11/99)

Stichworte: Zwischenfeststellungsklage, Feststellungsinteresse Güterrecht, krotisches Statutenwechsel
Normenkette: EGBGB Art. 220 Abs. 3 Jugoslawisches Gesetz betreffend die Entscheidung über Gesetzes- und Zuständigkeitskollisionen in Status-, Familien- und Erbbeziehungen vom 27.02.1979
Orientierungssatz: Zum Güterrechtsstatut nach dem Auseinanderfallen Jugoslawiens

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Hartleib, den Richter am Oberlandesgericht Meinecke und die Richterin am Amtsgericht (abgeordnet) Tayefeh-Mahmoudi auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6.12.1999 für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, daß sich die ehegüterrechtlichen Verhältnisse der Parteien nach kroatischem Recht bestimmen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d :

Die Parteien hatten am 31.12.1970 in Cazma / Kroatien die Ehe geschlossen. Bis 1993 besaßen die Parteien die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Danach hatten die Klägerin nur die kroatische und der Beklagte die slowenische Staatsangehörigkeit. Im Jahre 1997 hat die Klägerin einen Einbürgerungsantrag gestellt, sie besitzt zwischenzeitlich auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zeitpunkt der Eheschließung lebten die Parteien bereits ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland, wo auch die zwischenzeitlich volljährige gemeinsame Tochter Natascha geboren wurde. Mit Senatsurteil vom 04.03.1996 ( 5 UF 270 / 95 ) wurde die Ehe der Parteien nach deutschem Sachrecht gemäß § 1565 Abs.1 BGB geschieden. Der Scheidungsantrag wurde am 04.08.1995 zugestellt.

Mit ihrer Klage vom 18.02.1997 hat die Klägerin Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 39.612,92 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit unter Anwendung deutschen Güterrechts als Zugewinnausgleich begehrt. Der Beklagte hat dagegen die Auffassung vertreten, daß kroatisches Güterrecht anzuwenden sei, wonach die Parteien in Errungenschaftsgemeinschaft gelebt hätten. Nach weiteren Antragstellungen der Klägerin - unter anderem auch basierend auf der Anwendung kroatischen Rechts bezogen auf einen Trennungszeitpunkt am 23.01.1995 - hat das Amtsgericht mit Urteil vom 09.12.1998 unter Abweisung der Klage im übrigen den Beklagten verurteilt, an die Klägerin als Zugewinnausgleich einen Betrag von 28.353,94 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.03.1997 zu zahlen. Es hat die Auffassung vertreten, daß auf den vorliegenden Rechtsstreit deutsches Recht zur Anwendung komme. Zwar gelte für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Parteien gemäß Art. 15 i. V. m. Art 14 Abs.1, Ziff.1 EGBGB jugoslawisches Recht. Es bestehe jedoch die Besonderheit, daß sowohl nach deutscher als auch kroatischer und slowenischer Auffassung die ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien untergegangen sei und es somit ein jugoslawisches Recht nicht mehr gäbe. Im übrigen wird wegen der Bewertung und Berechnung des Zugewinns und des Ausgleichsbetrags auf das amtsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt. Er stellt das Urteil sowohl im Hinblick auf die Frage, welches Recht anzuwenden ist, als auch wegen der Berechnung des Ausgleichsbetrags zur Überprüfung.

Zur Frage, welches Recht anzuwenden ist, beantragt er im Wege einer Zwischenfeststellungsklage, festzustellen, daß sich die ehegüterrechtlichen Verhältnisse zwischen den Parteien nachkroatischem Recht bestimmen. Die Klägerin beantragt, den Feststellungsantrag abzuweisen. Sie ist mit dem Amtsgericht weiterhin der Auffassung, daß in erster Linie deutsches Sachrecht anzuwenden sei.

Die Parteien sind Miteigentümer zur ideellen Hälfte eines während der Ehezeit erworbenenHausgrundstücks in X., in dem die Ehewohnung gelegen war und das nach der Ehescheidung bis heute vom Beklagten weiter bewohnt wird. Wegen dieses Grundstücks schwebt beim Amtsgericht Hochheim ein von der Kläger- in angestrengtes Verfahren auf Auseinandersetzungsversteigerung.

