OLG Frankfurt vom 14.10.1999 (5 UF 118/98)

Stichworte: Sorgerecht, Kindschaftsreformgesetz, Kooperationsfähigkeit
Normenkette: BGB 1671
Orientierungssatz: Die wesentliche Grundvoraussetzung für das gemeinsame Sorgerecht, nämlich eine ausreichende Kommunikationsbasis zwischen den Eltern, die ein gemeinsames Agieren unter Zurückstellung der Partnerprobleme zum Wohl des Kindes gewährleisten, ist vorliegend nicht gegeben (vgl. u. a. OLG Dresden, FamRZ 1999, 1156; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1157 Nr. 773 und 774).

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des 0berlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Antragstellers vom 12.06.1998 gegen die Sorgerechtsentscheidung im Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 30.04.1998 am 14.10.1999 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.500,00 DM.

G r ü n d e :

Die gemäß § 629 a Abs. 2 i. V. m. § 621 e ZPO zulässige Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat zu Recht das alleinige Sorgerecht für das gemeinsame Kind der Parteien, T., geboren an 18.01.1990, der Antragsgegnerin übertragen.

Die zwischenzeitlich geänderte Rechtslage aufgrund des zum 01.07.1998 in Kraft getretenen Kindschaftsreformgesetzes ändert an den Feststellungen des Amtsgerichts zur Sorgerechtsregelung nichts. Das Begehren des Antragstellers, ihm nunmehr das gemeinsame Sorgerecht zu übertragen, ist nicht gerechtfertigt.

Eine Diskussion, ob nach neuem Recht die gemeinsame Sorge der Regelfall sein soll oder eine Alternative zur Ausübung des alleinigen Sorgerechts, kann hier dahinstehen, da in beiden Fällen zu prüfen ist, welche Regelung dem Kindeswohl am besten dient, wobei zur Frage des gemeinsamen Sorgerechts noch die weitere Prüfung anzustellen ist, ob zwischen den Parteien ein zum Wohle des Kindes bestehendes Einverständnis zur Erziehung und sonstigen Belangen des Kindes gewährt ist.

Vorliegend ist das elterliche Sorgerecht für T. der Kindesmutter alleine zu übertragen, da dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Akteninhalt, der Anhörung der Parteien sowie der Anhörung des Kindes. Die Kindesmutter ist die alleinige Bezugsperson des Kindes von klein auf gewesen und nach der Übersiedlung nach Deutschland und der Trennung der Parteien hat weiterhin die Kindesmutter die tatsächliche Sorge für das Kind ausgeübt. Zwar hat sich der Vater im Rahmen eines anhängig gemachten einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Übertragung des elterlichen Sorgerechts auf ihn alleine bemüht, vordringlich war jedoch in diesem Verfahren die Regelung eines Umgangs mit dem Kind begehrt worden. Dementsprechend ist auch dieses einstweilige Anordnungsverfahren mit einer Vereinbarung zum Umgangsrecht beendet worden.

Der Sohn T. hat in seiner Anhörung vor dem Berichterstatter des Senats eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er bei seiner Mutter leben möchte und daß er dort das Umfeld hat, auch durch die mitbetreuende Urgroßmutter, im dem er sich am wohlsten fühlt und wo die weitere Entwicklung von T. am besten gedeiht. Zwar besteht ein Verhältnis zum Vater, das jedoch nicht die Tiefe und tragfähige Bindung aufweist, als daß dem Vater das Sorgerecht zumindest teilweise mit übertragen werden kann. Insbesondere hier hat Dennis zum Ausdruck gebracht, daß er Angst vor seinem Vater hat, da er in der Vergangenheit von seinem Vater auch bereits handgreiflich gezüchtigt worden ist. Der Vater hat insbesondere diesen Bekundungen seines Sohnes nicht widersprochen, so daß von dem Wahrheitsgehalt dieser Bekundungen des Sohnes auszugehen ist. Im übrigen hat der Sohn auch einen sehr reifen Eindruck hinterlassen, der den von ihm ausgesprochenen Willen nicht als unbeachtlich erscheinen läßt.

Würde man dem Vater das gemeinsame Sorgerecht einräumen, könnte dies zu einem nicht unerheblichen Eingriff in das Kindeswohl führen. Dies ist insbesondere darauf abzustellen, daß die Eltern untereinander nicht die Einsicht aufbringen, gemeinsame Entscheidungen für den Sohn treffen zu können. Die Antragsgegnerin hat auch in ihrer Anhörung glaubhaft bekundet, daß zwischen ihr und dem Antragsteller keinerlei Gemeinsamkeiten mehr bestünden, auch nicht im Hinblick auf die das Kind betreffenden Belange. Sie hat eindeutig erklärt, daß es wegen jeglichen Kleinigkeiten schon zu Streitigkeiten komme, die auch in Gesprächen nicht ausgeräumt werden können. Dies hat sich auch in der Anhörung vor dem Berichterstatter manifestiert. Selbst während des Anhörungstermins konnten keine Übereinstimmungen über das Kind betreffende Belange erzielt werden. Obwohl sich im Termin der Antragsteller weitgehendst zurückgehalten hat, war jedoch aus dem Verhalten der Parteien zueinander zu erkennen, daß keiner bereit war, auf den anderen zuzugehen und zu versuchen, Gemeinsamkeiten zu erarbeiten. Dabei ist insbesondere keine Kompromißbereitschaft erkenntlich gewesen. Dies dürfte auf der Unfähigkeit der Antragsgegnerin derzeit basieren, in Kommunikation mit dem Antragsteller zu treten. Es bestand auch nicht ein Potential der Bereitschaft, ureigenste Belange der Parteien, die belastete Beziehung zwischen den Parteien, zu erkennen.

Die wesentliche Grundvoraussetzung für das gemeinsame Sorgerecht, nämlich eine ausreichende Kommunikationsbasis zwischen den Eltern, die ein gemeinsames Agieren unter Zurückstellung der Partnerprobleme zum Wohl des Kindes gewährleisten, ist vorliegend nicht gegeben (vgl. u. a. OLG Dresden, FamRZ 1999, 1156; OLG Düsseldorf, FamRZ 1999, 1157 Nr. 773 und 774).

Im übrigen scheint dem Antragsteller das Wohlergehen seines Kindes auch nicht im Übermaße nach außen hin in Erscheinung zu treten, was sich aus dem unbestrittenen Vortrag nach Anhörung der Parteien ergibt, daß der Antragsteller die von ihm zu leistenden Unterhaltszahlungen gekürzt hat bzw. nicht mehr erbringt. Zwar ist die Frage der Unterhaltsleistungen mit der Frage des Sorgerechts nicht verknüpfbar, da es sich um zwei verschiedene rechtliche Bezüge handelt, auf der anderen Seite läßt sich jedoch aus bestimmten Verhaltensweisen auch im Hinblick auf die Frage der Unterhaltsgewährung auf eine gemeinsam begehrte Tragung der Verantwortung Rückschlüsse ziehen.

Mit der getroffenen Sorgerechtsregelung hat der Senat keine Aussagen zu der Erziehungsfähigkeit beider Parteien getätigt, bei seiner Entscheidung ist der Senat davon ausgegangen, daß beide Elternteile erziehungsgeeignet sind. Dies schließt jedoch nicht mit ein, daß sie auch geeignet sind, eine gemeinsame Sorge zu tragen und zu verwirklichen.

Das Sorgerecht für T. war daher gemäß § 1671 Abs. 2 Ziffer 2 BGB der Antragsgegnerin weiterhin alleine zu übertragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 12 Abs. 2 Satz 3 GKG.

Meinecke Held Schweitzer