OLG Frankfurt vom 23.10.2003 (5 UF 112/03)

Stichworte: VA, Ausschluß, Finanzierung des Studiums des Gatten
Normenkette: BGB § 1587c Nr. 1, 3
Orientierungssatz: Die grobe Unbilligkeit eines Ausgleichs kann vielmehr schon durch den Umstand begründet werden, daß ein Ehegatte, der durch seine Erwerbstätigkeit dem anderen bereits erhebliche und dauerhafte Vorteile in der Form einer qualifizierten Ausbildung hat zukommen lassen, an deren wirtschaftlichem Ertrag er infolge Scheiterns der Ehe nicht mehr teilnehmen kann, mit dem Versorgungsausgleich gleichsam nochmals zum Vorteil des schon durch die Ausbildung begünstigten anderen Ehegatten ein Vermögensopfer erbringen müßte.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

B E S C H L U S S

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht Held als Einzelrichter auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Gießen - vom 17.03.2003 am 23.10.20003 beschlossen:

Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gem. Ziff. III des Urteilstenors wird abgeändert. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben. Beschwerdewert: 1.082,28 EUR

Gründe:

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Scheidungsverbundurteil die 1988 geschlossene Ehe der Parteien geschieden, die Gesundheitsfürsorge für das gemeinsame Kind der Parteien. X., geb. am 20.11.2000, auf die Antragstellerin übertragen (unter Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge der Parteien im übrigen) und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Bei der Regelung des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht den Ausgleichsanspruch des Antragsgegners den es mit 180,38 EUR errechnet hat, gemäß § 1587c Nr. 3 BGB um 50% auf 90,19 EUR gekürzt. Nach seiner Begründung sei der Versorgungsausgleich in vollem Umfang grob unbillig, weil der Antragsgegner über Jahre hinweg zum Unterhalt der Antragstellerin und der gemeinschaftlichen Kinder nur unzureichend beigetragen habe. Dies sei jedoch schuldhaft erst ab dem Zeitpunkt anzunehmen, ab dem der Antragsgegner, ein Student im Alter von 40 Jahren im 13. Studienjahr, sein Studium nicht mehr zielstrebig verfolgt und die Regelstudienzeit weit überschritten habe. Dem habe durch eine Kürzung um 50% Rechnung getragen werden müssen, weil der Versorgungsausgleich im übrigen eine Billigkeitskorrektur nach § 1587 c BGB nicht erfordere: Der Gerechtigkeit würde nicht in unerträglichem Maße widersprochen, weil die Antragstellerin das Verhalten des Antragsgegners über viele Jahre hinweg - wenn auch nicht widerspruchsfrei - letztlich hingenommen habe. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer zulässigen Beschwerde (§§ 629a Abs. 2, 621e ZPO) begehrt die Antragstellerin den völligen Ausschluß des Versorgungsausgleichs.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Versorgungsausgleich war gem. § 1587c Nr. 1 BGB gänzlich auszuschließen. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts würde hier auch nur bei einem teilweisen Wertausgleich dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprochen werden.

Der Antragsgegner studiert - zunächst im Einverständnis mit der Antragstellerin - sei dem Sommersemester 1999 (Lehramt). Er hat noch keine Zwischenprüfung absolviert. Während der Ehezeit hat er nur hin und wieder mit Einkünften aus Studentenjobs in geringem Umfang zum Familienunterhalt beigetragen. Die Antragstellerin hat während dieser Zeit 3 Kinder geboren und betreut - nach dem Tod des Sohnes - das dritte Kind, X., geb. am 20.11.2000, das an Achondroplasie leidet. Die Antragstellerin hat - soweit sie nicht durch Mutterschaftsurlaube gehindert war - immer eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, mit der sie ihre Rentenanwartschaften in der Ehezeit aufgebaut hat. Nach der Geburt des dritten Kindes hat sie - nach dem einjährigen Erziehungsurlaub - wieder als Krankenschwester gearbeitet und ihre Viertelstelle in der Universitätsklinik Gießen seit November 2002 auf eine halbe Stelle aufgestockt. Sie hat daher in der Ehezeit weit überwiegend die Betreuungslast und die finanzielle Versorgung der Familie gesichert, während der Antragsgegner sein Studienziel nicht mit dem Willen verfolgt hat, in zumutbaren Zeit zu einem Abschluß zu gelangen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (etwa: FamRZ 1988, 600) kommt ein vollständiger Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 1587c Abs. 1 BGB schon dann in Betracht, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte durch seine Erwerbstätigkeit den wesentlichen Teil des Familienunterhalts bestritten und es dadurch dem anderen Ehegatten ermöglicht hat, während der Ehezeit zu studieren.

Der BGH (a.a.O.) führt dazu aus:

"Der Tatrichter ist rechtlich nicht gehindert, grobe Unbilligkeit bereits zu bejahen, wenn der Erwerbstätige durch die Bestreitung des wesentlichen Teils des Familienunterhalts die materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, daß der andere Ehegatte studieren konnte. Für den Ausschluß des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c Nr. 1 BGB in Fällen der vorliegenden Art ist schließlich auch nicht erforderlich, daß der Ausgleichsverpflichtete auf den ungeschmälerten Bestand seiner Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist. Die grobe Unbilligkeit eines Ausgleichs kann vielmehr schon durch den Umstand begründet werden, daß ein Ehegatte, der durch seine Erwerbstätigkeit dem anderen bereits erhebliche und dauerhafte Vorteile in der Form einer qualifizierten Ausbildung hat zukommen lassen, an deren wirtschaftlichem Ertrag er infolge Scheiterns der Ehe nicht mehr teilnehmen kann, mit dem Versorgungsausgleich gleichsam nochmals zum Vorteil des schon durch die Ausbildung begünstigten anderen Ehegatten ein Vermögensopfer erbringen müßte."

Es kommt daher nicht darauf an, ob der Antragsgegner infolge unzulänglicher Bemühungen um sein Studium vorwerfbar einen Abschluß nicht erreicht und ab Überschreiten der Regelstudienzeit schuldhaft seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, verletzt hätte (§ 1587c Nr. 3 BGB). Der Versorgungsausgleich ist schon dann nach Nr. 1 der Vorschrift auszuschließen, wenn der eine Ehegatte die Last des Familienunterhalts und die Betreuung der Kinder im wesentlichen allein tragen mußte, um dem anderen Ehegatten ein Studium und damit ein besseres Einkommen zu ermöglichen. Daß dieses Studium dann mit Erfolg abgeschlossen würde, ist keine Bedingung für die Anwendung von Ziff. 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93a ZPO, die Wertfestsetzung auf § 17a GKG.

Held