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Das Begehren des Beklagten, vorab festzustellen, daß sich die ehegüterrechtlichen Verhältnisse der Parteien nach kroatischem Recht bestimmen, ist als Zwischenfeststellungsklage - auch in der Berufungsinstanz (Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. § 256 Rn. 141) - zulässig ( § 256 Abs. 2 ZPO ). Der zwischen den Parteien bestehende Streit über die Frage, welches Recht anzuwenden ist, bezieht sich auf ein Rechtsverhältnis, wobei unter dem Begriff Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO subjektive Rechte jeder Art fallen, gleich ob daraus Ansprüche auf Leistung, Duldung oder Unterlassung hervorgehen oder nicht (vgl. Stein/Jonas a. a. O. Rn 21 ff).

Von dem Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses ist die Entscheidung des Rechtsstreits auch ganz oder zum Teil abhängig, da die Auseinandersetzung des Vermögens der Parteien von dem anzuwendenden Güterrecht bestimmt wird. Daß u. U. bei vollständiger Prüfung der Begründetheit des Antrags nach den in Betracht kommenden Rechtsordnungen die Frage, welches Recht anzuwenden wäre, dahingestellt bleiben könnte, hindert die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage nicht. Das Gericht ist nämlich nicht gezwungen, Vorfragen dahinstehen zu lassen (Stein/Jonas a. a. O. Fn. 321; OLG Köln MDR 1981, 678), vielmehr kann deren Entscheidung prozeßökonomischer sein.

Nicht gebunden ist die Zwischenfeststellungsklage an die Voraussetzung eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses. Für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage genügt die bloße Möglichkeit, daß das inzident ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über dem gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann. Etwas anderes gilt nur, wenn die künftige Irrelevanz für weitere mögliche Streitigkeiten offen zu Tage tritt, wenn das Rechtsverhältnis bereits in vollem Umfang den Gegenstand der Hauptklage bildet, so daß die über sie ergehende Entscheidung das streitige Rechtsverhältnis mit Rechtskraftwirkung klarstellt (vg.. dazu BGH NJW 1977, 1637; Stein/Jonas a. a. O.). Dieses ist nicht der Fall. Wird über präjudizelle Rechtsverhältnisse nur als Vorfrage entschieden, so erwachsen die Feststellungen hierzu nicht in Rechtskraft (vgl. Zöller ZPO, 21. Aufl. vor § 322 Rn. 34, BGH NJW 1996, 58). Das zu klärende Rechtsverhältnis kann auch Auswirkungen auf einen weiteren Streit zwischen den Parteien haben. Es schwebt nämlich das Auseinandersetzungsverfahren hinsichtlich des den Parteien gehörenden Hausgrundstücks, das nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Insoweit wäre ebenfalls von Bedeutung, ob die Auseinandersetzung nach kroatischem Recht - dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft - oder nach einer anderen Rechtsordnung zu beurteilen ist.

Die Zwischenfeststellungsklage ist begründet. Es ist festzustellen, daß die ehegüterrechtlichen Verhältnisse der Parteien sich nach kroatischem Recht bestimmen.

Anknüpfungspunkte für das maßgebliche Recht ist, da die Parteien nach dem 31.03.1953 und vor dem 08.04.1983 die Ehe geschlossen hatten, Art. 220 Abs. 3 EGBGB. Nach Absatz 3 Satz 1 Ziffer 1 unterliegen bis zum 08.04.1993 die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe, dem Recht des Staates dem beide Ehegatten bei der Eheschließung angehörten. Nach Satz 2 der Bestimmung ist für die Zeit nach dem 08.04.1983 Art 15 EGBGB anzuwenden. Danach unterliegen nach Absatz 1 die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Nach Art. 14 Abs. 1 Ziffer 1 EGBGB ist dieses zunächst das Recht des Staates, dem beide Ehegatten - bei der Eheschließung - angehören. Da beide Parteien zu den maßgeblichen Zeitpunkten Angehörige des der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawiens waren, ist nach Art. 220 Abs. 3 EGBGB kein Statutenwechsel eingetreten, bestimmen sich die güterrechtlichen Wirkungen nach jugoslawischem Recht.

