OLG Frankfurt vom 14.12.2010 (5 UF 105/10)

Stichworte: Versorgungsausgleich; Vereinbarung; schriftliche Vereinbarung;
Normenkette: FamFG 36 Abs. 3, 224 Abs. 3; ZPO 278 Abs. 6; BGB 127a; VersAusglG 6, 7, 8, 48 Abs. 2; FamFG 36 Abs. 3, 224 Abs. 3; ZPO 278 Abs. 6; BGB 127a; VersAusglG 6, 7, 8, 48 Abs. 2;
Orientierungssatz:
  • Eine schriftliche Vereinbarung über den Versorgungsausgleich ist gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO wirksam im Anschluss an BAG NJW 2007, 1831.
  • Es kommt nicht auf die Formalitäten der Beurkundung an, sondern entscheidend auf diejenigen eines gerichtlichen Vergleichs.
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  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    B E S C H L U S S

    In der Familiensache

    hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den zuständigen Einzelrichter auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 15.04.2010 (Eingangsdatum) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenbach am Main vom 11.03.2010 am 14. Dezember 2010 beschlossen:

    1. Gemäß § 36 FamFG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO wird festgestellt, dass eine V e r e i n b a r u n g der beteiligten geschiedenen Ehegatten über den Versorgungsausgleich folgenden Inhalts zustande gekommen ist:

    Der Versorgungsausgleich wird nicht durchgeführt.

    2. In Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 11.03.2010 wird gemäß § 224 Abs. 3 FamFG auf Grund der unter Ziffer 1 genannten Vereinbarung der Ehegatten festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

    3. Gerichtskosten dieses Beschwerdeverfahrens sowie des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens (5 UF 178/08) werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten beider Beschwerdeverfahren werden gegeneinander aufgehoben.

    Der Verfahrenswert für das vorliegende zweite Beschwerdeverfahren wird auf 3.360 Euro festgesetzt.

    4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    Die beteiligten früheren Ehegatten sind durch Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 31.05.2007 rechtskräftig geschieden. Der Versorgungsausgleich ist damals abgetrennt worden. Den ersten Beschluss über den Versorgungsausgleich vom 23.04.2008 hat der Senat am 11.09.2008 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil spanische Versicherungszeiten nicht berücksichtigt waren.

    Mit dem nunmehr angefochtenen zweiten Beschluss hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich noch gemäß §§ 1587b Abs. 1 BGB a. F., 3 b Abs. 1 VAHRG erneut durchgeführt, dabei allerdings die vom Antragsteller in der Ehezeit erworbene, bereits bezogene spanische Rente und die ebenfalls in der Ehezeit vom 01.10.1982 bis 31.03.2006 zurück gelegten spanischen Versicherungszeiten der Antragsgegnerin, die sich bei der DRV Bund jeweils nur in den erhöhten Anrechnungszeiten auswirken, im Übrigen nicht berücksichtigt.

    Dagegen wendet sich die nach dem angefochtenen Beschluss ausgleichspflichtige Antragsgegnerin mit ihrer zulässigen Beschwerde, wobei sie u. a. die Anwendung des bis 31.08.2009 gültigen Rechts rügt. Inzwischen haben die beteiligten früheren Ehegatten die aus dem Tenor in Ziffer 1 ersichtliche schriftliche Vereinbarung geschlossen und beantragen deren gerichtliche Feststellung.

    Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass das abgetrennte Verfahren gemäß Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nach dem seit 01.09.2009 geltenden materiellen Recht und Verfahrensrecht fortzusetzen ist. Gemäß Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG wird das Verfahren als selbständige Familiensache fortgesetzt und verliert damit auch seine Folgesacheneigenschaft (vgl. zum Streitstand: Schwamb, FamFR 21/2010, 483 ff.). Für die geschlossene Vereinbarung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG gelten hiernach ferner §§ 7, 8 VersAusglG, 36 FamFG. Allerdings ist streitig, ob im Hinblick auf §§ 7 Abs. 2 VersAusglG, 127 a BGB eine solche Vereinbarung gemäß § 36 Abs. 3 FamFG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren wirksam geschlossen werden kann; dagegen wenden sich u. a. das OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1192, 1193, Hahne, FamRZ 2009, 2041, 2043, Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rn. 812, allerdings jeweils ohne Auseinandersetzung mit der Begründung der Gegenmeinung. Für eine Anwendung der §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO auf eine schriftliche Vereinbarung über den Versorgungsausgleich streiten demgegenüber die überzeugenden Argumente der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.11.2006 (NJW 2007, 1831, 1832 ff.; neuerdings auch OLG München, FamRB 2010, 362 f.; ebenso OLG Naumburg, FamRZ 2009, 617 [Ls.]), wonach es nicht auf die Formalitäten der Beurkundung ankommt, sondern entscheidend auf diejenigen eines gerichtlichen Vergleichs, der auch im schriftlichen Verfahren einen - sogar besseren - Schutz vor Übereilung biete und zudem durch die gerichtliche Feststellung seines Zustandekommens einer Prüfung seiner Wirksamkeit unterliege. Entsprechend ist auch den Motiven zu § 278 Abs. 6 ZPO (Begründung zu § 272 a ZPO des Regierungsentwurfs vom 24.11.2000, BT-Drs. 14/4722, S. 82) zu entnehmen, dass der Vergleich im schriftlichen Verfahren dieselbe Wirksamkeit entfalten soll wie ein in der mündlichen Verhandlung protokollierter Vergleich. Die ältere Entscheidung des BGH (NJW 1993, 3141) zum reinen Anwaltsvergleich nach § 796 a ZPO ist deswegen für den gerichtlichen Vergleich nach §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO nicht einschlägig. Der Hinweis auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 164 ZPO über die Protokollberichtigung zeigt vielmehr ebenfalls, dass der Gesetzgeber bereits bei der ZPO-Reform 2002 und nun auch bei Einführung des § 36 FamFG von der Gleichwertigkeit solcher schriftlicher Vereinbarungen mit protokollierten Vergleichen ausgegangen ist und § 127 a BGB dem nicht entgegensteht (so auch Baumbach/L./A./Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, § 278, Rn. 44). Weitere Hindernisse für die Wirksamkeit des Verzichts der Ehegatten auf den Versorgungsausgleich sind vorliegend nicht ersichtlich. Es erscheint im Gegenteil sogar sinnvoll, den Versorgungsausgleich auszuschließen, um der Antragsgegnerin ihre werthöheren deutschen Anrechte und dem in Spanien lebenden Antragsteller seine dort bereits bezogenen höheren spanischen Anrechte zu belassen. Hiernach war zunächst gemäß §§ 36 Abs. 3 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen der Vereinbarung festzustellen und sodann gemäß § 224 Abs. 3 FamFG, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 20 FamGKG und im Hinblick auf Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG nach § 150 Abs. 5 Satz 2 FamFG i. V. m. § 81 FamFG. Die Wertfestsetzung mit 4 * 10% * 8.400 Euro folgt aus § 50 FamGKG.

    Da aber die Rechtsfrage, ob über den Versorgungsausgleich eine schriftliche Vereinbarung gemäß § 36 Abs. 3 VersAusglG wirksam geschlossen werden kann, in Literatur und Rechtsprechung weiterhin umstritten ist (s. o.), lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu. Diese wäre binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer unterschriebenen Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift müsste die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, enthalten sowie die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

    Schwamb