Der jugoslawische Staat besaß mehrere Teilrechtsordnungen, so daß nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB nach jugoslawischem Recht zu beurteilen ist, welche von ihnen anzuwenden ist. Maßgeblich war insoweit das Gesetz betreffend die Entscheidung über Gesetzes- und Zuständigkeitskollisionen in Status-, Familien- und Erbbeziehungen vom 27.02.1979 (vgl. Art. 1; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.1994, 1 UF 76/94, FamRZ 1995, 1203). In Art. 3 des Gesetzes war vorgesehen, daß, wenn das Recht eines anderen Staates darauf verweist, daß auf Rechte und Verbindlichkeiten eines Staatsangehörigen von Jugoslawien das Recht des Staates angewendet wird, das maßgebliche Recht das der Republik ist, auf deren Territorium der Wohnsitz besteht und bei Fehlen eines Wohnsitzes das Recht der Republik, deren Staatsangehöriger er ist, maßgeblich ist. Art. 16 sah ergänzend vor, daß für die Vermögensbeziehungen von Ehegatten zunächst das Recht der Republik maßgebend ist, auf deren Territorium sie den gemeinsamen Wohnsitz haben (Abs. 1). Hatten die Ehegatten keinen Wohnsitz auf dem Territorium einer Republik oder des Staates Jugoslawien, so ist insoweit das Recht der Republik, deren Staatsangehörige sie sind, maßgeblich, fehlt es hieran, so ist das Recht der Republik anzuwenden, für das sie sich einvernehmlich entschließen, ist ein solches nicht gegeben, so ist das Recht der Republik, auf deren Territorium die Ehe geschlossen worden ist, entscheidend (Abs. 2, 3).

Vorliegend ist danach - da es an einem gemeinsamen Wohnsitz und einer übereinstimmenden Republikangehörigkeit und einem Einvernehmen über das anzuwendende Recht fehlt - das Recht des Eheschließungsortes von Bedeutung. Dieser lag in Kroatien.

Das am 01.01.983 in Kraft getretene IPR-Gesetz der SFR Jugoslawien steht der Verweisung auf kroatisches Güterrecht nicht entgegen, und zwar unabhängig von der Frage, ob dieses Gesetz hier überhaupt wegen des Vorliegens einer Beziehung, die vor seinem Inkrafttreten entstanden ist, Anwendung findet (vgl. Art. 107 des Gesetzes). Das jugoslawische Recht hätte die Verweisung nämlich angenommen, da nach Art. 36 Abs. 1 für die vermögensrechtlichen Beziehungen das Recht des Staates maßgebend ist, dessen Staatsangehörigkeit die Ehegatten besitzen (zur Rück- und Weiterverweisung vgl. Art. 4 EGBGB).

Trotz des Auseinandergehens der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ist der Senat der Auffassung, daß sich die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe der Parteien weiterhin nach der zuvor dargestellten Rechtslage richten. Dafür spricht der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterstatuts. Die güterrechtlichen Verhältnisse bedürfen besonderer Stetigkeit, es sollen Schwierigkeiten bei einer Überleitung vermieden werden (vgl. dazu Staudinger BGB 1996 Art. 15 EGBGB Rn. 43 ff). Bei einem Weiterbestand der SFR Jugoslawien wäre es nicht zu einem Wandel des Güterstatuts gekommen. Die Parteien waren mit dem Staat Jugoslawien weiter verbunden, da sie bis 1993 dessen Staatsangehörigkeit besaßen, Slowenien und Kroatien bildeten bereits zuvor selbständige Staaten. Auch das bei den Akten befindliche Gutachten des DNotI vom 14.03.1996 spricht von praktischen Bedürfnissen, den bisherigen Güterstand beizubehalten. Die Anwendung des neuen kroatischen internationalen Privatrechts hat nicht mehr zu erfolgen, da über das Kollisions- und interlokale Recht bereits das anzuwendende materielle Güterrecht festgelegt worden ist.

Der Senat läßt allerdings nach §§ 546 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1, 621 d ZPO die Revision zu. Die Frage der Bestimmung des für die früheren Angehörigen der SFR Jugoslawien maßgeblichen Güterrechts erscheint von grundsätzlicher Bedeutung.

Dr. Hartleib Tayefeh-Mahmoudi Meinecke